Modul 3: Kommunikation mit Opfern in Fällen häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt in den Medien

Lernziele

In diesem Modul werden die verschiedenen Möglichkeiten vorgestellt, wie man in Situationen, in denen man das Vorliegen häuslicher Gewalt vermutet, danach fragen kann. Des Weiteren wird die Ersthilfe nach Offenlegung häuslicher Gewalt vorgestellt und erklärt, wie man über Opfer häuslicher Gewalt in den Medien berichten sollte.


IMPRODOVA: Wie man auf eine Offenlegung reagiert

Das Video veranschaulicht, wie man in Fällen häuslicher Gewalt auf eine Offenlegung reagieren sollte.


Szenario: Mann droht, seine Frau zu töten

Am 19. November 2011 wurde um 21.27 Uhr das Notrufzentrum der Polizeidirektion von XY angerufen. Der Anrufer sagte dem Polizeibeamten, wer er sei und teilte mit, er werde seine Frau töten. Er sagte, er sei zu Hause, was die Polizei dazu veranlasste, einen Streifenwagen an den Tatort zu schicken. Als er von Polizeibeamten befragt wurde, sagte er in der Befragung durch den Polizisten, dass er und seine Frau Streitigkeiten über Wohnungen und Wochenendplätze gehabt hätten, die sie gemeinsam nutzen würden. Er sagte den Polizeibeamten auch, dass er ständig von seiner Frau und ihrem jetzigen Freund belästigt werde, und wenn die Beamten die Angelegenheit nicht sofort lösen würden, werde er zu ihr nach Hause gehen und die Frau abschlachten. Er wiederholte diese Drohung mehrere Male.

Der Mann ist aufgrund von Vorfällen häuslicher Gewalt bereits polizeibekannt.

Aufgabe

Diskutieren Sie Folgendes:
Welche Maßnahmen müssen Sie als Polizeibeamter/-beamtin ergreifen?

Die Antworten auf diese Aufgabe sind in den entsprechenden Abschnitten dieses Moduls zu finden.

Mögliche Antworten


Rahmenbedingungen für ein Gespräch über häusliche Gewalt

Zunächst einmal: Scheuen Sie sich nicht, zu helfen, auch wenn Sie nicht genau wissen, was Sie in einer bestimmten Situation tun sollen. Wichtig ist, dass man überhaupt mit dem Opfer ins Gespräch kommt.

Sich Zeit für das Opfer nehmen

  • Man sollte einen Ort zum Reden wählen, an dem niemand mithören kann (aber keinen Ort, der anderen aufzeigt, warum man dort ist).
  • Man sollte dem Opfer versichern, dass man niemandem gegenüber wiederholen wird, was es sagt, und dass man niemandem, der es nicht wissen muss, gegenüber erwähnen wird, dass es dort war. Wenn man verpflichtet ist, die Situation zu melden, erklärt man, warum man was an wen melden muss.

Eröffnung des Gesprächs

  • Man ermutigt das Opfer zunächst zum Reden und zeigt, dass man zuhört.

Vorurteilsfrei sein und zuhören

  • Man ermutigt das Opfer dazu, weiterzureden, wenn es das wünscht, aber man zwingt es nicht zum Reden („Wollen Sie mir mehr dazu sagen?“).
  • Man erlaubt Stille. Wenn das Opfer weint, gibt man ihm bzw. ihr Zeit, sich zu erholen.
  • Man bleibt objektiv, ergreift nicht Partei oder teilt seine persönlichen Einstellungen, Überzeugungen oder Gedanken mit.
  • Man ist stets offen, ehrlich, urteilsfrei, einfühlsam und unterstützend.

Achten Sie auf die Warnzeichen

  • Viele Opfer versuchen, die häusliche Gewalt zu verbergen. Sie müssen sich der Indikatoren bewusst sein, die mögliche Hinweise darauf sein könnten.

Validieren Sie die Gefühle des Opfers

  • Manchmal drücken die Opfer widersprüchliche Gefühle über den Täter/die Täterin und ihre Situation aus (Schuld vs. Wut; Hoffnung vs. Verzweiflung; Liebe vs. Angst). Lassen Sie das Opfer wissen, dass es üblich (normal) ist, diese widersprüchlichen Gefühle zu haben. Gleichzeitig sollten Sie aber betonen, dass Gewalt nicht in Ordnung ist und dass es nicht normal ist, in ständiger Angst davor zu leben, angegriffen oder verletzt zu werden. Selbst wenn das Opfer Gründe dafür angibt, dass es bei dem Täter oder der Täterin bleibt, bedeutet Angst, dass die Beziehung nicht gesund ist.
  • Teilen Sie dem Opfer – ohne zu verurteilen – mit, dass seine Situation gefährlich ist und dass Sie um seine Sicherheit besorgt sind.

Warum Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen frustriert sein können, wenn sie in/mit Fällen häuslicher Gewalt arbeiten

  • Zu langsame Bearbeitung dieser Fälle durch den Justizapparat (z. B. die Zeitspanne zwischen den polizeilichen Verfahren und der endgültigen gerichtlichen Entscheidung)
  • Fehlende/Unklare Zuständigkeiten oder fehlende Ressourcen der Polizei
  • Unterschiedliche Herangehensweisen in Fällen häuslicher Gewalt aufgrund von Generationenunterschieden zwischen jüngeren und älteren Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen
Wie Opfer gefragt werden können

Im Allgemeinen ist es sinnvoll, „Ich-Botschaften“ und andere gewaltfreie Kommunikationsmethoden zu verwenden. Dies kann gezielt eingesetzt werden, um Ambivalenzen eines Opfers während der Beratung oder motivierende Interventionen im Falle geringer Beratungszeit zu lösen. Es sollte beachtet werden, dass das Opfer die Tat selbst benennen muss.

Hier sind einige Aussagen, die man machen kann, um das Thema Gewalt anzusprechen, bevor man direkte Fragen stellt:

  • „Viele Menschen haben Probleme mit ihrem Ehemann bzw. ihrer Ehefrau oder Partner bzw. Partnerin oder mit jemandem, mit dem sie zusammenleben.“
  • „Ich habe schon einige Menschen mit Problemen wie Ihren gesehen, die zu Hause Schwierigkeiten hatten.“
  • „Versucht Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin, Sie zu kontrollieren, indem er bzw. sie Ihnen beispielsweise kein Geld gibt oder Sie nicht aus dem Haus lässt?“
  • „Wurden Sie unter Druck gesetzt oder gezwungen, sexuell etwas zu tun, das Sie nicht wollten?“

Im Falle von vermuteter Gewalt im häuslichen Umfeld:

  • „Wie läuft es zu Hause?“
  • „Wie kommen Sie und Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin/andere Familienmitglieder miteinander aus?“

Neben indirekten Fragen kann man auch direkte Fragen zu jeglicher Gewalt stellen.

Zum Beispiel:

  • „Gibt es Zeiten, in denen Sie Angst vor Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin oder einem anderen Familienmitglied haben?“
  • „Gab es in Ihrer Beziehung schon einmal Gewalt?“/„Hat Ihnen jemand wehgetan?“
  • „Sind Sie um Ihre Sicherheit oder die Sicherheit Ihrer Kinder besorgt?“
  • „Fühlen Sie sich durch die Art, wie Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie behandelt, unglücklich oder deprimiert?“
  • „Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie jemals verbal eingeschüchtert oder verletzt?“
  • „Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie jemals physisch bedroht oder verletzt?“
  • „Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie jemals zum Sex gezwungen, obwohl Sie es nicht wollten?“
  • „Versucht Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied, Sie zu kontrollieren, indem er bzw. sie Ihnen beispielsweise kein Geld gibt oder Sie nicht aus dem Haus lässt?“
Wenn ein Opfer häusliche Gewalt offenlegt

Die Befragung von Opfern häuslicher Gewalt sollte mit einer wirksamen Intervention verbunden sein, die eine unterstützende Reaktion, eine angemessene medizinische Be-handlung und/oder Betreuung nach Bedarf und/oder eine Überweisung zu einer Schutzeinrichtung umfasst.

Sie sollten

  • zuhören.
  • vermitteln, dass Sie dem Opfer glauben.
  • die Entscheidung zur Offenlegung validieren.
  • betonen, dass Gewalt nicht in Ordnung ist.
  • deutlich machen, dass das Opfer nicht schuld ist.
  • keine Fragen stellen, die bei dem Opfer Stress und ein Gefühl der Ohnmacht auslösen könnten.
Sich nach den Bedürfnissen und Anliegen des Opfers erkundigen

Wenn man sich die Geschichte des Opfers anhört, sollte man besonders darauf achten, was er oder sie über seine bzw. ihre Bedürfnisse und Anliegen sagt – und was nicht gesagt, sondern mit Worten oder Körpersprache angedeutet wird. Man kann das Opfer über körperliche, emotionale oder ökonomische Bedürfnisse, über die eigenen Sicherheitsbedenken oder soziale Unterstützung, die er oder sie braucht, informieren. Die folgenden Techniken können angewendet werden, um dem Opfer zu helfen, seine bzw. ihre Bedürfnisse auszudrücken:

Fragen sollten als Einladung zum Sprechen formuliert werden.

„Worüber möchten Sie sprechen?“

Es sollten offene Fragen gestellt werden, um das Opfer zum Reden zu ermutigen, anstatt Ja oder Nein zu sagen.

„Was halten Sie davon?“

Was das Opfer sagt, sollte wiederholt werden, um das eigene Verständnis zu überprüfen.

„Sie erwähnten, dass Sie sich sehr frustriert fühlen.“

Die Gefühle des Opfers sollten reflektiert werden.

„Es klingt, als ob Sie sich darüber ärgern …“

Dem Opfer sollte geholfen werden, die eigenen Bedürfnisse und Sorgen zu erkennen und zum Ausdruck zu bringen.

„Gibt es etwas, das Sie brauchen oder über das Sie sich Sorgen machen?“

Was das Opfer zum Ausdruck gebracht hat, sollte zusammengefasst werden.

„Sie scheinen zu sagen, dass …“

Es sollten keine suggestiven Fragen gestellt werden.

„Ich könnte mir vorstellen, dass Sie das verärgert hat, nicht wahr?“

Es sollten keine „Warum“-Fragen gestellt werden. Das könnte beschuldigend klingen.

„Warum haben Sie das getan …?“

Das Opfer sollte verstehen, dass seine bzw. ihre Gefühle normal sind, dass es sicher ist, diese auszudrücken, und dass es ein Recht darauf hat, ohne Gewalt und Angst zu leben.

Man sollte das Opfer wissen lassen, dass man aufmerksam zuhört, dass man versteht, was er oder sie sagt, und dass man glaubt, was gesagt wird, ohne zu urteilen oder Bedingungen zu stellen.

Wichtige Dinge, die man sagen kann:

  • „Es ist nicht Ihre Schuld.“
  • „Es ist okay, zu reden.“
  • „Hilfe ist verfügbar.“ [Das sollte man nur sagen, wenn es wahr ist.]
  • „Was passiert ist, kann nicht gerechtfertigt oder entschuldigt werden.“
  • „Niemand verdient es, von seinem Partner bzw. seiner Partnerin in einer Beziehung geschlagen zu werden.“
  • „Sie sind nicht allein. Leider haben sich auch viele andere Menschen diesem Problem stellen müssen.“
  • „Ihr Leben, Ihre Gesundheit, Sie sind von Wert.“
  • „Jeder verdient es, sich zu Hause sicher zu fühlen.“
  • „Ich bin besorgt, dass sich dies auf Ihre Gesundheit auswirken könnte.“
Einsetzen eines Dolmetschers bzw. einer Dolmetscherin

Wenn die Sprachkenntnisse des Opfers ein Hindernis für die Erörterung dieser Fragen darstellen, sollte man mit einem qualifizierten Dolmetscher bzw. einer qualifizierten Dolmetscherin oder einem Vertreter bzw. einer Vertreterin der örtlichen Fachstelle für häusliche Gewalt zusammenarbeiten. Derjenige bzw. diejenige sollte das gleiche Geschlecht wie das Opfer haben und eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschreiben. Dolmetscher bzw. Dolmetscherinnen sollten den genauen Wortlaut des Opfers wiedergeben. Zu Beginn des Gesprächs sollte der Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin sorgfältig die Richtlinien durchgehen (z. B. Vertraulichkeit, Rechte des Opfers, um eine Pause zu bitten). Im Gespräch sollte man das Opfer ansehen und mit ihm bzw. ihr sprechen. Der Partner bzw. die Partnerin des Opfers, andere Familienmitglieder oder Kinder sollten nicht als Dolmetscher eingesetzt werden. Es könnte die Sicherheit des Opfers gefährden oder es könnte ihnen unangenehm sein, über ihre Situation zu sprechen. Wenn eine Sprachgruppe in einem Land sehr klein ist, besteht immer die Gefahr, dass sich das Opfer und der Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin direkt oder indirekt kennen. Fragen Sie daher immer, ob das Opfer Präferenzen bezüglich des Dolmetschers bzw. der Dolmetscherin hat. Gehen Sie nicht davon aus, dass Sie wissen, welchen Hintergrund, welches Geschlecht oder welches Herkunftsland des Dolmetschers bzw. der Dolmetscherin vom Opfer bevorzugt werden.

Sonderfall: Wenn das Opfer ein Kind ist

Kindesmissbrauch kann auf unzählige Arten auftreten, und die Auswirkungen sind von Kind zu Kind unterschiedlich. Während bei einigen Kindern Blutergüsse oder Verletzungen auftreten können, die Verdacht erregen, ist dies nicht immer der Fall. Bei der Mehrheit der Kinder gibt es seltener direkte körperliche Verletzungen; viel problematischer sind die langfristigen Auswirkungen von Gewalt auf die neurologische, kognitive und emotionale Entwicklung und Gesundheit des Kindes.

Es gibt Kinder, die überhaupt nicht reden wollen. Andere legen häusliche Gewalt indirekt offen, indem sie die Einzelheiten nur nach einer Aufforderung oder auf Umwegen mitteilen: „Manchmal verärgert mein Stiefvater meine Mutter.“ Das Kind hofft, dass der Hinweis, den es gibt, aufgegriffen wird. Viele Kinder sind unsicher, weil der Täter bzw. die Täterin jemand ist, den sie lieben. Man sollte daran denken, dass Indikatoren für häusliche Gewalt, insbesondere in Bezug auf Kinder, auch Anzeichen für etwas anderes sein können (z. B. Mobbing, traumatische Ereignisse, die nicht mit häuslicher Gewalt zusammenhängen).

Bieten Sie eine geschlechtersensible und kinder- oder jugendzentrierte Ersthilfe an. Diese beinhaltet:

  • respektvolles und einfühlsames Zuhören;
  • das Erkundigen nach den Sorgen, Anliegen und Bedürfnissen des Kindes oder Jugendlichen und der Beantwortung aller Fragen;
  • das Anbieten einer nicht wertende und bekräftigende Antwort;
  • das Ergreifen von Maßnahmen, um ihre Sicherheit zu erhöhen und Schäden zu minimieren, einschließlich derer, die durch die Offenlegung entstehen, und, wenn möglich, der Wahrscheinlichkeit, dass der Missbrauch weitergeht; dies schließt die Gewährleistung der visuellen und auditiven Privatsphäre ein;
  • die Bereitstellung von emotionaler und praktischer Unterstützung durch Erleichterung des Zugangs zu psychosozialen Diensten;
  • die Bereitstellung altersgerechter Informationen darüber, was getan wird, um sie zu versorgen, einschließlich der Frage, ob ihre Offenlegung des Missbrauchs den zuständigen Behörden gemeldet werden muss;
  • die rechtzeitige Betreuung der Kinder entsprechend ihren Bedürfnissen und Wünschen;
  • die Priorisierung der unmittelbaren medizinischen Bedürfnisse und der Erstversorgung;
  • die Umgebung und die Art und Weise, in der die Hilfe geleistet wird, altersgerecht zu gestalten sowie sensibel für die Bedürfnisse derjenigen zu sein, die mit Diskriminierung konfrontiert sind, z. B. aufgrund einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung;
  • die Minimierung der Notwendigkeit für die Betroffenen, mehrere Beratungsstellen aufzusuchen;
  • die Befähigung der nicht-missbrauchenden Betreuungspersonen durch Informationen, um mögliche Symptome und Verhaltensweisen zu verstehen, die das Kind oder der Jugendliche in den kommenden Tagen oder Monaten zeigen könnte, und wann sie weitere Hilfe suchen sollten.

Quelle: https://www.who.int/reproductivehealth/publications/violence/clinical-response-csa/en/

Das Kind sollte nicht „verhört“ werden. Man sollte einfache Fragen stellen, wie z. B.:

  • „Gibt es etwas, über das du traurig oder besorgt bist?“
  • „Was macht dich zu Hause glücklich/traurig/besorgt?“
  • „Gibt es etwas, das ein Erwachsener wissen sollte?“
  • „Manche Kinder können zu Hause Angst bekommen. Was, glaubst du, macht ihnen Angst?“

Das Kind sollte beruhigt werden. Man könnte Folgendes sagen:

  • „Ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist.“
  • „Es tut mir leid, dass das passiert ist.“
  • „Du bist nicht schuld.“
  • „Wir werden gemeinsam etwas tun, um Hilfe zu bekommen.“

Der/Die SUPER-ZUHÖRER/IN wurde von Kindern und Jugendlichen entwickelt, die häusliche Gewalt erfahren haben. Das Partizipationsprojekt „Power Up/Power Down“ hat untersucht, wie vom Gericht verfügte Umgangsprozesse für Kinder verbessert werden können. Die beteiligten Kinder waren der Meinung, dass es wichtig sei, dass alle Erwachsenen, die mit Kindern arbeiten würden, wüssten, was eine/n SUPER-ZUHÖRER/IN ausmache.

Der/die SUPER-ZUHÖRER/IN wurde im Rahmen des Projektes Improving Justice in Child Contact (IJCC) übersetzt. Dieses Projekt hat das Ziel, die Beteiligung von Kindern an Umgangsrechtsentscheidungen in fünf europäischen Staaten zu verbessern.

Sonderfall: Häusliche Gewalt gegenüber LGBTIQ-Personen

LGBTIQ-Personen können – je nach Gruppe – die folgenden Formen häuslicher Gewalt erleben.

Lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen:

  • Ihre Sexualität kann gegen sie verwendet werden, z. B. durch Drohungen, sie vor der Familie/der Gemeinschaft/dem Arbeitsplatz zu „outen“.
  • Sie können von der Gemeinschaft oder ihrer Familie abgeschnitten werden.
  • Sie können unter Druck gesetzt werden, sich den Geschlechts- oder Gender-Normen anzupassen.

Transsexuelle, intersexuelle und geschlechtlich vielfältige Menschen:

  • Sie können wegen ihres Körpers/ihres Aussehens/ihrer Identität lächerlich gemacht werden.
  • Ihnen kann der Zugang zu medizinischer Behandlung oder Hormonen verweigert werden oder sie können gezwungen werden, sich medizinisch behandeln zu lassen.
  • Sie können bedroht oder gemobbt werden, wenn sie sich „outen“.

Zu den möglichen Barrieren für den Zugang zu Unterstützung bei LGBTIQ-Personen gehören:

  • nicht zu wissen, wo sie formelle Unterstützung suchen können, sich zu scheuen, sich „Mainstream“-Unterstützung zu suchen, und kaum informelle Unterstützungsnetzwerke zu haben;
  • Angst vor Diskriminierung, Homophobie, Heterosexismus, Transphobie und gesellschaftlichen Konstruktionen rund um das Geschlecht;
  • Angst, wegen ihres Geschlechts/ihrer Sexualität „geoutet“ zu werden;
  • nicht in der Lage zu sein, missbräuchliches Verhalten zu erkennen – aufgrund der weit verbreiteten Annahme, dass häusliche Gewalt nur in heteronormativen Beziehungen auftritt;
  • Furcht, nicht ernst genommen zu werden;
  • Scheu davor, negative Aufmerksamkeit auf die LGBTIQ-Community zu lenken;
  • Unsicherheit über ihre gesetzlichen Rechte, insbesondere wenn Kinder involviert sind oder sie das Vermögen mit dem Täter bzw. der Täterin geteilt haben.

Wie können Sie Ihre Reaktion inklusiver gestalten?

Auf individueller Ebene

  • Nehmen Sie eine nicht wertende und akzeptierende Haltung ein.
  • Vermeiden Sie Annahmen über Geschlecht oder Heterosexualität – hören Sie der Person und ihren Erfahrungen wirklich zu.
  • Sichern Sie bei Bedarf Vertraulichkeit über die sexuelle Orientierung/Geschlechtsgeschichte zu.

Auf Praxis-Ebene

  • Bauen Sie sensible, kulturell angemessene Überweisungsnetzwerke für LGBTIQ-Menschen auf.
  • Pflegen Sie aktive Partnerschaften mit LGBTIQ-Organisationen.
  • Ermutigen Sie Ihre Praxisangestellten zur Teilnahme an LGBTIQ-Schulungen.
  • Legen Sie LGBTIQ-Materialien im Wartezimmer aus.
  • Stellen Sie sicher, dass die Kommunikation und Aufklärungsmaterialien LGBTIQ-sensibel sind.

Quelle: https://www.racgp.org.au/familyviolence/resources.htm

Sonderfall: Verbesserte Reaktionen auf Flüchtlings- und Migrantengemeinschaften

1. Erkundigen

Fragen Sie nach den Erfahrungen des Opfers vor der Migration und nach ihrem kulturellen Kontext. Es ist wichtig, die Weltanschauung von Opfern häuslicher Gewalt zu kennen, um den Kontext ihrer Erfahrungen, Entscheidungsfindungen und Herausforderungen zu verstehen.

Beispiele für Fragen, die in diesem Kontext gestellt werden können:

Vor der Migration

  • Aus welchem Land kommen Sie?
  • Wie lange leben Sie schon in Deutschland?
  • Kam Ihre ganze Familie hierher?
  • Können Sie mir ein wenig über Ihre Reise nach Deutschland erzählen?
  • Wie war das Leben in Ihrem Herkunfts- oder Übergangsland?

Ankunft

  • Wie haben Sie und Ihre verschiedenen Familienmitglieder sich an das Leben hier angepasst?
  • Wie geht es den Kindern in der Schule?
  • Wie geht es Ihnen an der Arbeit/in Ihrem Studium/beim Deutschunterricht?
  • Was waren positive Erfahrungen für Sie?
  • Auf welche Hindernisse sind Sie bei der Anpassung an das Leben in Deutschland gestoßen?

Kultureller Kontext

  • Was sind die Erwartungen an Frauen/Männer in Ihrer Familie und Gemeinde? Was passiert, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden?
  • Was passiert, wenn eine Frau/ein Mann innerhalb der Familie nicht gut behandelt wird? Wie wird das in der Gemeinschaft wahrgenommen?

2. Bewusst machen

  • Seien Sie sich bewusst, dass es Unterschiede zwischen den Rechts- und Unterstützungssystemen in verschiedenen Ländern gibt.
  • Erklären Sie das System, einschließlich der Rolle von Polizei, Gerichten und Zufluchtsorten. Seien Sie sich bewusst, dass die Angst vor Behörden dazu führen kann, dass das Opfer zögert, die Polizei oder staatliche Dienste einzuschalten.
  • Betonen Sie, dass jeder ein Recht darauf hat, sich in seinem Zuhause sicher zu fühlen.
  • Stellen Sie klar, dass häusliche Gewalt mehr als nur körperliche Gewalt ist, sondern auch emotionale, sexuelle, wirtschaftliche und soziale Gewalt umfasst.

3. Erklären

Erklären Sie, welche Dienste es gibt, wie sie arbeiten (kostenlos und vertraulich), wie sie das Opfer befähigen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, und wie sie bei der Sicherheit helfen können.

Was kann noch sinnvoll sein?

  • Erklären Sie die Vertraulichkeit (ärztliche Schweigepflicht).
  • Verwenden Sie eine/n professionelle/n Dolmetscher/in.
  • Bitten Sie um Erlaubnis, bevor Sie Fragen stellen.
  • Melden Sie sich beim Opfer, um zu sehen, wie es ihm/ihr geht.
  • Überweisen Sie ihn/sie an eine spezialisierte Organisation zur weiteren Unterstützung.

Quelle: https://www.racgp.org.au/familyviolence/resources.htm


Interview mit einer an einem Arbeitskreises für geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt Beteiligten
Wie kommt ihr mit Betroffenen häuslicher Gewalt in Kontakt?

Klient*innen, wobei die überwiegende Zahl der betroffenen Personen Frauen sind, werden z. B. von Frauenhäusern oder Sozialstellen an uns weitervermittelt und wir beraten sie in rechtlichen Angelegenheiten (z. B.: Wie geht es mit meinem Asylverfahren weiter? Was passiert mit meinem Aufenthaltstitel?) oder bieten ihnen psychosoziale Unterstützung an. Gerade im Rahmen der psychosozialen Unterstützung entsteht eine vertrauliche Beziehung zu den Klientinnen, die es möglich macht, Traumafolgestörungen als Folge von Erfahrungen häuslicher Gewalt zu erfassen. Wichtig ist hierbei aber, dass neben all den offensichtlichen Themen, zu denen wir als psychosoziale Flüchtlingsunterstützung hinzugezogen werden (z. B. Aufenthaltssicherung oder Verbesserung der psychischen Gesundheit), häusliche Gewalt ein weiteres Thema sein kann.

Welche Unterstützung bietet ihr geflüchteten Frauen an?

Sowohl die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (GGUA) als auch Refugio als ein Arbeitsbereich der GGUA und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bieten seit einigen Jahren niedrigschwellige Angebote als Präventionsmaßnahmen an, die sozial isolierten Frauen die Möglichkeit bieten, sich zu vernetzen. Dazu gehört z. B. das „QUASSEL CAFE“, das einmal im Monat stattfindet und ein Treffpunkt für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund ist. Sie können sich dort austauschen, die Sprache üben oder gemeinsam etwas unternehmen. Über eine spezielle Frauengruppe, die Refugio anbietet, treffen sich – mit therapeutischer oder pädagogischer Begleitung – Teilnehmerinnen, die gemeinsam darüber sprechen, wie sie aus der Isolation kommen und Kontakte knüpfen können, oder wie ein verbesserter Umgang mit Stress und psychischer Belastung funktionieren kann. Einige geflüchtete Frauen leben sehr isoliert, haben kaum Kontakt zu (gleichsprachigen) Menschen in den Unterkünften und leiden unter Einsamkeit. Wir bieten bei diesen Angeboten auch ein sogenanntes Genusstraining an, d.h., es gibt dabei positive Erlebnisse oder Erfahrungen, die den Frauen guttun. So sind die niedrigschwelligen Angebote auch eine Vorstufe für Opfer häuslicher Gewalt, um einen ersten Kontakt nach außen zu knüpfen. Sie lernen ihre Umwelt und ihre Möglichkeiten kennen.

Wie sehr erschwert die sprachliche Barriere eure Arbeit?

Zu den bereits bestehenden Problemen unter den geflüchteten Frauen, die isoliert sind, kommt die sprachliche Problematik noch verschärfend hinzu. Unterstützungsangebote sind aufgrund der Sprachbarriere oft kaum bekannt. Die Frauenberatungsstellen in Münster haben dem Problem mit mehrsprachigen Flyern entgegengewirkt. Aber es gibt viele niedrigschwellige Angebote (z. B. Sportangebote, Vernetzungsmöglichkeiten), die unbekannt sind. Wir arbeiten mit geschulten Sprach- und Kulturmittler*innen oder konzipieren unsere Angebote sprachreduziert, sodass eine Teilnahme auch mit geringen Deutschkenntnissen möglich ist.

Hast du eine Idee, warum sich geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt keine Unterstützung suchen?

Weil viele Angebote zu hochschwellig und sehr viele Betroffene verängstigt sind. Man muss Brücken über niedrigschwellige Angebote bauen und positive Erfahrungen schaffen, um ihnen aus der Isolation zu helfen. Die Sprachbarriere spielt sicher auch eine Rolle. Zudem ist ein professionelles Hilfesystem mit Beratungsstellen und Frauenhäusern für viele Frauen unbekannt – sie wissen oft gar nicht, dass es diese Möglichkeiten gibt. Außerdem spielen viele andere Faktoren eine Rolle, die eine Kommunikation über schwierige Themen erschweren. So spielen die Scham der Betroffenen oder auch die Community, die nicht über häusliche Gewalt spricht und diese tabuisiert, eine große Rolle. Die Geflüchteten sind oft nicht in Strukturen eingebunden, die sie unterstützen. Nicht zuletzt werden sie durch die eigene Familie unter Druck gesetzt. Das heißt, dass nicht nur der gewalttätige Partner, sondern auch die Familie einen hohen Druck ausübt – Scheidung und Trennung sind oftmals ein soziales Tabu. Ich denke, dass die zugeschriebene Rolle in der Familie ein weiterer Faktor ist. Oftmals übernehmen die Frauen die Kinderbetreuung, während der Partner einen Deutschkurs besucht oder die anstehenden Dinge in Deutschland regelt (z. B. Aufenthalt, soziale Leistungen). Dadurch festigen sich oft bestehende Machtstrukturen. Viele Klientinnen schildern die Sorge um den Aufenthalt und die Perspektive in Deutschland als einen Faktor, weshalb sie bei ihrem Partner bleiben.

Was sind eure Aufgaben?

Unsere Aufgabe ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Themen mithilfe einer Sprachmittlerin besprochen werden können. Wir versuchen herauszufinden, ob es sich um eine akute Bedrohungssituation handelt oder ob die Person eine Traumafolgestörung hat, und können dann den Handlungsbedarf anpassen. Bei einer akuten Bedrohungssituation vermitteln wir an Polizei, Sozialstellen, Unterkünfte oder Frauenhausstellen. Bei Traumafolgestörungen infolge einer Gewalterfahrung werden entweder ambulante Therapieplätze vermittelt oder sie werden bei Refugio an eine psychosoziale Beratung, Psychotherapie oder an unsere niedrigschwelligen Gruppenangebote angebunden. Ist der Handlungsbedarf rechtlicher Art und hat die Person Fragen bezüglich des Asylverfahrens, setzen wir uns mit der Ausländerbehörde, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder Rechtsanwälten in Verbindung und nehmen die Person in unsere soziale Beratung auf.

Wie genau ermöglichst du diese niedrigschwelligen Angebote?

In erster Linie ist es meine Aufgabe, (sekundär-)präventive Empowerment-Angebote zu schaffen. Diese Angebote betreffen Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren, aktuell sind oder sein könnten. Zu den Empowerment-Angeboten zählen unter anderem Möglichkeiten, aus der Isolation zu gelangen, Informationen zu Hilfsangeboten zu erhalten oder auch zu lernen, eigene Grenzen wahrzunehmen und zu setzen. Einige Klientinnen haben oft keine Möglichkeit, Grenzen zu setzen. Sie lassen vieles mit sich geschehen. Es ist immer schwierig, einen Weg aus dem Gewaltkreislauf zu finden. So werden auch Basisinformationen, wie z. B. die Telefonnummer der Polizei, vermittelt.

Du gehörst zum städtischen Arbeitskreis speziell für geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt. Kannst du uns dazu noch etwas erzählen?

Die Akteurinnen in diesem Arbeitskreis kommen aus unterschiedlichen Fachrichtungen wie den Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern, dem Sozialamt, der Polizei und der Rechtsmedizin. Der Arbeitskreis wird vom Gleichstellungsbüro organisiert und wurde aus den Arbeitskreisen „Gewaltschutz“ und „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ gegründet. Wir nehmen mit unterschiedlichen Kolleginnen an den drei Arbeitskreisen teil, weil wir uns im Team thematisch möglichst breit aufstellen möchten. In den Arbeitskreisen werden hauptsächlich strukturelle Schwierigkeiten besprochen, Bedarfe analysiert und Angebote initiiert. Wir haben z. B. mit dem Frauensportverein ein Tanzangebot als niedrigschwelliges Angebot organisiert, das COVID-19-bedingt leider unterbrochen werden musste. Darüber hinaus findet durch die enge Vernetzung auch ein Austausch auf Einzelfallebene statt; wir haben gemeinsame Klientinnen, die wir mit je unterschiedlicher Fachexpertise unterstützen.

Was sind organisatorische Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit bei Fällen häuslicher Gewalt?

Die Zusammenarbeit wird schwierig, weil nicht genug freie Plätze in den Frauenhäusern für akute Fälle zur Verfügung stehen. Hier kommen wir schnell an den Punkt, an dem Betroffene häuslicher Gewalt nicht weitervermittelt werden können. Sind die Betroffenen untergebracht, funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Um die Angebotslücke an Frauenhausplätzen etwas zu verringern, hat der Flüchtlingssozialdienst ein Schutzhaus eingerichtet, das Opfern häuslicher Gewalt schnell aus der akuten Situation heraushilft und ihnen einen Übernachtungsplatz bietet. Das Konzept gleicht einer Unterkunft, wobei der Flur von Security-Personal überwacht wird. Das ist aber nur eine kurzfristige Lösung. Ein weiteres Problem stellt die Kosterstattung der Sprachmittlung für ambulante Psychotherapie dar, die, je nach Leistungserbringer, unterschiedlich lange dauern kann. In Münster wurde nach dem Bremer Modell die Gesundheitskarte eingeführt, was ein guter Schritt war. So können Arztbesuche stattfinden und die Abrechnung läuft über die Krankenkasse. In anderen Städten und im Umkreis von Münster muss ein Krankenschein beim Sozialamt abgeholt werden. Die dortigen Sachbearbeiter*innen entscheiden, ob ein Behandlungsbedarf besteht. Das stellt eine große Hürde dar, weil eine fachfremde Person über den Behandlungsbedarf und über die finanziellen Mittel hierfür entscheiden muss.

Wie sind deine bisherigen Erfahrungen bei der Arbeit?

Unsere Zusammenarbeit mit den Frauenberatungsstellen und den Frauenhäusern läuft viel routinierter ab. Jeder weiß, was die Stärken der jeweiligen Akteurinnen sind. Insgesamt ist die Thematik für uns viel „normaler“ geworden. Auch die Zusammenarbeit mit den Psychotherapeuten, die noch einige Fragen und Sorgen hatten (z. B. bezüglich der Therapie mit einem Dolmetscher oder auch Klienten, die gerade aus einem anderen Land gekommen sind), gestaltet sich routinierter.

Durch die Mehrfachdiskriminierung, die einige Geflüchtete erleben oder erlebt haben, aber auch durch die Art der traumatischen Ereignisse, wie z. B. Diskriminierungen auf der Flucht oder Zwangsprostitution, wirken die Themen auf einige Fachkräfte sehr abschreckend und überfordernd. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Menschen über sehr viele Ressourcen verfügen und sehr resilient sind. Dementsprechend ist nicht nur ein problemorientiertes, sondern auch ein ressourcenorientiertes Arbeiten sehr wichtig.

Was sind eure Ziele?

Unsere Ziele sind vielseitig und orientieren sich in erster Linie daran, die Geflüchteten zu bestärken und dabei zu unterstützen, ihre eigenen Rechte zu kennen und durchzusetzen. Wir unterstützen sie in rechtlichen Angelegenheiten und versuchen, den Aufenthalt zu sichern. Wichtig ist uns aber auch, politisch auf die Strukturen einzuwirken und für den spezifischen Bedarf unserer Zielgruppe zu sensibilisieren, sodass z. B. die EU- Aufnahmerichtlinie umgesetzt wird. Auch die jeweiligen Städte sollen auf das Thema „häusliche Gewalt gegenüber Geflüchteten“ aufmerksam gemacht werden. Wir versuchen, Kooperationspartner zu gewinnen, die ebenfalls auf die spezifische Zielgruppe sensibilisiert werden, um in einen gegenseitigen Austausch zu kommen und voneinander zu lernen.  So können wir alle in Fällen häuslicher Gewalt bei Geflüchteten zugunsten der Opfer handeln.


Quelle: Polizei Berlin


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Häusliche Gewalt in den Medien

Häusliche Gewalt ist in den Nachrichten, in Zeitungsartikeln und im Internet präsent. Bücher, Filme und Serien (z. B. „Der Feind in meinem Bett“, „Fifty Shades of Grey“, „365 days“), Dokumentationen und Reportagen sowie Songtexte greifen das Thema auf. In den meisten Fällen zielen sie allerdings nicht darauf ab, über häusliche Gewalt zu informieren, sondern die Konsumenten und Konsumentinnen zu unterhalten und zu polarisieren.

Häusliche Gewalt wird dabei häufig verharmlost oder romantisiert. Stalking, körperliche Gewalt und Freiheitsberaubung werden als Zeichen wahrer Liebe und gerechtfertigter Eifersucht dargestellt. Die Täter sind fast ausschließlich Männer – die Schuld für die erfahrene Gewalt liegt beim weiblichen Opfer.

Romantische Filme folgen oft der Logik von „Die Schöne und das Biest“, wo „gute“ Frauen „böse“ Männer durch ihre Liebe retten können. Es mag zwar einige Hinweise darauf geben, dass sich Männer in Gegenwart von Frauen besser benehmen, aber in missbräuchlichen Beziehungen trifft dies nicht zu. Stattdessen sind Frauen im Kreis der Gewalt gefangen. Das heißt, es kommt zu einem gewalttätigen Vorfall, danach fühlt sich der Täter schuldig, entschuldigt sich und verspricht, dies in Zukunft nicht mehr zu tun. Es folgt die „Flitterwochenphase“, in der der Täter liebevoll und fürsorglich erscheint. Nach einiger Zeit wird der Täter immer aggressiver gegenüber dem Opfer, bis ein neuer „großer“ Vorfall häuslicher Gewalt geschieht und der Kreislauf wieder von vorne beginnt. Diese Teufelskreise halten Frauen in Missbrauchsbeziehungen gefangen – zum Teil, weil sie fälschlicherweise hoffen, dass sich der Täter bessern wird, und es nicht wieder vorkommt.

Die Folgen sind für die Opfer und die öffentliche Wahrnehmung von häuslicher Gewalt gravierend.


„Gerade weil häusliche Gewalt so kontraintuitiv ist, müssen die Medien diese Geschichten weitererzählen. Wir Journalisten brauchen jedoch eine Ausbildung, damit wir nicht weiterhin die üblichen Fehler machen. Wir können nicht akzeptieren, dass Journalisten das Verhalten einer Frau untersuchen, um zu erklären, warum sie ermordet oder verletzt wurde. Wir können nicht akzeptieren, dass Journalisten Entschuldigungen für Männer finden, die ihre Familien getötet haben, als ob sie unter Druck gesetzt worden wären, dies zu tun.“ (Adaptiert nach: CIG (Comissão para a Cidadania e Igualdade de Género – Commission for Citizenship and Gender Equality) (2019): Guide to good media practice in preventing and combating VAW and DV)

Jess Hill, Journalistin von The Guardian

Wie die Medien mit Fällen häuslicher Gewalt umgehen, ist entscheidend dafür, wie diese von der Öffentlichkeit verstanden und interpretiert wird:

  • die Häufigkeit, mit der über häusliche Gewalt berichtet wird,
  • die Informationen, die in den Berichten über häusliche Gewalt enthalten sind oder weggelassen werden,
  • die Worte, mit denen beschrieben wird, was passiert ist.

All diese Faktoren machen einen Unterschied im gesellschaftlichen Verständnis von häuslicher Gewalt aus.

Die Rolle der Medien im Bereich häuslicher Gewalt ist entscheidend.

  • Nicht nur, weil sie Verbrechen sichtbar macht, die heute noch oft fälschlicherweise der Privat- und Beziehungssphäre zugerechnet werden,
  • sondern auch, weil sie die Möglichkeiten der Reaktion und des Aufbaus einer gerechteren, sichereren und aufmerksameren Gesellschaft beeinflusst.

Gute journalistische Praxis sollte sein, dass Leser und Leserinnen nach einem Artikel oder einem Film über häusliche Gewalt sensibilisiert werden und dadurch

– Anzeichen von Gewalt besser erkennen, wenn sie ihnen begegnen,
– über ein besseres Wissen verfügen, was dann zu tun ist,
– und die Dynamik der Eskalation des Missbrauchs besser verstehen und wissen, wie sie ihn verhindern können.


Adaptiert nach: CIG (Comissão para a Cidadania e Igualdade de Género – Commission for Citizenship and Gender Equality) (2019): Guide to good media practice in preventing and combating VAW and DV


Wie stellt man häusliche Gewalt dar?

Hier finden Sie ein Factsheet für Filmemacher und Filmemacherinnen, Produzenten und Produzentinnen, Drehbuchautoren und Drehbuchautorinnen sowie Regisseure und Regisseurinnen zur Darstellung von häuslicher Gewalt im Fernsehen und in Filmen. Es enthält zudem Interviews mit zwei Filmemachern, die ihre Ansichten zu diesem Thema darlegen.


Niedrigschwelliges Angebot: Anbieten von Informationsblättern

Schriftliche Informationen über Gewalt in Paarbeziehungen und häusliche Gewalt sollten in Form von Plakaten, Broschüren oder Faltblättern verfügbar sein, die in privaten Bereichen wie Waschräumen zur Verfügung gestellt werden (mit entsprechenden Warnungen, sie nicht mit nach Hause zu nehmen, wenn sich dort der Täter oder die Täterin aufhält). Das Anbieten eines QR-Codes, der zu einer Website mit weiteren Informationen führt, kann hier Abhilfe schaffen. Die Plakate, Broschüren oder Faltblätter sollten sich an weibliche und männliche Opfer häuslicher Gewalt richten und keine Stereotype bedienen. Die Benennung konkreter Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen vor Ort und die Breitstellung von Telefonnummern von Beratungsstellen oder Internetseiten, die (anonyme) Beratung anbieten, können einen Beitrag dazu leisten, dass sich Opfer häuslicher Gewalt Hilfe suchen.