Modul 1: Formen und Dynamiken häuslicher Gewalt

Definitionen
Grundlegende Merkmale, Formen und Dynamiken häuslicher Gewalt
Besondere Formen der Gewalt
Die Rolle von Geschlecht im Rahmen häuslicher Gewalt
Geschlechtsbezogene Gewalt
Wie ist die aktuelle Situation in Bezug auf geschlechtsassoziierte Gewalt in Europa?
Opfer von häuslicher Gewalt
Täter häuslicher Gewalt
Ursachen für häusliche Gewalt
Folgen häuslicher Gewalt

Einführung ins Thema

Verschiedene Faktoren auf individueller, Beziehungs-, Gemeinschafts- und gesellschaftlicher Ebene können die Opfer mehr oder weniger stark gefährden, Opfer häuslicher Gewalt zu werden. Bestimmte Personengruppen sind besonders gefährdet für häusliche Gewalt, und es kann ihnen an Unterstützungsdiensten mangeln. Häusliche Gewalt kann schwerwiegende und lang anhaltende Folgen haben – von unmittelbaren und kurzfristigen bis hin zu intergenerationellen Auswirkungen. Dazu gehören schwerwiegende gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Folgen für die Opfer und ihre Familien.
Frauen sind deutlich häufiger Opfer von häuslicher Gewalt und werden viel öfter ernsthaft verletzt oder getötet als männliche Opfer häuslicher Gewalt. Darüber hinaus erleben Frauen häufig ein höheres Maß an Angst und sind eher Zwangs- und Kontrollverhalten ausgesetzt.

Lernziele

Lernziel dieses Moduls ist es, ein besseres Verständnis der häuslichen Gewalt und ihrer Formen und Folgen zu gewinnen. Das Wissen über die spezifischen Kontexte und Auswirkungen von häuslicher Gewalt kann ein hilfreicher Schritt zum Verständnis der individuellen Bedürfnisse der Opfer sein.



Experteninterview mit Michael Eichinger zu Modul 1: Welche Formen und Dynamiken sind für die Polizeiarbeit von besonderer Bedeutung?


Szenario: Anruf führte zur Anzeige einer Straftat

Der Telefonanruf einer weinenden Frau führte zur Anzeige einer Straftat (Bestehen einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben) bei der Polizei:

– „Kommen Sie sofort zu Adresse XY, Wohnung XY! Mein Ex-Mann verprügelt mich, er hat auch meinen älteren Sohn geschlagen, und jetzt bricht er in die Wohnung ein, holt uns raus und droht, uns alle umzubringen.“ Dann war die Telefonverbindung unterbrochen.

– Im Hintergrund des Gesprächs hörte die Beamtin in der Einsatzleitzentrale Schreie und Geräusche, als würden Gegenstände oder Möbel demoliert.

Weitere Informationen zu Tatgeschehen und Polizeieinsatz:

In der Wohnung XY, in der Straße XY Nr. XY, ereignete sich laut Frau XY Folgendes: Um 23.45 Uhr traf der betrunkene Herr XY zu Hause ein. Er schrie seine Ex-Frau an, er beschuldigte sie der Untreue (trotz ihrer Scheidung vor drei Jahren). Als sie ihm Abendessen machte, wurde er wütend, warf den Teller an die Wand, beschimpfte sie und warf sie zu Boden. Dann setzte er sich auf sie und drohte, sie zu erwürgen. In der Zwischenzeit kamen der sechsjährige und der 14-jährige Sohn in die Küche. Letzterer bat seinen Vater, seine Mutter in Ruhe zu lassen, woraufhin dieser ihn mit der offenen Handfläche ins Gesicht schlug. Aufgrund der Ohrfeige begann Blut aus seiner Nase zu fließen. Der Vater saß immer noch auf der Mutter und bedrohte sie, während beide Kinder weinten und ihn baten, ihre Mutter gehen zu lassen. Nach einer Weile beruhigte er sich und zündete sich eine Zigarette an. Die Mutter nutzte die Gelegenheit und machte sich zusammen mit den Kindern auf den Weg ins Kinderzimmer. Von dort aus rief sie die Polizei. Während dieser Zeit zerschlug der Vater das Kücheninventar und schrie, sie sollten aus der Wohnung verschwinden, sonst würde er sie alle töten.

Aufgabe

Diskutieren Sie Folgendes:
a) Welche Merkmale häuslicher Gewalt liegen vor?
b) Wer sind die Opfer?

Die Antworten auf diese Aufgaben sind in den entsprechenden Abschnitten dieses Moduls zu finden.

Diese sind beispielsweise:
  • Betroffen ist eine Familie oder eine andere dauerhafte Lebensgemeinschaft.
  • Betroffen ist eine aufgelöste familiäre Beziehung oder eine andere dauerhafte Lebensgemeinschaft, die beendet bzw. zerrüttet ist.
  • Sexueller Missbrauch
  • Physischer Angriff oder anderweitig schmerzhafte oder erniedrigende Behandlung einer anderen Person
  • Bedrohung von Leib und Leben
  • Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Verfolgung (Stalking)

Bei den Opfern handelt es sich um die Mutter und beide Kinder. Kinder gelten immer als mitbetroffen, auch wenn die direkte Gewalt sich nicht gegen sie richtet. Es steht außer Frage, dass auch das Miterleben der Gewalt gegen ein Elternteil schädliche Auswirkungen hat.


„So viele Menschen verstehen nicht, worum es bei häuslicher Gewalt geht. Es geht nicht nur darum, verprügelt zu werden; es geht auch darum, dir nicht zu erlauben, deine Freunde zu sehen; es geht nicht nur darum, dass dir dein eigenes Geld verboten wird; es geht darum, dass dein Leben auf jede mögliche Weise kontrolliert wird; niemand kann es sehen.“

„Einem Opfer häuslicher Gewalt zu helfen, bedeutet, den Sockel eines Hauses niederzureißen. Nur so kann es sich aus der Situation befreien. Es bedeutet, die Vergangenheit und die Gegenwart im Hinblick auf die Wurzeln der Gewalt in der Familie und alle Folgen der Gewalt in der Gegenwart abzubilden.“

„Gewalt durch Intimpartner ist keine Besonderheit der Armen und Ungebildeten, wie viele Menschen glauben. Die Frau eines bekannten Politikers wurde hier beherbergt. Eine Familie aus der oberen Mittelschicht. Der Ehemann war ein angesehener Gemeindevorsteher und ein Kirchenmann. Einige Leute wussten, was hinter verschlossenen Türen vor sich ging. Die Kinder mussten miterleben, wie der Vater die Mutter vergewaltigte. Er pinkelte sogar auf die Kinder – als Strafe für schlechtes Benehmen. Der Mann war in seiner Stadt so einflussreich, dass das Vormundschaftsbüro die Hilfe verweigerte, als es bemerkte, dass sein Name in den Fall verwickelt war. Es war fast hoffnungslos für die Frau, aus ihrem Gefängnis zu entkommen, denn die meisten Menschen wollten ihr nicht glauben. Und diejenigen, die ihr glaubten, wagten es nicht, ihr zu helfen.“


Aufgaben

(1) Wie wirken diese Zitate auf Sie? Was sagen sie über häusliche Gewalt aus?
(2) Denken Sie darüber nach, auf welche Weise Sie dem Begriff „häusliche Gewalt und Missbrauch“ bisher begegnet sein könnten. Wie definieren Sie häusliche Gewalt und Missbrauch? Was bedeutet der Begriff für Sie? Sind Ihnen andere Begriffe zur Beschreibung desselben Phänomens bekannt?
(3) Vielleicht möchten Sie einige kurze Notizen machen und auf diese zurückkommen, während Sie weiterlesen. Überlegen Sie beim Lesen der verschiedenen Definitionen, ob Sie an Ihren ursprünglichen Vorstellungen etwas ändern würden.

Beispiele von Teilnehmenden eines Trainings zu häuslicher Gewalt

„Wenn ich diese Zitate lese, fühle ich mich in erster Linie ohnmächtig. Sie zeigen, wie unglaublich komplex das Thema häusliche Gewalt ist, und wie schwierig es für Betroffene ist, daraus auszubrechen. [Sie] machen deutlich, dass häusliche Gewalt weit über die physische Gewaltanwendung hinausgeht und dass [häusliche Gewalt] die Opfer in vielen verschiedenen Lebenslagen trifft: Es geht nicht nur um körperliche Gewalt, Verbote und Einschränkungen, sondern auch um Kontrolle, gesellschaftliche Vorurteile und Scham, Vertrauensverlust und Ohnmacht.“

Teilnehmerin eines Trainings zu häuslicher Gewalt

„Mir ist jetzt mehr als klar geworden, wie verbreitet häusliche Gewalt ist. Dass jeder irgendwo schon einmal Kontakt mit häuslicher Gewalt gehabt haben muss. Und dass Täter vielleicht auch einmal Opfer waren: unschuldige Kinder, die nichts dafür konnten, was ihnen widerfahren ist. Dass wir Gewalt oft trotzdem übersehen oder nicht sehen wollen, weil das Wissen uns zu Mittätern macht.“

Teilnehmer eines Trainings zu häuslicher Gewalt

Definitionen

Man kennt Begriffe wie Gewalt in der Partnerschaft, häusliche Gewalt, Gewalt in engen Beziehungen und Kindesmissbrauch, aber nicht immer ist klar, was diese Begriffe eigentlich bedeuten und inwiefern es Überschneidungen gibt.

Definition von häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt wird definiert als jedes gewalttätige, bedrohliche, zwanghafte oder kontrollierende Verhalten, das in Familien oder in intimen Beziehungen auftritt. Sie umfasst jeden Missbrauch und jede Gewalt innerhalb einer Familie, zum Beispiel zwischen Geschwistern, Onkeln, Tanten, Cousins, Cousinen, Großeltern, Schwiegereltern und älteren Menschen. Häusliche Gewalt kann jedem passieren, unabhängig von Geschlecht, Beruf, sozialem Hintergrund, Kultur, Religion oder Sexualität.

Definition von intimer Partnergewalt

Gewalt durch Intimpartner ist jedes Verhalten innerhalb einer intimen Beziehung, das den Beteiligten in der Beziehung körperlichen, emotionalen, sexuellen, finanziellen und sozialen Schaden zufügt. Eine intime Beziehung kann sich auf den gegenwärtigen oder früheren Partner bzw. die Partnerin oder den Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin eines Opfers beziehen, auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Gewalttätiges Verhalten als spontanes Konfliktverhalten in einer Partnerschaft ist klar zu unterscheiden von systematischem Gewalt- und Kontrollverhalten in einer Paarbeziehung. Entgleitet ein Konflikt, kann Gewalt als spontanes oder situatives Mittel in der Auseinandersetzung Ausdruck finden, ohne dass die andere Person in eine unterlegene Position versetzt wird. Wird ein Partner oder eine Partnerin wiederholt gewalttätig, droht Gewalt an und/oder schüchtert die andere Person ein, sodass diese systematisch in eine unterlegene Position versetzt wird, handelt es sich um systematisches Gewalt- und Kontrollverhalten (vgl. Gloor, D., & Meier, H. (2003). Gewaltbetroffene Männer-wissenschaftliche und gesellschaftlich-politische Einblicke in eine Debatte. Die Praxis des Familienrechts, 3, 526-547.).


Grundlegende Merkmale, Formen und Dynamiken häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt kann viele Formen annehmen und wird vom Opfer oft nicht als solche erkannt.


„Damals hatte ich das Gefühl, dass es nicht wirklich Missbrauch war. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr fühlte ich, dass es Missbrauch war. Emotionaler Missbrauch ist schwerwiegender als körperlicher Missbrauch, da es keine äußerlichen Spuren oder Blutergüsse gibt. Als mir das klar wurde, bin ich ausgestiegen. Allein zu leben ist viel besser als das, was in der Beziehung geschah.“


Physische Gewalt

Physische Gewalt ist jede Anwendung körperlicher Gewalt oder ihrer Androhung, die das Opfer dazu zwingt, etwas zu tun, zu lassen, zu erleiden, sich einzuschränken, oder die dem Opfer Schmerzen, Angst oder Demütigung zufügt. Sie ist unabhängig davon, ob eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne eingetreten ist oder nicht.

Körperliche Verletzungen können von leichten Traumata, die sichtbar oder unsichtbar sein können, bis hin zu Knochenbrüchen und Risswunden, Kopfverletzungen und Verletzungen der inneren Organe reichen.

Einige Opfer werden mit Waffen, wie Messern, oder Haushaltsgegenständen, wie einem heißen Bügeleisen, Zigaretten oder einem Stück Gummischlauch, bedroht. Körperlicher Missbrauch kann viele Formen annehmen, z. B. das Zertrümmern von Eigentum oder das Töten oder Verletzen von Haustieren der Familie.

Strangulation ist eine häufige und schwerwiegende Form der häuslichen Gewalt. Das Erkennen von Anzeichen für Strangulation ist von großer Bedeutung, da Strangulation ein starker Indikator für künftige schwere häusliche Gewalt und Mord ist.

Beispiele für physische Gewalt:

  • den Partner bzw. die Partnerin im Haus einsperren oder ihn bzw. sie am Verlassen des Hauses hindern,
  • Festhalten, Stoßen, Schlagen, Schütteln (Kleinkinder), Treten, Würgen oder Verbrennen,
  • den Partner bzw. die Partnerin mit verschreibungspflichtigen, pharmazeutischen oder illegalen Drogen betäuben,
  • Besitztümer zerbrechen oder gegen Wände schlagen/treten.
Sexuelle Gewalt

Sexuelle Gewalt ist jedes Verhalten bezogen auf sexuelle Handlungen, in die das Opfer nicht einwilligt, zu denen es gezwungen wird, oder die es aufgrund seines Entwicklungsstandes nicht versteht, sowie die Androhung sexueller Gewalt und die öffentliche Verbreitung sexueller Inhalte über das Opfer.

Es handelt sich um jede Art von sexueller Handlung, jeden Versuch, eine sexuelle Handlung zu beginnen, oder jede andere gegen die Sexualität einer Person gerichtete Handlung unter Anwendung von Zwang – unabhängig von der Beziehung zum Opfer und in jedem Umfeld. Sexuelle Gewalt umfasst jede Form von Vergewaltigung, sexuellem Übergriff, sexuellem Missbrauch, alltäglicher Belästigung und jede organisierte Form sexualisierter Gewalt. Sie umfasst jede Handlung, die die sexuelle Selbstbestimmung einer Person einschränkt.

Beispiele für sexuelle Gewalt:

  • Opfer unter Druck setzen, Sex zu haben oder sexuelle Handlungen zu begehen, wenn sie nicht wollen,
  • den Partner bzw. die Partnerin unter Druck setzen, zwingen oder austricksen, damit sie unsicheren Sex haben,
  • den Partner bzw. die Partnerin zum Sex oder zu sexuellen Handlungen mit anderen Menschen bewegen,
  • sie sexuell missbrauchen (vergewaltigen).
Psychologische Gewalt

Psychologische Gewalt ist die Durchführung und Verbreitung von Informationen (auch durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie), durch die der/die Gewalttäter/in beim Opfer Angst, Erniedrigung, Minderwertigkeitsgefühle, Gefahr und andere psychische Belastungen hervorruft.

Beispiele für psychologische Gewalt:

  • Stalking,
  • Isolation oder Gefangenschaft,
  • Verhaltensweisen kontrollieren,
  • Zurückhalten von Informationen,
  • Desinformation,
  • Drohung, private Informationen zu veröffentlichen,
  • Manipulation,
  • den Partner bzw. die Partnerin daran hindern, seine bzw. ihre Freunde oder Familie zu besuchen,
  • Androhung, Haustiere zu verletzen oder sie zu töten,
  • Androhung, Familienmitgliedern oder Kindern zu schaden,
  • Androhung der Verbreitung von Gerüchten über das Opfer,
  • Androhung der öffentlichen Bekanntgabe intimer oder anderer Details, die dem Ruf eines Opfers schaden könnten,
  • Androhung von Selbstverletzung oder Selbstmord.

Verbale Gewalt (als Teil der psychologischen Gewalt)

Verbale Gewalt ist alles, was der Täter zum oder über das Opfer sagt, um ihm oder ihr zu schaden.

Beispiele für verbale Gewalt:

  • das Opfer niedermachen, z. B. indem man ihm sagt, dass es hässlich, dumm, wertlos oder inkompetent ist,
  • Verspottung,
  • Beleidigung,
  • die Verwendung von Schimpfwörtern oder Beschimpfungen,
  • den Partner bzw. die Partnerin vor Freunden, der Familie oder in der Öffentlichkeit erniedrigen,
  • Untergrabung der Beziehung zwischen dem Partner bzw. der Partnerin und seinen bzw. ihren Kindern,
  • Androhung von Selbstverletzung oder Selbstmord,
  • Einschüchterung und Androhung anderer Formen von Gewalt gegen den Partner bzw. die Partnerin oder gegen jemanden oder etwas, das ihm/ihr lieb ist,
  • Androhung, Haustiere zu verletzen oder zu töten,
  • Androhung, Familienmitgliedern oder Kindern zu schaden.
Sozioökonomische Gewalt

Sozioökonomische Gewalt ist die ungerechtfertigte Kontrolle oder Beschränkung eines Opfers bei der Verfügung über Einkommen oder Vermögen, über die das Opfer selbständig verfügt oder die es verwaltet. Außerdem versteht man darunter die ungerechtfertigte Beschränkung der Verfügung oder Verwaltung des gemeinsamen Eigentums von Familienmitgliedern sowie die ungerechtfertigte Nichterfüllung finanzieller oder vermögensrechtlicher Verpflichtungen gegenüber einem Familienmitglied oder die ungerechtfertigte Verlagerung finanzieller oder vermögensrechtlicher Verpflichtungen auf ein Familienmitglied.

Beispiele für sozioökonomische Gewalt:

  • den Opfern Geld abnehmen, ihr Einkommen kontrollieren oder ohne Zustimmung auf die Konten der Opfer zugreifen,
  • Treffen und Kontrollieren aller Entscheidungen über gemeinsames Geld und Vermögen,
  • Weigerung, dem Partner bzw. der Partnerin Geld zu geben oder ihm/ihr Rechenschaft über alles, was er/sie ausgibt, abzulegen,
  • drohender Entzug finanzieller Unterstützung als Kontrollmittel,
  • verhindern, dass der Partner bzw. die Partnerin arbeitet, so dass er bzw. sie finanziell verletzbar oder vom Täter abhängig wird,
  • Manipulation und Nötigung des Partners bzw. der Partnerin zur Unterzeichnung von Finanzverträgen mit Dritten,
  • den Partner bzw. die Partnerin für alle gemeinsamen Rechnungen und Schulden verantwortlich machen oder den Partner bzw. die Partnerin für die Schulden des Täters verantwortlich machen,
  • sich als Partner bzw. Partnerin ausgeben oder vorgeben, der Partner bzw. die Partnerin zu sein, um Zugang zu seinen/ihren Konten zu erhalten oder Kredite oder Schulden zu begleichen.
Kontrolle durch Zwangsausübung

Unter der psychologischen Gewalt sollte man sich der sogenannten „Zwangskontrolle“ widmen, die ein Muster der folgenden Verhaltensweisen darstellt (Definition aus dem Innenministerium, 2015):

„Verhaltenskontrolle ist eine Reihe von Handlungen, die darauf abzielen, eine Person unterzuordnen und/oder abhängig zu machen, indem sie sie von Unterstützungsquellen isoliert, ihre Ressourcen und Fähigkeiten zur persönlichen Bereicherung ausnutzt, sie der Mittel beraubt, die für Unabhängigkeit, Widerstand und Flucht erforderlich sind, und ihr Alltagsverhalten reguliert.

Kontrollverhalten ist eine andauernde Handlung oder ein Muster von Übergriffen, Drohungen, Demütigungen und Einschüchterungen oder anderen Misshandlungen, die dazu dienen, dem Opfer zu schaden, es zu bestrafen oder ihm Angst einzujagen.

Isolierung des Opfers von Unterstützung und medizinischen Diensten; Überwachung, Kontrolle, Entzug und Einschränkung des alltäglichen Verhaltens des Opfers, seiner Aktivitäten und der Personen, mit denen es kommuniziert.“

Quelle: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/482528/Controlling_or_coercive_behaviour_-_statutory_guidance.pdf

Vernachlässigung

Vernachlässigung ist eine Form der Gewalt, bei der der Täter/die Täterin die angemessene Fürsorge für das Opfer aufgibt, die aufgrund von Krankheit, Behinderung, Alter, Entwicklungsstand oder anderen persönlichen Umständen erforderlich ist.

Beispiele für Vernachlässigung:

Nicht oder nicht in ausreichendem Maße notwendige Zuwendung, Schutz und Fürsorge bezüglich:

  • Ernährung,
  • Flüssigkeitszufuhr,
  • Kleidung (z. B. nicht dem Wetter entsprechend),
  • Körperpflege (z. B. ungepflegtes Äußeres),
  • medizinischer Versorgung/Behandlung,
  • emotionaler Zuwendung,
  • Betreuung (z. B. unregelmäßiger Besuch der Schule),
  • Schutz vor Gefahren.
Stalking

Stalking bezeichnet einen vorsätzlichen, wiederholten, unerwünschten Kontakt, die Verfolgung, das physische Eindringen, Beobachtung oder den vorsätzlichen Aufenthalt an Orten, an denen sich das Opfer bewegt, oder eine andere Form des unerwünschten Eindringens in das Leben des Opfers. Eine direkte Interaktion zwischen Täter/in und Opfer ist nicht notwendig, um von Stalking zu reden.

Stalking kann folgende Verhaltensweisen umfassen:

  • dem Partner bzw. der Partnerin folgen, wenn er bzw. sie ausgeht, zur Arbeit oder nach Hause geht,
  • den Partner bzw. die Partnerin, sein bzw. ihr Haus oder seinen bzw. ihren Arbeitsplatz ständig beobachten,
  • das Verhalten des Partners bzw. der Partnerin im Internet überwachen,
  • den Partner bzw. die Partnerin, seine bzw. ihre Familie, Freunde oder Arbeitskollegen öfter als angemessen anrufen, ihnen SMS schreiben oder E-Mails schicken, auch wenn sie darum gebeten haben, dass das nicht mehr vorkommt.
Digitale Gewalt

Digitale Gewalt ist jedes Verhalten, bei dem ein Partner oder eine Partnerin das Internet nutzt, um den anderen zu verletzen, zu belästigen oder zu demütigen. Digitale Gewalt kann über soziale Medien, E-Mails, Online-Foren, Blogs oder andere interaktive Websites oder Apps erfolgen. Sie kann Folgendes beinhalten:

  • das Senden von gemeinen oder bedrohlichen Nachrichten direkt an den Partner bzw. die Partnerin oder das öffentliche Posten dieser Nachrichten,
  • das Verbreiten von Gerüchten oder die Ermutigung anderer, den Partner bzw. die Partnerin zu belästigen,
  • öffentliche Bekanntgabe der privaten Informationen des Partners bzw. der Partnerin (z. B. Wohnadresse, Arbeitsplatz, Telefonnummer, Bankdaten oder andere persönliche Informationen),
  • sich online als der Partner bzw. die Partnerin ausgeben,
  • das Erstellen von Fake-Profilen, um Zugriff auf das Profil des Partners bzw. der Partnerin zu erhalten, um ihn bzw. sie zu überwachen, zu stalken oder zu belästigen,
  • Bilder des Partners bzw. der Partnerin ohne ihre Zustimmung posten,
  • Stalking, Verfolgen oder Überwachen der Bewegungen des Partners bzw. der Partnerin im Internet,
  • Installieren von Ortungsgeräten oder Apps auf Telefonen, Computern oder Tablets.

Besondere Formen der Gewalt

Die folgenden Sonderformen häuslicher Gewalt sind in einigen Ländern eigenständige Straftaten. Verschiedene Arten von Straftaten sind oft mit häuslicher Gewalt verbunden, wenn Familienmitglieder involviert sind.

Kinder-, Früh- und Zwangsheirat

Eine Kinderheirat liegt vor, wenn mindestens eine der Parteien ein Kind ist (in der Regel unter 18 Jahren, wie in der Konvention über die Rechte des Kindes definiert, aber dies kann in einigen Ländern anders sein).

Frühe Ehen betreffen eine Person unter 18 Jahren oder Ehen, bei denen beide Ehepartner 18 Jahre oder älter sind, aber andere Faktoren im Wege stehen, dass sie einer Heirat zustimmen, wie z. B. ihr körperlicher, emotionaler, sexueller und psychosozialer Entwicklungsstand.

Eine Zwangsehe ist jede Ehe, die ohne die volle und freie Zustimmung einer oder beider Parteien geschlossen wird, wenn eine oder beide Parteien nicht in der Lage sind, die Ehe zu beenden oder zu verlassen, oder infolge von Zwang oder starkem sozialem oder familiärem Druck.

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Was ist FGM?

FGM findet in einem Kontext traditioneller Normen und Überzeugungen statt und ist auch in Europa verbreitet. Die Begründungen für diese Praxis reichen von der Wahrung der Tradition über die Erhaltung der Jungfräulichkeit, sozialen Druck, hygienische Gründe, die Kontrolle der weiblichen Sexualität bis hin zur Voraussetzung für eine Heirat. Sie verändert oder verletzt die äußeren Genitalien der Frau absichtlich aus nichtmedizinischen Gründen und wird gegen den Willen der Frau oder des Mädchens durchgeführt. Sie nimmt ihnen die Kontrolle über ihren Körper, ihre Sexualität und ihr Recht, ihre grundlegenden Körperfunktionen frei von Infektionen und Schmerzen auszuüben. FGM ist somit ein Ausdruck geschlechtsspezifischer Ungleichheit und Diskriminierung und verletzt die Menschenrechte.

Sind manche Formen von FGM weniger schädlich als andere?

FGM hat keinen gesundheitlichen Nutzen. Der Eingriff kann sowohl unmittelbare als auch langfristige körperliche Folgen haben, darunter übermäßige Blutungen, akute Schmerzen, Verletzungen des umliegenden Gewebes und chronische Vaginal- und Beckeninfektionen, die zu Unfruchtbarkeit und der Unfähigkeit zu urinieren führen können. Der Eingriff kann auch zu Komplikationen bei der Geburt und einem erhöhten Risiko für den Tod des Neugeborenen führen. Darüber hinaus zeigen Frauen und Mädchen, die sich einer FGM unterzogen haben, häufig Anzeichen eines psychischen Traumas, einschließlich Angstzuständen, Depressionen, posttraumatischem Stress und anderen Stimmungsstörungen, die ihre psychische Gesundheit bis weit ins Erwachsenenalter hinein beeinträchtigen können. Die Praxis der FGM kann unter keinen Umständen als sicher angesehen werden. Jedes vierte Mädchen, das sich dieser Praxis unterzogen hat, tat dies durch einen Arzt. Allerdings führen immer mehr Angehörige der Gesundheitsberufe schwerwiegendere Formen der FGM durch.

Ist FGM eine religiöse Praxis?

Es gibt keine Religionen, die FGM als verpflichtende Praxis vorschreiben. Weder der Islam noch das Christentum befürworten FGM. Sie ist mit Traditionen und Bräuchen verbunden, die auf der Familiengeschichte, dem Herkunftsland und/oder der Ethnie beruhen. Dennoch betrachten viele Mädchen und Frauen die Praxis als religiöses Gebot. Mehr als 40 Millionen Mädchen und Frauen in Afrika wurden vor ihrer Kinder-, Früh- oder Zwangsverheiratung Opfer von FGM. In einigen Fällen sind die beiden Praktiken miteinander verbunden, zum Beispiel wenn die Heiratsfähigkeit eines Mädchens davon abhängt, ob es beschnitten wurde, oder wenn FGM als Vorstufe zur Ehe durchgeführt wird. Jede Praxis hat jedoch auch ihre eigenen Ursachen. Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung ist stärker mit Armut verbunden, während FGM eng mit der Gruppenidentität und der Darstellung gemeinsamer Werte verbunden ist.

Ist FGM ein Problem in Europa?

Weltweit sind mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen von FGM betroffen. Fast 140 Millionen Mädchen und Frauen in Afrika haben sich FGM unterzogen. Viele glauben, dass FGM nur in Afrika oder im Nahen Osten vorkommt, aber es ist ein weltweites Problem, das auch in Europa existiert. Es gibt Hinweise darauf, dass FGM in mindestens 90 Ländern weltweit praktiziert wird. Schätzungen zufolge sind 190 000 Mädchen und Frauen in 17 europäischen Ländern von FGM bedroht, und über 600 000 Frauen in Europa leben mit den Folgen von FGM. Die meisten Mädchen werden vor dem Alter von 15 Jahren beschnitten. Zu den Frauengruppen, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind, sich einer FGM zu unterziehen, gehören Frauen und Mädchen aus Flüchtlings- und Migrantenfamilien, Asylbewerberinnen und intern vertriebene Frauen und Mädchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mädchen dieser Praxis unterzogen wird, ist heute um etwa ein Drittel geringer als vor drei Jahrzehnten, aber der Rückgang der Prävalenz ist nicht in allen Ländern gleich und erfolgt nicht schnell genug, um bis 2030 keine neuen Fälle mehr zu verzeichnen (Zielvorgabe 5.3 des Ziels Nr. 5 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen).

Im Jahr 2021 veröffentlichte das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) Schätzungen über die Zahl der Mädchen, die in vier Ländern der Europäischen Union dem Risiko ausgesetzt sind, sich einer FMG zu unterziehen. Im Vergleich zu den Daten aus dem Jahr 2011 ist in drei Ländern, nämlich Österreich, Dänemark und Spanien, die Zahl der Mädchen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren, die Gefahr laufen, dieser Praxis unterzogen zu werden, insgesamt zurückgegangen. In Luxemburg hingegen stieg die Zahl der Mädchen derselben Altersgruppe, bei denen ein Risiko für eine FGM besteht (von 161 im Jahr 2011 auf 822 im Jahr 2019), was der Studie zufolge auf die steigende Zahl der in Luxemburg lebenden Migrantenmädchen aus Ländern, in denen die Praxis praktiziert wird, wie Ägypten, Eritrea, Guinea-Bissau und Somalia, zurückzuführen ist. Die Ergebnisse der EIGE-Studie deuten darauf hin, dass die Prävalenz von FGM in den Herkunftsländern oder -gemeinschaften das Risiko, dass ein Mädchen in einem Aufnahmeland dieser Praxis unterworfen wird, erhöht und dass das Risiko steigt, wenn ein unverheiratetes Mädchen in ihr Herkunftsland zurückkehrt.

Hat die COVID-19-Pandemie das Risiko von FGM verringert?

Die COVID-19-Pandemie hat zwar die Reisemöglichkeiten für FGM verringert, aber nicht verhindert, dass die Praktiken im Geheimen durchgeführt werden. Die Pandemie hat die Gefährdung von Mädchen und Frauen, einschließlich derjenigen, die von FGM bedroht sind, erhöht und bestehende geschlechtsspezifische Ungleichheiten, wirtschaftliche Ungleichheiten und Gesundheitsrisiken verschärft sowie die Präventionsbemühungen unterbrochen, indem sie es für Frauen und Mädchen schwieriger gemacht hat, bei Bedarf psychologische Unterstützung und medizinische Versorgung zu erhalten.

Generell sind Frauen und Mädchen in humanitären und Notsituationen wie Konflikten und Klimawandel stärker von Gewalt bedroht, einschließlich schädlicher Praktiken wie FGM. Mehr als die Hälfte der Länder, in denen das Risiko für Mädchen am höchsten ist, sich einer FGM zu unterziehen, befinden sich in humanitären Notsituationen, einschließlich Konflikten.

Was unternimmt die EU, um das Problem der FGM in der EU zu bekämpfen?

Die Beendigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen – einschließlich FGM – ist ein zentrales Ziel der EU-Gleichstellungspolitik. Die EU-Gleichstellungsstrategie 2020-2025 enthält Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels. Die EU-Kinderrechtsstrategie, die sowohl die interne als auch die externe Dimension abdeckt, enthält konkrete Empfehlungen und Maßnahmen zur wirksamen Verhinderung und Beendigung von Gewalt gegen Kinder, einschließlich FGM, und zur Gewährleistung eines integrierten Kinderschutzes. Die EU stellt weiterhin Mittel für Projekte von Nichtregierungsorganisationen zur Verfügung, die die Gewalt gegen Frauen und Mädchen bekämpfen.

Was sollten die EU-Mitgliedsstaaten tun, um alle schädlichen Praktiken zu beseitigen?

Gemäß der Resolution 75/160 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Intensivierung der weltweiten Bemühungen um die Beseitigung von FGM legt der Generalsekretär der Vereinten Nationen in dem aktuellen Bericht (A/77/312) eine Analyse der von den Mitgliedstaaten, dem System der Vereinten Nationen und anderen relevanten Akteuren bisher erzielten Fortschritte vor und schlägt Empfehlungen für künftige Maßnahmen vor:

  • Beschleunigung der Maßnahmen zur Identifizierung evidenzbasierter Politik-, Programm- und Aufklärungsmaßnahmen, die auf die Abschaffung von FGM abzielen, unter Berücksichtigung der aktuellen Herausforderungen, z.B. des raschen Bevölkerungswachstums bei jungen Mädchen, insbesondere in Ländern mit hoher Prävalenz.
  • Annahme und weitere Umsetzung umfassender, evidenzbasierter Präventionsstrategien, die sich als vielversprechend erwiesen haben, um die Zahl der Mädchen, die sich einer FGM unterziehen müssen, zu verringern, einschließlich: Gesundheitserziehung und Dialoge auf Gemeindeebene, unter anderem mit Eltern und traditionellen und religiösen Führern; Lobbyarbeit und Sensibilisierung einer Reihe wichtiger Interessengruppen, insbesondere von Gemeinden, Männern und Jungen und den Medien; und Investitionen in die Bildung von Mädchen und ihren Müttern, um dazu beizutragen, bestehende Normen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern, die Geschlechterungleichheit, Gewalt gegen Frauen und Mädchen und FGM dulden und rechtfertigen.
  • Verfolgung eines umfassenden, koordinierten und multidisziplinären Ansatzes zur Abschaffung von FGM, der die Verabschiedung oder Änderung von Gesetzen, die diese Praxis unter Strafe stellen, und die Bereitstellung geeigneter und spezialisierter, auf das Trauma ausgerichteter und auf die Überlebenden ausgerichteter Unterstützungsdienste für Frauen und Mädchen umfasst. In diesem Zusammenhang werden die Staaten nachdrücklich aufgefordert, die Beteiligung aller relevanten Regierungsbereiche, einschließlich des Gesundheits-, Sozial-, Kinderschutz-, Justiz-, Polizei- und Bildungssektors, sicherzustellen und eng mit der Zivilgesellschaft und Frauenrechtsorganisationen sowie mit Einrichtungen der Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten.
  • Intensivierung der Bemühungen zur Verringerung der Zahl der Vorfälle von grenzüberschreitender und „innerstaatlicher grenzüberschreitender“ FGM, wozu auch das Eintreten für die Verabschiedung und Umsetzung von Rechtsvorschriften gehört. Die Staaten werden außerdem ermutigt, die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen über Opfer und Täter von FGM zu stärken.
  • Schaffung von Synergien zwischen Initiativen zur Beseitigung von FGM und anderen Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, wie Kinder-, Früh- und Zwangsheirat, und solchen, die auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle von Frauen und Mädchen abzielen. Damit die Maßnahmen wirksam sind, müssen die Bemühungen zur Beseitigung von FGM und Gewalt gegen Frauen und Mädchen in umfassendere nationale Aktionspläne, sektorübergreifende Strategien und Programme zur Gleichstellung der Geschlechter integriert werden.
  • Sicherstellung, dass FGM-Programme in die Bereitschafts- und Reaktionspläne für humanitäre und Notfallmaßnahmen einbezogen werden. Die Staaten sollten FGM in Koordinierungsmechanismen als Teil des Kontinuums grundlegender und spezialisierter Dienste für Überlebende sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Rahmen der Verknüpfung von humanitärer Hilfe, Entwicklung und Frieden integrieren. Die Staaten werden ermutigt, die nuancierten Unterschiede von Bevölkerungsgruppen in humanitären und anderen Krisensituationen zu berücksichtigen, insbesondere von Hochrisikogruppen, die mehrfachen und sich überschneidenden Formen von Diskriminierung ausgesetzt sind, einschließlich geflüchteter und migrierter Frauen und Mädchen, Asylsuchender und intern vertriebener Frauen und Mädchen.
  • Verbesserung der nationalen und subnationalen Datenerhebung zu FGM unter Verwendung standardisierter Methoden, die eine länderübergreifende Vergleichbarkeit der Daten ermöglichen, insbesondere in humanitären und anderen Krisensituationen, auch in Gesundheitseinrichtungen, und in Ländern, in denen FGM existiert, aber nationale Daten derzeit unzureichend oder nicht verfügbar sind.
  • Aufstockung finanzieller und personeller Ressourcen für Programme zur Beseitigung von FGM, auch durch Einbindung von Gebern und Akteuren, die traditionell nicht in FGM-Programme investieren, insbesondere im humanitären Bereich.

Weitere Informationen zu weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) finden Sie auf den Seiten des Bildungsportals KUTAIRI.

Factsheets:

Intensifying global efforts for the elimination of female genital mutilation: Infographic and recommendations (2022)

European Commission’s myth busting FGM factsheet (2022)

Quellen:

Intensifying global efforts for the elimination of female genital mutilation: Report of the Secretary-General (2022)

FGM study: More girls at risk but community opposition growing (2021)

Menschenhandel

Menschenhandel ist die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder der Empfang von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit bei der Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen der sexuellen Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen.

Sexuelle Ausbeutung/Zwangsprostitution

Der Begriff „sexuelle Ausbeutung“ bezeichnet jeden tatsächlichen oder versuchten Missbrauch einer Position der Verletzlichkeit, der unterschiedlichen Macht oder des Vertrauens zu sexuellen Zwecken, einschließlich, aber nicht beschränkt auf den monetären, sozialen oder politischen Gewinn aus der sexuellen Ausbeutung eines anderen. Einige Arten von „Zwangsprostitution“ können ebenfalls unter diese Kategorie fallen.

Verbrechen, die im Namen der Ehre begangen wurden

Ehrenbezogene Gewalt ist jede Form körperlicher (z. B. Körperverletzung, Vergewaltigung, Mord, weibliche Genitalverstümmelung), physiologischer (z. B. psychischer Druck, Bedrohung, Entzug der persönlichen Freiheit) oder sozialer Gewalt (z. B. Bewegungseinschränkung, eingeschränkter Freundeskreis, Zwangskontrolle, Zwangsheirat, Menschenhandel), die innerhalb der Familie oder der Gemeinschaft im Namen der „Familienehre“ ausgeübt wird.

Ehrenbezogene Gewalt bezieht sich auf Situationen, in denen eine Person nicht den sozialen, geschlechtsspezifischen oder familiären Rollen und Erwartungen folgt, die durch eine traditionelle Ideologie vorgegeben sind, oder in denen sie verdächtigt wird, die Keuschheitswerte einer Gemeinschaft gebrochen zu haben. Der Konflikt hängt nicht nur mit dem Verhalten einer Person zusammen, sondern auch mit Nachrede. Gewalt im Zusammenhang mit der Ehre ist nicht auf bestimmte Länder, ethnische Gruppen oder Religionen beschränkt, sondern kommt innerhalb verschiedener Gemeinschaften vor.

Ehrenbezogene Gewalt wird oft als Gewalt gegen Frauen und Mädchen gesehen. Es ist wichtig zu beachten, dass auch Männer, Jungen und Personen, die sich als schwul, lesbisch, bisexuell, transgender oder transsexuell identifizieren, ehrenbedingte Gewalt und den psychischen Druck erfahren können.

Misshandlung älterer Menschen

Ältere Menschen sind in Bezug auf häusliche Gewalt in einer verletzlichen Situation. Es lassen sich Risikofaktoren identifizieren, die ältere Menschen anfälliger für Misshandlungen machen. Diese Risikofaktoren sind:

  • Alter über 80 Jahren,
  • weibliches Geschlecht,
  • finanzielle Probleme,
  • schlechter Gesundheitszustand,
  •  kognitive Beeinträchtigungen,
  • Mobilitätseinschränkungen,
  • depressive Symptomatik,
  • soziale Isolation.

Beispiele für Misshandlung älterer Menschen:

  • Körperliche Gewalt kann z. B. das Zufügen von Schmerzen oder Verletzungen, körperliche Nötigung, Schläge, Ohrfeigen, Stoßen, Spucken, Medikamentenmissbrauch oder unangemessene Sanktionen umfassen.
  • Psychologische Gewalt kann z. B. emotionale oder verbale Misshandlung, Berührungsentzug, Demütigung, Beschuldigung, Einschüchterung, Nötigung oder Rückzug aus unterstützenden Netzwerken umfassen.
  • Finanzielle Ausbeutung kann z. B. illegale oder unsachgemäße Ausbeutung oder Verwendung von Geldern oder Ressourcen durch Diebstahl, Betrug, Nötigung, Druck in Verbindung mit Testamenten, finanziellen Transaktionen oder Missbrauch von Vollmachten umfassen.
  • Vernachlässigung oder Verlassen kann die absichtliche oder unabsichtliche Verweigerung oder Nichterfüllung einer Betreuungspflicht einschließen, z. B. die Nichtbeachtung medizinischer oder körperlicher Pflegebedürfnisse, die Nichtgewährung des Zugangs zu Dienstleistungen, das Vorenthalten von Medikamenten, angemessener Ernährung oder Heizung oder die Nichtbereitstellung geeigneter Ausrüstung.

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