Indikatoren bei Erwachsenen
Indikatoren bei Kindern
Zeugen und Zeuginnen häuslicher Gewalt
Lernziele
Die Lernziele dieses Moduls bestehen darin, die verschiedenen Indikatoren für häusliche Gewalt und die damit verbundenen Risiken kennenzulernen und dafür sensibilisiert zu werden.
Experteninterview mit Michael Eichinger zu Modul 2: Auf welche Indikatoren soll bei einem Polizeieinsatz geachtet werden, um häusliche Gewalt zu identifizieren?
Indikatoren bei Erwachsenen
Im Folgenden sind Indikatoren aufgeführt, die mit Opfern häuslicher Gewalt in Verbindung gebracht werden, jedoch auch in anderen Zusammenhängen auftreten können. Einige Indikatoren sind recht subtil – es ist wichtig, aufmerksam zu bleiben und angemessen zu reagieren. Einige Opfer geben auch Hinweise im Gespräch und ihr Verhalten kann ebenfalls aufschlussreich sein. Opfer sind daher darauf angewiesen, dass man ihnen zuhört, beharrlich ist und sich nach Zeichen und Hinweisen erkundigt. Die Verwendung dieser Indikatoren kann die Praxis des direkten Fragens ergänzen.
Physische Indikatoren
- Unerklärliche Blutergüsse und andere Verletzungen (insbesondere Kopf-, Hals- und Gesichtsverletzungen, Blutergüsse verschiedener Stadien, erlittene Verletzungen passen nicht zur Anamnese, Biss-Spuren, ungewöhnliche Verbrennungen, Verletzungen an nicht einsehbaren Körperteilen (einschließlich Brust, Bauch und/oder Genitalien), insbesondere bei einer Schwangerschaft
- Fehlgeburten und andere Schwangerschaftskomplikationen
- Chronische Erkrankungen einschließlich Kopfschmerzen, Schmerzen und Beschwerden in Muskeln, Gelenken und Rücken
- Sexuell übertragbare Infektionen und andere gynäkologische Probleme
Psychologische Indikatoren
- Emotionale Belastung, z. B. Angst, Unentschlossenheit, Verwirrung und Feindseligkeit
- Schlaf- und Essstörungen
- Angstzustände/Depressionen/pränatale Depressionen
- Psychosomatische Beschwerden
- Selbstverletzung oder Selbstmordversuche
- Ausweichend oder beschämt über Verletzungen
- Der Partner bzw. die Partnerin oder ein anderes Familienmitglied übernimmt den Großteil der Gespräche und besteht darauf, bei dem Patienten bzw. der Patientin zu bleiben
- Ängstlich in der Gegenwart des Partners bzw. der Partnerin oder eines anderen Familienmitgliedes
- Widerwille, Ratschläge zu befolgen
- Soziale Isolation/kein Zugang zu Verkehrsmitteln
- Unterwürfiges Verhalten/geringes Selbstwertgefühl
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch
- Angst vor Körperkontakt
- Nervöse Reaktionen auf Körperkontakt/schnelle und unerwartete Bewegungen
Sonstige Indikatoren
- Mehrere Vorstellungen in der Notaufnahme
- Patient/Patientin erscheint nach der offiziellen Sprechstunde
- Häufige Abwesenheit beispielsweise von der Arbeit oder vom Studium
Mögliche Indikatoren für sexuelle Gewalt
- Selbstschädigendes Verhalten
- Ungewollte Schwangerschaften/Abtreibungen
- Komplikationen während der Schwangerschaft
- Fehlgeburten
Indikatoren bei Kindern
Physische Indikatoren
- Schwierigkeiten beim Essen/Schlafen
- Langsame Gewichtszunahme bei Säuglingen
- Körperliche Beschwerden
- Essstörungen
Psychologische Indikatoren
- Aggressives Verhalten und aggressive Sprache
- Depressionen, Angstzustände und/oder Selbstmordversuche
- Nervöses und zurückgezogenes Auftreten
- Schwierigkeiten, sich an Veränderungen anzupassen
- Regressives Verhalten bei Kleinkindern
- Verzögerungen oder Probleme bei der Sprachentwicklung
- Psychosomatische Krankheiten
- Ruhelosigkeit und Konzentrationsprobleme
- Abhängige, traurige oder verschwiegene Verhaltensweisen
- Bettnässen
- Tierquälerei
- Auffälliger Rückgang der Schulleistungen
- Kämpfen mit Gleichaltrigen
- Überfürsorglich oder Angst davor, die Mutter oder den Vater zu verlassen
- Diebstahl und soziale Isolation
- Sexuell missbräuchliches Verhalten
- Gefühle der Wertlosigkeit
Zeugen und Zeuginnen häuslicher Gewalt
Bezugspersonen und Familienangehörige, aber auch Nachbarn und Nachbarinnen oder Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen können potenzielle Zeugen und Zeuginnen häuslicher Gewalt werden. Die Kooperation und Einwilligung des Opfers sind die wichtigsten Voraussetzungen, um als Zeuge oder Zeugin zu intervenieren. Eine Intervention durch einen Zeugen oder eine Zeugin kann das Gespräch mit dem Opfer, die Hilfe beim Zugang zu Hilfsdiensten oder die Unterstützung bei der Meldung häuslicher Gewalt an die Behörden umfassen.
Faktoren, die eine Intervention von Zeugen und Zeuginnen hemmen oder fördern
- Zeugen und Zeuginnen haben häufig den starken Wunsch, einzugreifen, aber nicht unbedingt häusliche Gewalt bei der Polizei anzuzeigen. Die Möglichkeit, anonym zu bleiben, kann sie dazu ermutigen, den Behörden häusliche Gewalt zu melden.
- Das Verständnis von häuslicher Gewalt und das Wissen, wie Opfer unterstützt werden können, kann Zeugen und Zeuginnen zum Einschreiten motivieren. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von Sensibilisierungskampagnen, die das Verständnis fördern, und helfen, die Anzeichen häuslicher Gewalt (insbesondere nicht-körperlicher Gewalt) zu erkennen, sowie eine Anleitung, wie Opfer unterstützt werden können, an die Hand zu geben.
- Im Gesundheits- und Sozialwesen ist die Meldepflicht ein entscheidender Faktor, denn Zeugen und Zeuginnen sind dazu verpflichtet, den Behörden häusliche Gewalt zu melden. Diese Verpflichtungen unterscheiden sich jedoch von Land zu Land, und der wahrgenommene Konflikt zwischen Melde- und Schweigepflicht kann sie davon abhalten, eine Anzeige zu erstatten.
- Zeugen und Zeuginnen melden häusliche Gewalt in der Regel eher bei Behörden, wenn Kinder involviert sind. Wenn sie häusliche Gewalt dennoch nicht melden, kann es daran liegen, dass sie besorgt sein könnten, dass die Kinder von ihren Eltern getrennt werden oder als Ergebnis einer polizeilichen Untersuchung ein Trauma erleben.
- Weitere Faktoren, die Zeugen und Zeuginnen von einem Eingreifen abhalten können, sind eine negative Wahrnehmung des Polizei- und Justizsystems, Angst um die eigene Sicherheit und das Missverständnis, dass häusliche Gewalt eine Privatangelegenheit sei.
Empfehlungen
- Es besteht großer Handlungsbedarf, Maßnahmen umzusetzen, die Zeugen und Zeuginnen sensibilisieren und zum Handeln ermutigen. Für Fachkräfte, die verpflichtet sind, häusliche Gewalt anzuzeigen, sind weitere Informationen erforderlich.
- Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Polizei- und Justizbehörden ihre Bemühungen verstärken, Berichte über häusliche Gewalt so zu behandeln, dass sowohl Opfer als auch Zeugen und Zeuginnen geschützt werden.
- Weitere Forschung ist erforderlich, um sicherzustellen, dass relevante Maßnahmen zur Förderung und Ermöglichung der Zeugenintervention, wie z. B. Sensibilisierungskampagnen und Helplines/Hotlines, überwacht und bewertet werden, um ihre Wirksamkeit zu maximieren.
Weitere Informationen zu den entscheidenden Faktoren für eine Zeugenintervention bei häuslicher Gewalt finden Sie hier: https://eige.europa.eu/gender-based-violence/eiges-work-gender-based-violence/intimate-partner-violence-and-witness-intervention?lang=sl
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