Modul 4: Unterstützungsangebote des sozialen Sektors

Welche Aspekte sind nach der Offenlegung häuslicher Gewalt wichtig?
Psychische Gesundheitsprobleme
Hilfsangebote des sozialen Sektors

Im Blickpunkt: Schulsektor – Dokumentation & rechtliche Aspekte

Lernziele

Dieses Modul stellt die Hilfe vor, die nach der Aufdeckung häuslicher Gewalt von den Sozialdiensten angeboten wird.


Welche Aspekte sind nach der Offenlegung häuslicher Gewalt wichtig?

Folgende Aspekte sind nach der Offenlegung häuslicher Gewalt zu beachten.

Klienten und Klientinnen mit lebensbedrohlichen oder schweren Erkrankungen sollten sofort zur Notfallbehandlung überwiesen werden.

  • Jeder Aspekt sollte erklärt und für jeden Aspekt sollte eine informierte Zustimmung eingeholt werden.
  • Wenn Klienten oder Klientinnen zur Polizei gehen wollen, sagt man ihnen, dass sie forensische Beweise sicherstellen lassen sollten, um die Beweiskraft zu stützen.
  • Man erklärt ihnen, was die Beweiserhebung beinhalten würde.
  • Wenn Opfer Beweise sichergestellt haben möchten, wendet man sich an einen speziell geschulten Anbieter, der dies tun kann.

Ein Opfer häuslicher Gewalt sollte nicht dazu gezwungen werden, über den Übergriff zu sprechen, wenn es nicht will. Die Fragen sollten in allen Fällen auf das beschränkt werden, was für die medizinische Versorgung erforderlich ist.


Psychische Gesundheitsprobleme

Viele Opfer, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, werden als Folge davon psychische Gesundheitsprobleme haben. Wenn die Gewalt, der Übergriff oder die Situation vorbei ist, werden sich diese emotionalen Probleme wahrscheinlich bessern. Die meisten Menschen erholen sich wieder. Es gibt spezifische Möglichkeiten, um Opfern Hilfe und Techniken anzubieten, um ihren Stress zu reduzieren und die Heilung zu fördern.

Einige Opfer werden jedoch mehr leiden als andere. Es ist wichtig, diese Opfer zu erkennen und ihnen bei der Versorgung zu helfen. Sie sollten an einen Psychotherapeuten bzw. eine Psychotherapeutin überwiesen werden.


Hilfsangebote des sozialen Sektors

Kriseninformation

Ein schneller Zugang zu vollständigen, präzisen und klaren Informationen ist während einer Krise für jedes Opfer, das körperliche, sexuelle oder andere Formen von Gewalt erlebt hat oder erlebt, von entscheidender Bedeutung. Sie sollen ihr/ihm helfen, in Sicherheit zu gelangen – und zwar unabhängig davon, wo es sich befindet und zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Die Informationen umfassen Angaben zu Rechten sowie zu Umfang und Art der verfügbaren Unterstützungsdienste. Sie werden in einer nicht schuldzuweisenden und verurteilenden Weise bereitgestellt. Die Informationen müssen so zur Verfügung gestellt werden, dass die Opfer in die Lage versetzt werden, das Angebot und die Wahlmöglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, zu prüfen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

  • Stellen Sie sicher, dass Kriseninformationen klar, prägnant und genau sind.
  • Stellen Sie sicher, dass in diesen Informationen das Angebot an bestehenden Unterstüzungsdiensten für Opfer häuslicher Gewalt vorgestellt und auf diese verwiesen wird.
  • Sorgen Sie dafür, dass diese Informationen überall verfügbar und für das Opfer gut zugänglich sind.
  • Sorgen Sie für eine weite Verbreitung kulturell sensibler Informationen über verschiedene und relevante Medien an verschiedenen Orten und in verschiedenen Umgebungen im gesamten Landkreis/Land.
Krisenberatung

Krisenberatung ist unerlässlich, um den Opfern zu helfen, in sofortige Sicherheit zu gelangen, ihre Rechte zu verstehen und Schuld- und Schamgefühle zu vermindern. Dafür brauchen Sie Geduld, Respekt und Transparenz gegenüber den Opfern.

  • Bieten Sie kostenlose Krisenberatung an.
  • Stellen Sie sicher, dass den Opfern zugehört und geglaubt wird.
  • Stellen Sie sicher, dass den Opfern eine Reihe von Möglichkeiten angeboten wird:
    • Entscheidungshilfen,
    • sofortiger Zugang zu einer sicheren und geschützten Unterkunft,
    • sofortiger Zugang zu Notfall- und sicheren medizinischen Diensten wie Krankenhäusern
  • Die Möglichkeit, die Serviceeinrichtung erneut zu kontaktieren, auch wenn sich Opfer entscheiden, keine der angebotenen Optionen in Anspruch zu nehmen.
    • Stellen Sie sicher, dass die Opfer unterstützt werden, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können.
    • Bieten Sie Krisenberatung an, z. B. persönlich, per Telefon, Mobiltelefon oder E-Mail.
    • Stellen Sie sicher, dass diese Krisenberatung an verschiedenen Orten und in unterschiedlicher Umgebung angeboten wird.
Hotlines

Hotlines sind eine wichtige Verbindung zu Informations-, Beratungs- und Unterstützungsdiensten für Opfer häuslicher Gewalt. Diese Hotlines arbeiten unabhängig von polizeilichen Ermittlungen oder anderen Telefonnotdiensten.

  • Bieten Sie kostenlose oder gebührenfreie Telefon-Hotlines an.
  • Hotlines sollten vorzugsweise 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche oder mindestens vier Stunden pro Tag, einschließlich Wochenenden und Feiertagen, zur Verfügung stehen.
  • Stellen Sie sicher, dass diejenigen, die die Hotlines besetzen, über angemessene Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und entsprechend geschult sind.
  • Stellen Sie sicher, dass die Hotline über Protokolle verfügt, die sie mit anderen Sozialdiensten sowie Gesundheits- und Justizdiensten verbinden, um auf die individuellen Umstände der Opfer eingehen zu können.
  • Stellen Sie notwendige Dinge, die zu den unmittelbaren individuellen Grundbedürfnissen des Alltags gehören, einschließlich Nahrung und Kleidung, entweder direkt oder über lokale Dienste zur Verfügung.
  • Stellen Sie eine Verbindung zur Polizei oder dem Justizsystem her, wenn Sie vom Opfer darum gebeten werden oder wenn es notwendig ist.
Sichere Unterbringung

Viele Opfer müssen ihre bisherigen Lebensumstände sofort verlassen, um sicher zu sein. Eine sofortige und sichere Unterbringungsmöglichkeit sind sichere Häuser oder Zufluchtsorte, Schutzräume oder andere sichere Räume. Darüber hinaus benötigen die Opfer möglicherweise Unterstützung, um mittel- bis längerfristig eine sichere Unterkunft zu finden.

  • Sorgen Sie für eine sichere und gesicherte Notunterkunft, bis die unmittelbare Bedrohung beseitigt ist.
  • Sorgen Sie nach Möglichkeit für einen geheimen Ort.
  • Gewährleisten Sie Sicherheitspersonal und Sicherheitssysteme.
  • Stellen Sie sicher, dass es ein Zugangsprotokoll für Personen gibt, die eine sichere Unterkunft betreten und verlassen.
  • Stellen Sie sicher, dass es ein Protokoll für unbegleitete Kinder gibt, einschließlich eines Protokolls für längerfristige alternative Betreuung, wo dies notwendig und angemessen ist. Diese sollten an die bestehende nationale Gesetzgebung und internationale Standards angepasst sein.
  • Stellen Sie sicher, dass die Unterkünfte für Opfer mit Behinderungen zugänglich sind.
  • Geben Sie eine Einschätzung der unmittelbaren Bedürfnisse des Opfers ab.
  • Entwickeln Sie in Absprache mit dem Opfer einen individuellen Unterstützungsplan.
Materielle und finanzielle Hilfe

In der unmittelbaren Zeit der Krise ist davon auszugehen, dass die Opfer kaum oder keinen Zugang zu materiellen Ressourcen haben. Materielle und finanzielle Hilfe umfasst die nötige Unterstützung und Mittel, um den Zugang zu Kriseninformationen und -beratung, sicherer Unterkunft und Verpflegung zu ermöglichen.

  • Unterstützung beim Zugang zu den unmittelbaren individuellen Grundbedürfnissen jedes Opfers, einschließlich des Zugangs zu Notfalltransporten, Nahrung und sicheren Unterkünften, die kostenlos zur Verfügung stehen.
  • Stellen Sie sicher, dass die Hilfe den Bedürfnissen der einzelnen Kinder gerecht wird.
  • Stellen Sie Sach- und andere nicht-monetäre Hilfsgüter, wie z. B. persönliche und medizinische Grundversorgung, bereit.
  • Gewährleisten Sie verschiedene Möglichkeiten für die Opfer, damit diese einen sicheren Zugang zu materieller und finanzieller Hilfe zu erhalten können.
Rechtsinformationen über häusliche Gewalt und Vertretung dieser Rechte

Viele Opfer verfügen wahrscheinlich nur über begrenzte Kenntnisse in Bezug auf ihre Rechte und die ihnen zur Verfügung stehenden Optionen. Genaue und rechtzeitige Informationen über Angelegenheiten wie Scheidungs-/Ehegesetze, Sorgerecht für Kinder, Vormundschaft, Migrationsstatus und Hilfe bei allen Schritten der polizeilichen Ermittlungen und den Gerichtsverfahren sind wichtig, um die Sicherheit der Opfer zu gewährleisten.

  • Kostenlose Bereitstellung von Informationen über Recht und Rechte bei Verfahren von häuslicher Gewalt
  • Bereitstellung von Informationen in schriftlicher Form (und in einer Sprache, die das Opfer versteht), mündlich und/oder in einer Form, mit der das Opfer vertraut ist
  • Geben Sie klare und genaue Informationen über:
  • verfügbare Sicherheitsmaßnahmen, die weiteren Schaden durch den mutmaßlichen Täter verhindern können,
  • Verfahren und Fristen im nationalen Rechtsrahmen,
  • verfügbare Unterstützung, wenn formelle Gerichtsverfahren oder Rechtsmittel eingeleitet werden
  • Dokumentation aller rechtlichen Fälle häuslicher Gewalt, um den Opfern bei allen zukünftigen Maßnahmen, die sie ergreifen könnten, zu helfen
Psychosoziale Unterstützung und Beratung

Eine Beratung durch Fachkräfte kann die Gesundheit der Opfer zukünftig erheblich verbessern, was wiederum ihren Zugang zu Bildung und Beschäftigung verbessern kann.

  • Bieten Sie kostenlose Unterstützung/Beratung an.
  • Stellen Sie sicher, dass die Opfer Zugang zu einer Mindestanzahl von Unterstützungs-/Beratungssitzungen haben.
  • Stellen Sie sicher, dass die Beratungsstelle über die Gewalterfahrungen informiert ist.
  • Stellen Sie sicher, dass die Beratungsstelle menschenrechtsorientiert und kulturell sensibel ist.
Serviceangebote für Kinder

Die direkte oder indirekte Erfahrung von Gewalt kann verheerende Auswirkungen auf Kinder haben. Kinder haben das Recht auf Zugang zu Serviceangeboten, die altersgerecht, kindgerecht und kinderfreundlich sind.

  • Stellen Sie Serviceangebote für Kinder kostenlos zur Verfügung.
  • Stellen Sie Angebote bereit, die altersgerecht, kindgerecht, kinderfreundlich und im Einklang mit internationalen Standards sind.
  • Bieten Sie auf Kinderrechte ausgerichtete Beratung und psychosoziale Unterstützung an.
  • Erleichtern Sie den Zugang zu einer gesetzlichen Vertretung für die Kinder, falls erforderlich, z. B. durch einen (gesetzlichen) Vormund, wenn das Kind unbegleitet ist.
  • Gewährleisten Sie eine rechtzeitige Überweisung und einen erleichterten Zugang zu notwendigen Leistungen, z. B. zum Kinderschutz, um Fragen bezüglich Vormundschaft, Gesundheitsversorgung und Bildung zu klären.
  • Sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiter in kindgerechten und kinderfreundlichen Verfahren geschult werden.
Täterprogramme

Ein wesentliches Element einer erfolgreichen Täterarbeit sind Kooperationsverbünde mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten, Opferschutzorganisationen, der Bewährungshilfe, Jugendämtern, dem Gesundheitssektor und Beratungsstellen. Im Interesse des Opferschutzes sind eine enge Zusammenarbeit mit den regionalen Unterstützungsdiensten und die Entwicklung gemeinsamer Abläufe bei häuslicher Gewalt notwendig und zu fördern. Die Zusammenarbeit dient der gegenseitigen Information über Arbeitskonzepte sowie verbindlichen Vereinbarungen zur fallübergreifenden und fallbezogenen Zusammenarbeit.

Täterprogramme gegen häusliche Gewalt verfolgen folgende Ziele:

  • keine erneute Gewaltanwendung: Die Spirale der Gewalt muss schnell und nachhaltig unterbrochen werden;
  • die Übernahme von Verantwortung durch die Täter für ihre Taten,
  • die Erlangung einer besseren Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle,
  • die Unterstützung in ihrer Fähigkeit zur Empathie,
  • das Erlernen alternativer Konfliktlösungsstrategien,
  • die Förderung einer verbesserten Beziehungsfähigkeit.

Fallstudie: Wie Sozialdienste die Untersuchung häuslicher Gewalt unterstützen können

Eine Frau hat die Polizei gerufen, weil ihr Mann sie verprügelt hat. Die Staatsanwaltschaft leitete – nach ihren Verletzungen – ein Strafverfahren wegen leichter Körperverletzung ein. Einige Stunden nachdem sie in einer Schutzeinrichtung aufgenommen wurde, verschlechterte sich ihr körperlicher Zustand erheblich. Ein Sozialarbeiter hat mit dem Opfer über die jetzt sichtbare Schwere der Verletzungen gesprochen. Mit dem Einverständnis des Opfers beschloss der Direktor des Heims, einen Krankenwagen zu rufen und Fotos der Verletzungen zu machen und sie an die Polizei zu schicken, weil er aufgrund der Verletzungen zu dem Schluss gekommen ist, dass das Verbrechen schwerer gewesen sein muss als eine leichte Körperverletzung. Da das Opfer die Informationen mit der Polizei teilen will, ist es ihm gesetzlich erlaubt, dies zu tun. Das Gericht stufte – auf Grundlage des medizinischen Berichts, der gesicherten medizinischen Beweise und der von der Unterkunft geschickten Fotos – den Fall als Mordversuch ein. Manchmal ist proaktives Handeln der Sozialdienste bei der Bearbeitung von Fällen häuslicher Gewalt unerlässlich. Sie stehen in engem Kontakt mit dem Opfer und verfügen dadurch über entscheidende Informationen, die die Untersuchung unterstützen könnten. Sie können den Behörden nicht nur bei der rechtzeitigen Dokumentation der Verletzungen helfen, sondern auch dadurch, dass sie Informationen über den Fall weitergeben, die die Opfer der Polizei oder anderen Einsatzkräften wahrscheinlich nicht übermittelt haben. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind ein wichtiger Teil interorganisatorischer Hilfsnetzwerke.

Aufgaben

(1) Welche weiteren Hilfsangebote können der Frau durch den sozialen Sektor zur Verfügung gestellt werden?
(2) Welche Informationen sind für die junge Frau wichtig, damit sie ihre Situation bestmöglich einschätzen kann?
(3) Wo sehen Sie in den kommenden Wochen die größten Herausforderungen für das Opfer und wie würden Sie diesen begegnen?
(4) Wie reagieren Sie, wenn die Frau Ihnen im Gespräch anvertraut, dass Sie gerne zu Ihrem Mann zurückkehren möchte?

Die Antworten auf diese Aufgaben sind in den entsprechenden Abschnitten dieser Sektion zu finden.

Der Mann, gegen den zunächst ein Verfahren wegen leichter Körperverletzung durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet wurde, ist wegen des Konsums illegaler Substanzen vorbestraft. Aufgrund der neu eingereichten Beweismittel (Fotos und Dokumentation der Verletzungen) im Ermittlungsverfahren gibt die Staatsanwaltschaft nun im Zuge der vorbereiteten Anklage auf Mordversuch den Auftrag zur Festnahme. Die Polizei nimmt den Mann fest und bringt ihn in die ortszuständige Haftanstalt. Aufgrund der Tatbegehungsgefahr wird schließlich eine Untersuchungshaft verhängt. Der Mann befindet sich nun zunächst in zweiwöchiger Haft. Die dort zuständigen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen nehmen nach dem Erstgespräch mit dem Mann Kontakt mit der betreuenden Opferschutzeinrichtung auf, um etwaige Kontaktverbote zu klären und im Fall einer Haftentlassung, im Sinne des Opferschutzes eine Meldung nach gesetzlichen Vorkehrungen an die Opferschutzeinrichtung zu erstatten. Die Haftrichterin ist der Meinung, dass es sich eher um eine schwere Körperverletzung handele und entscheidet sich schließlich aufgrund der sicheren Unterbringung des Opfers und des kooperativen Verhaltens des Mannes bei der Haftverhandlung dazu, ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Nach der Kontaktaufnahme mit den betreuenden Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen, die den Fall als sehr riskant einstufen, wird jedoch eine Anordnung zur vorläufigen Bewährungshilfe ausgesprochen. Kurz vor der Enthaftung nehmen die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen Kontakt zur Bewährungshilfe auf, um einen nahtlosen Übergang aus der Haft in die weitere Betreuung zu gewährleisten. Der Mann wird bis zur Hauptverhandlung engmaschig durch die Bewährungshilfe betreut.

Aufgaben

(5) Was ist in der Arbeit mit dem Mann zu beachten? Welche Risikofaktoren können durch welche Einrichtung berücksichtigt werden?
(6) Wie reagieren Sie, wenn der Mann im letzten Gespräch vor der Enthaftung ankündigt, sich bei der Frau dafür rächen zu wollen, dass er nun in Haft gewesen sei?
(7) Welche Auflagen und Anordnungen, neben der Bewährungshilfe, sind im Zuge einer Enthaftung des Mannes noch möglich?
(8) Überlegen Sie sich mögliche Szenarien nach der Enthaftung: Was passiert beispielsweise bei einer Kontaktaufnahme des Mannes mit der Frau?

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Fallstudie: Opferorientierte Täterarbeit

Herr F., 34 Jahre alt, wird seit vier Monaten von der Bewährungshilfe betreut. Die Anordnung fand im Zuge einer gerichtlichen Weisung statt. Verurteilt wurde Herr F. zu vier Monaten bedingter Freiheitsstrafe und drei Jahren Probezeit aufgrund einer gefährlichen Drohung gegen seine Lebensgefährtin Frau W. Nach dem Vorfall wurde er der gemeinsamen Wohnung verwiesen und ein Annäherungsverbot wurde ausgesprochen. Zudem ist die Verständigung der Opferschutzeinrichtung durch die Polizei erfolgt. Im Anschluss wurde von Frau W. keine einstweilige Verfügung beantragt.

Die Lebensgefährtin, damals im zweiten Monat schwanger, sagte bei der Hauptverhandlung wahrheitsgemäß aus, wollte aber die Beziehung aufgrund der Drohung, die er alkoholisiert und im Streit ausgesprochen habe, nicht beenden. Sie gab vor Gericht auch an, dass er sich bei ihr entschuldigt habe und der zukünftige Vater ihres Kindes sei.

Seit zwei Wochen merkt die zuständige Bewährungshelferin, dass Herr F. zunehmend angespannt zu den Terminen kommt. Er hat zuletzt davon berichtet, dass seine Lebensgefährtin, die nun im sechsten Monat schwanger ist, derzeit im Mutterschutz und viel zu Hause sei, aber trotzdem wenig im Haushalt mache. Zudem sei er seit längerer Zeit auf Arbeitssuche. Mit seiner Mutter streite er recht häufig, sie würde sich nicht mehr um ihn kümmern und sage ihm nur, dass er ja jetzt eine eigene Frau habe, die sich um ihn sorge.

Aufgaben

(1) Was kann die Bewährungshelferin machen, um das aktuelle Risiko abzuklären?
(2) Um welche Formen häuslicher Gewalt kann es sich in diesem Fall handeln?
(3) Welche Risikofaktoren liegen vor? Welche könnten noch hinzukommen?
(4) Mit welchen Einrichtungen kann die Bewährungshelferin im Sinne der opferorientierten Täterarbeit Kontakt aufnehmen?
(5) Überlegen Sie mögliche Szenarien multiprofessioneller Kooperation und Risikoeinschätzung und die Möglichkeit, diese in Ihrem eigenen Arbeitsumfeld umzusetzen.

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Interview mit einer an einem Arbeitskreises für geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt Beteiligten
Wie kommt ihr mit Betroffenen häuslicher Gewalt in Kontakt?

Klient*innen, wobei die überwiegende Zahl der betroffenen Personen Frauen sind, werden z. B. von Frauenhäusern oder Sozialstellen an uns weitervermittelt und wir beraten sie in rechtlichen Angelegenheiten (z. B.: Wie geht es mit meinem Asylverfahren weiter? Was passiert mit meinem Aufenthaltstitel?) oder bieten ihnen psychosoziale Unterstützung an. Gerade im Rahmen der psychosozialen Unterstützung entsteht eine vertrauliche Beziehung zu den Klientinnen, die es möglich macht, Traumafolgestörungen als Folge von Erfahrungen häuslicher Gewalt zu erfassen. Wichtig ist hierbei aber, dass neben all den offensichtlichen Themen, zu denen wir als psychosoziale Flüchtlingsunterstützung hinzugezogen werden (z. B. Aufenthaltssicherung oder Verbesserung der psychischen Gesundheit), häusliche Gewalt ein weiteres Thema sein kann.

Welche Unterstützung bietet ihr geflüchteten Frauen an?

Sowohl die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (GGUA) als auch Refugio als ein Arbeitsbereich der GGUA und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bieten seit einigen Jahren niedrigschwellige Angebote als Präventionsmaßnahmen an, die sozial isolierten Frauen die Möglichkeit bieten, sich zu vernetzen. Dazu gehört z. B. das „QUASSEL CAFE“, das einmal im Monat stattfindet und ein Treffpunkt für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund ist. Sie können sich dort austauschen, die Sprache üben oder gemeinsam etwas unternehmen. Über eine spezielle Frauengruppe, die Refugio anbietet, treffen sich – mit therapeutischer oder pädagogischer Begleitung – Teilnehmerinnen, die gemeinsam darüber sprechen, wie sie aus der Isolation kommen und Kontakte knüpfen können, oder wie ein verbesserter Umgang mit Stress und psychischer Belastung funktionieren kann. Einige geflüchtete Frauen leben sehr isoliert, haben kaum Kontakt zu (gleichsprachigen) Menschen in den Unterkünften und leiden unter Einsamkeit. Wir bieten bei diesen Angeboten auch ein sogenanntes Genusstraining an, d.h., es gibt dabei positive Erlebnisse oder Erfahrungen, die den Frauen guttun. So sind die niedrigschwelligen Angebote auch eine Vorstufe für Opfer häuslicher Gewalt, um einen ersten Kontakt nach außen zu knüpfen. Sie lernen ihre Umwelt und ihre Möglichkeiten kennen.

Wie sehr erschwert die sprachliche Barriere eure Arbeit?

Zu den bereits bestehenden Problemen unter den geflüchteten Frauen, die isoliert sind, kommt die sprachliche Problematik noch verschärfend hinzu. Unterstützungsangebote sind aufgrund der Sprachbarriere oft kaum bekannt. Die Frauenberatungsstellen in Münster haben dem Problem mit mehrsprachigen Flyern entgegengewirkt. Aber es gibt viele niedrigschwellige Angebote (z. B. Sportangebote, Vernetzungsmöglichkeiten), die unbekannt sind. Wir arbeiten mit geschulten Sprach- und Kulturmittler*innen oder konzipieren unsere Angebote sprachreduziert, sodass eine Teilnahme auch mit geringen Deutschkenntnissen möglich ist.

Hast du eine Idee, warum sich geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt keine Unterstützung suchen?

Weil viele Angebote zu hochschwellig und sehr viele Betroffene verängstigt sind. Man muss Brücken über niedrigschwellige Angebote bauen und positive Erfahrungen schaffen, um ihnen aus der Isolation zu helfen. Die Sprachbarriere spielt sicher auch eine Rolle. Zudem ist ein professionelles Hilfesystem mit Beratungsstellen und Frauenhäusern für viele Frauen unbekannt – sie wissen oft gar nicht, dass es diese Möglichkeiten gibt. Außerdem spielen viele andere Faktoren eine Rolle, die eine Kommunikation über schwierige Themen erschweren. So spielen die Scham der Betroffenen oder auch die Community, die nicht über häusliche Gewalt spricht und diese tabuisiert, eine große Rolle. Die Geflüchteten sind oft nicht in Strukturen eingebunden, die sie unterstützen. Nicht zuletzt werden sie durch die eigene Familie unter Druck gesetzt. Das heißt, dass nicht nur der gewalttätige Partner, sondern auch die Familie einen hohen Druck ausübt – Scheidung und Trennung sind oftmals ein soziales Tabu. Ich denke, dass die zugeschriebene Rolle in der Familie ein weiterer Faktor ist. Oftmals übernehmen die Frauen die Kinderbetreuung, während der Partner einen Deutschkurs besucht oder die anstehenden Dinge in Deutschland regelt (z. B. Aufenthalt, soziale Leistungen). Dadurch festigen sich oft bestehende Machtstrukturen. Viele Klientinnen schildern die Sorge um den Aufenthalt und die Perspektive in Deutschland als einen Faktor, weshalb sie bei ihrem Partner bleiben.

Was sind eure Aufgaben?

Unsere Aufgabe ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Themen mithilfe einer Sprachmittlerin besprochen werden können. Wir versuchen herauszufinden, ob es sich um eine akute Bedrohungssituation handelt oder ob die Person eine Traumafolgestörung hat, und können dann den Handlungsbedarf anpassen. Bei einer akuten Bedrohungssituation vermitteln wir an Polizei, Sozialstellen, Unterkünfte oder Frauenhausstellen. Bei Traumafolgestörungen infolge einer Gewalterfahrung werden entweder ambulante Therapieplätze vermittelt oder sie werden bei Refugio an eine psychosoziale Beratung, Psychotherapie oder an unsere niedrigschwelligen Gruppenangebote angebunden. Ist der Handlungsbedarf rechtlicher Art und hat die Person Fragen bezüglich des Asylverfahrens, setzen wir uns mit der Ausländerbehörde, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder Rechtsanwälten in Verbindung und nehmen die Person in unsere soziale Beratung auf.

Wie genau ermöglichst du diese niedrigschwelligen Angebote?

In erster Linie ist es meine Aufgabe, (sekundär-)präventive Empowerment-Angebote zu schaffen. Diese Angebote betreffen Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren, aktuell sind oder sein könnten. Zu den Empowerment-Angeboten zählen unter anderem Möglichkeiten, aus der Isolation zu gelangen, Informationen zu Hilfsangeboten zu erhalten oder auch zu lernen, eigene Grenzen wahrzunehmen und zu setzen. Einige Klientinnen haben oft keine Möglichkeit, Grenzen zu setzen. Sie lassen vieles mit sich geschehen. Es ist immer schwierig, einen Weg aus dem Gewaltkreislauf zu finden. So werden auch Basisinformationen, wie z. B. die Telefonnummer der Polizei, vermittelt.

Du gehörst zum städtischen Arbeitskreis speziell für geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt. Kannst du uns dazu noch etwas erzählen?

Die Akteurinnen in diesem Arbeitskreis kommen aus unterschiedlichen Fachrichtungen wie den Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern, dem Sozialamt, der Polizei und der Rechtsmedizin. Der Arbeitskreis wird vom Gleichstellungsbüro organisiert und wurde aus den Arbeitskreisen „Gewaltschutz“ und „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ gegründet. Wir nehmen mit unterschiedlichen Kolleginnen an den drei Arbeitskreisen teil, weil wir uns im Team thematisch möglichst breit aufstellen möchten. In den Arbeitskreisen werden hauptsächlich strukturelle Schwierigkeiten besprochen, Bedarfe analysiert und Angebote initiiert. Wir haben z. B. mit dem Frauensportverein ein Tanzangebot als niedrigschwelliges Angebot organisiert, das COVID-19-bedingt leider unterbrochen werden musste. Darüber hinaus findet durch die enge Vernetzung auch ein Austausch auf Einzelfallebene statt; wir haben gemeinsame Klientinnen, die wir mit je unterschiedlicher Fachexpertise unterstützen.

Was sind organisatorische Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit bei Fällen häuslicher Gewalt?

Die Zusammenarbeit wird schwierig, weil nicht genug freie Plätze in den Frauenhäusern für akute Fälle zur Verfügung stehen. Hier kommen wir schnell an den Punkt, an dem Betroffene häuslicher Gewalt nicht weitervermittelt werden können. Sind die Betroffenen untergebracht, funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Um die Angebotslücke an Frauenhausplätzen etwas zu verringern, hat der Flüchtlingssozialdienst ein Schutzhaus eingerichtet, das Opfern häuslicher Gewalt schnell aus der akuten Situation heraushilft und ihnen einen Übernachtungsplatz bietet. Das Konzept gleicht einer Unterkunft, wobei der Flur von Security-Personal überwacht wird. Das ist aber nur eine kurzfristige Lösung. Ein weiteres Problem stellt die Kosterstattung der Sprachmittlung für ambulante Psychotherapie dar, die, je nach Leistungserbringer, unterschiedlich lange dauern kann. In Münster wurde nach dem Bremer Modell die Gesundheitskarte eingeführt, was ein guter Schritt war. So können Arztbesuche stattfinden und die Abrechnung läuft über die Krankenkasse. In anderen Städten und im Umkreis von Münster muss ein Krankenschein beim Sozialamt abgeholt werden. Die dortigen Sachbearbeiter*innen entscheiden, ob ein Behandlungsbedarf besteht. Das stellt eine große Hürde dar, weil eine fachfremde Person über den Behandlungsbedarf und über die finanziellen Mittel hierfür entscheiden muss.

Wie sind deine bisherigen Erfahrungen bei der Arbeit?

Unsere Zusammenarbeit mit den Frauenberatungsstellen und den Frauenhäusern läuft viel routinierter ab. Jeder weiß, was die Stärken der jeweiligen Akteurinnen sind. Insgesamt ist die Thematik für uns viel „normaler“ geworden. Auch die Zusammenarbeit mit den Psychotherapeuten, die noch einige Fragen und Sorgen hatten (z. B. bezüglich der Therapie mit einem Dolmetscher oder auch Klienten, die gerade aus einem anderen Land gekommen sind), gestaltet sich routinierter.

Durch die Mehrfachdiskriminierung, die einige Geflüchtete erleben oder erlebt haben, aber auch durch die Art der traumatischen Ereignisse, wie z. B. Diskriminierungen auf der Flucht oder Zwangsprostitution, wirken die Themen auf einige Fachkräfte sehr abschreckend und überfordernd. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Menschen über sehr viele Ressourcen verfügen und sehr resilient sind. Dementsprechend ist nicht nur ein problemorientiertes, sondern auch ein ressourcenorientiertes Arbeiten sehr wichtig.

Was sind eure Ziele?

Unsere Ziele sind vielseitig und orientieren sich in erster Linie daran, die Geflüchteten zu bestärken und dabei zu unterstützen, ihre eigenen Rechte zu kennen und durchzusetzen. Wir unterstützen sie in rechtlichen Angelegenheiten und versuchen, den Aufenthalt zu sichern. Wichtig ist uns aber auch, politisch auf die Strukturen einzuwirken und für den spezifischen Bedarf unserer Zielgruppe zu sensibilisieren, sodass z. B. die EU- Aufnahmerichtlinie umgesetzt wird. Auch die jeweiligen Städte sollen auf das Thema „häusliche Gewalt gegenüber Geflüchteten“ aufmerksam gemacht werden. Wir versuchen, Kooperationspartner zu gewinnen, die ebenfalls auf die spezifische Zielgruppe sensibilisiert werden, um in einen gegenseitigen Austausch zu kommen und voneinander zu lernen.  So können wir alle in Fällen häuslicher Gewalt bei Geflüchteten zugunsten der Opfer handeln.


Im Blickpunkt: Schulsektor – Dokumentation & rechtliche Aspekte

Dokumentation

Tragen Sie Ihre Beobachtungen zusammen und machen Sie sich Aufzeichnungen. Systematische Aufzeichnungen über Verhaltensweisen, Äußerungen und Handlungen des Kindes sind eine wichtige Informationsquelle für die Bewertung des Verdachtes und die Planung des weiteren Vorgehens. Daraus können dann im Team/Kollegium Ursachen für das Verhalten und weitere Handlungsschritte für das konkret betroffene Kind oder den Jugendlichen entwickelt werden. Die Beobachtungen und Dokumentationen können als Grundlage für die Kommunikation mit den Eltern und mit anderen Institutionen/Organisationen, z. B. dem Jugendamt, dienen.

An wen kann ich mich wenden?

Die Hilfen, die ein von häuslicher Gewalt mitbetroffenes Kind oder Jugendlicher und dessen Familie benötigen, sind meist sehr komplex und zeitintensiv. Sie können nicht von einer Person oder Einrichtung allein erbracht werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Hilfeeinrichtungen ist erforderlich.

Sie haben dazu folgende Möglichkeiten, wobei bei allen nachfolgend genannten Angeboten eine anonyme Beratung möglich ist:

  • Bleiben Sie im Austausch mit Kollegen und Kolleginnen und Vorgesetzten, insbesondere in Phasen, in denen Sie verunsichert sind. Führen Sie Fallkonferenzen mit Ihren Kollegen und Kolleginnen durch (evtl. unter Einbeziehung der/des Ansprechpartnerin/-partners des Jugendamtes).
  • Nehmen Sie eine telefonische oder persönliche Beratung durch die Polizei in Anspruch. Allerdings sollten Sie beachten, dass die Polizei zur Verfolgung von Straftaten verpflichtet ist. Erlangt die Polizei Kenntnis einer Kindeswohlgefährdung durch Misshandlung oder Vernachlässigung, müssen strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.
  • Kontaktieren Sie das Jugendamt, wenn es Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindes in der Familie gibt und die Betroffenen Hilfen aus eigenem Antrieb nicht in Anspruch nehmen können oder wollen. Auch hier können Sie zunächst eine telefonische oder persönliche Beratung in Anspruch nehmen. Jugendämter sind nicht dazu verpflichtet, entsprechende Delikte anzuzeigen bzw. die Polizei zu informieren. Vorrang hat der Schutz des Kindeswohls, was bei Jugendlichen häufig in Absprache mit sozialen Diensten und Beratungsstellen so wahrgenommen wird, dass individuelle Hilfe- und Schutzkonzepte entwickelt werden, die von den Jugendlichen mitgetragen werden können.
  • Die Information von Behörden oder Beratungseinrichtungen freier Träger sollte grundsätzlich mit dem Einverständnis des Kindes und der Erziehungsberechtigten erfolgen. Behördliche Stellen können aber auch ohne dieses Einverständnis einbezogen werden, wenn das Wohl des Kindes oder Jugendlichen hochgradig gefährdet ist. Die Anonymisierung des Falls stellt eine Möglichkeit dar, sich ohne eine Verletzung der Schweigepflicht kompetenten Rat einzuholen. Einrichtungen im Bereich der Jugendhilfe – wie Kinder- und Jugendnotdienste, Kinderschutzzentren, Erziehungsberatungsstellen und eine Partner-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung – bieten Rat und Hilfe an.
  • Schulpsychologische Beratungsstellen können auch zur Konfliktbearbeitung einbezogen werden. Sie beraten Ratsuchende und können Kontakte zu spezialisierten anderen Beratungsstellen herstellen.
  • Einrichtungen des Gesundheitswesens wie Gesundheitsämter, niedergelassene Kinder- und Hausärzte, Kinderkliniken und kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen haben die wichtige Aufgabe, Ursachen von Gesundheitsgefährdungen nachzugehen und schädigende Faktoren zu beseitigen. Gelegenheit hierzu bietet sich insbesondere im Rahmen der Schulgesundheitspflege, vor allem bei Einschulungsuntersuchungen.
  • Beziehen Sie bei jedem Hilfeangebot den jeweiligen kulturellen Hintergrund und die Frage des Aufenthaltsstatus ein.
Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich für Lehrkräfte?
Muss ich bei einem Verdacht das Jugendamt informieren?

Lehrpersonen sind verpflichtet, Eltern über Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung zu informieren, solange dadurch der Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht infrage gestellt wird. Zur Abschätzung der Gefährdungssituation kann es deshalb erforderlich sein, fachliche Expertise von außen zu Rate zu ziehen, bevor weitere Schritte in Erwägung gezogen werden. Bei einem begründeten Verdacht auf Vernachlässigung oder Misshandlung ist in Abstimmung mit der Schulleitung über eine Strafanzeige zu entscheiden. Im Einzelfall kann es jedoch sinnvoller sein, zuständige Stellen wie das Jugendamt einzuschalten und andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um dem Schüler oder der Schülerin zu helfen.

Was muss ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass ein Schüler oder eine Schülerin zuhause misshandelt oder vernachlässigt wird?

Es gibt keine einheitliche Anleitung, wie die Hilfe für den Schüler oder die Schülerin in Form der Einbeziehung anderer Stellen beziehungsweise die Meldung an das Jugendamt konkret ausgestaltet sein muss. Manche Bundesländer haben die Verpflichtung zur Hilfe gesetzlich klargestellt. Einige Schulen haben die Verpflichtung, bei Anzeichen auf Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung einzuschreiten, in ihre Satzung oder in das Schulprogramm aufgenommen.

Die Frage, ob die Eltern über einen Verdacht zu informieren sind, hängt stark vom Einzelfall und den entsprechenden Landesregelungen ab. Grundsätzlich haben die Eltern ein Recht auf Information, da ihnen im Rahmen ihrer Erziehungsverantwortung auch die Aufgabe obliegt, Kinder zu ihrem Wohl vor Gefahren zu schützen. Ist davon auszugehen, dass die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte möglicherweise Täter oder Mittäter sind, sollten die Eltern zunächst nicht angesprochen werden. In diesem Einzelfall werden die Eltern auch nicht darüber informiert, dass zum Beispiel die Schule dem Jugendamt den Verdacht weitergegeben hat.

Muss ich überhaupt tätig werden?

Ja. Die Pflicht zum Handeln folgt unmittelbar aus den der Schule und damit den Lehrkräften obliegenden Fürsorgepflichten. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich Lehrkräfte und Schulleitung unter Umständen nach dem Strafgesetzbuch strafbar machen können, wenn sie trotz deutlicher Anzeichen für Misshandlungen und Vernachlässigung an einem Schüler oder einer Schülerin gar nichts unternehmen.

Darf ich eigenmächtig handeln?

Nein. Lehrkräfte müssen den Dienstweg einhalten und insbesondere jede Aktion nach außen mit der Schulleitung abstimmen. Der Dienstweg muss allerdings nicht schon dann eingehalten werden, wenn etwa Elterngespräche geführt werden oder informeller Rat von anderen Institutionen (zum Beispiel dem Jugendamt) eingeholt wird.

Habe ich eine Anzeigepflicht bei der Polizei?

Nein. Beim Verdacht auf Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung besteht keine gesetzlich bestimmte Anzeigepflicht bei der Polizei oder einer anderen zuständigen Stelle.

Angenommen, der Verdacht stellt sich als falsch heraus. Muss ich dann nicht selbst eine Anzeige der fälschlicherweise verdächtigten Eltern befürchten?

Nur wenn die Lehrkraft bzw. die Schule objektive Tatsachen außer Acht lässt, kann es passieren, dass die zu Unrecht erstattete Anzeige wegen möglicher Kindesmisshandlung nachteilige Folgen für den Anzeigenerstatter hat.

Muss ich kooperieren, wenn ich vom Jugendamt oder der Polizei bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung um Hilfe gebeten werde?

Ja. In einem solchen Ermittlungsverfahren hätten Sie die Stellung eines Zeugen. Weitere Verpflichtungen ergeben sich gegebenenfalls aus den jeweiligen landesbeamtenrechtlichen Vorschriften.

Muss die Schule die Eltern des betroffenen Kindes oder Jugendlichen benachrichtigen, wenn sie sich entschlossen hat, die Polizei oder das Jugendamt über ihren Verdacht zu informieren?

Grundsätzlich sind zunächst die Eltern auf die Anhaltspunkte hinzuweisen und gegebenenfalls aufzufordern, Hilfe des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen. Würde durch die Beteiligung der Eltern der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen infrage gestellt, ist die Schule befugt, das Jugendamt unmittelbar zu informieren. Ihm obliegt dann die Aufgabe, den Schutzauftrag wahrzunehmen, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Die Aufgabe, Zeugen oder mögliche Tatverdächtige anzuhören, obliegt der Polizei und der Justiz. Hier könnte eine Benachrichtigung der Eltern die Ermittlungen dann gefährden, wenn sie in den Kreis eventueller Tatverdächtiger einbezogen werden müssten.