Modul 4: Zugang zum Rechtsweg

1. Hürden für Betroffene von häuslicher Gewalt
2. Ermittlungsverfahren
3. Vor der Gerichtsverhandlung
4. Gerichtsverhandlung
5. Zivilverfahren
6. Mediation

Quellen

Einleitung
Willkommen zu Modul 4: Zugang zum Rechtsweg. In diesem Modul sollen die Herausforderungen behandelt werden, die Betroffene von häuslicher Gewalt beim Nutzen des Rechtswegs erleben können. Angefangen mit dem – für Betroffene oft – schweren Einstieg in die komplexen juristischen Prozesse, sollen in diesem Modul wichtige Elemente für eine angemessene Zugänglichkeit der Justiz für Opfer häuslicher Gewalt vorgestellt werden. Daten zum Zugang zur Justiz für Deutschland gibt es nur beschränkt, da regelmäßige, offizielle Statistiken häusliche Gewalt noch nicht getrennt ausführen. Hinweise dazu lassen sich dennoch aus der bestehenden Dunkelfeldforschung erschließen.

Die letzte Umfrage des LKA Niedersachsen zu Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen inkludiert Angaben zum Anzeigeverhalten Betroffener. Die mittlere Anzeigequote lag bei 0,5% über alle erfassten Deliktsbereiche hinweg. Je schwerwiegender die Tat war, desto höher war auch die Anzeigequote (z.B. mit Worten beleidigt werden: 0,7%; bedroht werden: 4,2%; durch Drohung zu sexuellen Handlungen gezwungen werden: 19,8%; mit Waffe angegriffen werden: 45,7%).1 Natürlich nutzen einige Betroffene den Rechtsweg bei häuslicher Gewalt auch ohne Einbindung der Polizei, beispielsweise bei Sorgerechtsstreitigkeiten. Dennoch sind diese Zahlen als Indiz für eine geringe Nutzung des Rechtsweges zu interpretieren. Eine Untersuchung von Femiziden in Deutschland durch Habermann (2023) verstärkt diesen Eindruck. Besonders in Fällen, die tödlich verliefen und bei denen es zuvor in der Beziehung zu Gewalt gekommen war, wandten sich 34,5% der Frauen an die Polizei, was in 59% der Fälle eine Konsequenz für die Täter nach sich zog. Allerdings hatten nur 7,3% Kontakt zu Gerichten, was auf Hürden bezüglich der Nutzung des Rechtswegs durch Opfer hinweist.2

Mehr Informationen und Statistiken finden Sie in Daten und Statistiken in Deutschland.

Modul 4 stellt Hürden und Probleme vor, die dazu führen, dass für betroffene Opfer der Zugang zur Justiz erschwert bleibt. Weiterhin befasst sich Modul 4 mit dem Ermittlungsverfahren, den Gerichtsverfahren, Zivilverfahren und Mediation.

Lernziele
+ Persönliche, soziale, kulturelle, gesellschaftliche und justiz-bezogene Hürden für Opfer häuslicher Gewalt
+ Sensibilisierung in Bezug auf die Rolle von Rechtsberufen
+ Verbessern der Standards der Ermittlungen, Beweissicherung, des Opferschutzes und der Strafverfolgung
+ Sicherung des Zugangs von Opfern zur Justiz


In manchen Fällen ist häusliche Gewalt nicht beendet, wenn das Opfer entkommt, die Beziehung zu beenden versucht oder Hilfe in Anspruch nimmt. Oft intensiviert sich die Gewalt in solchen Momenten, in denen Täter:innen einen Kontrollverlust befürchten. Die Gründe, warum Opfer in gewaltvollen Beziehungen bleiben, sind vielfältig, basieren aber oft auf dem tatsächlichen Risiko, dass Täter:innen ihre Drohungen in die Tat umsetzen. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, dass Opfer weder sich selbst noch ihnen wichtige Personen schützen können.3

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Dieselben Macht- und Kontrollstrukturen, welche die Ausübung von häuslicher Gewalt bestimmen, erschweren es Opfern den Rechtsweg zu nutzen. Die berechtigte Angst vor den Drohungen der Täter:innen und unfairer Rechtsprechung können den Zugang zur Justiz erschweren. Täter:innen können Opfer manipulieren, in dem sie diese emotional erpressen oder behaupten, dass ihr Opfer Falschaussagen tätigt. So kommt es, dass eines von vier Opfern von häuslicher Gewalt gravierende Fälle von häuslicher Gewalt nicht meldet. Gründe dafür sind Angst, Wut und Scham.4 Mehr Informationen zur Gewaltdynamik finden Sie in Modul 1.

Leslie Morgan Steiner erklärt im folgenden Video, warum Opfer ihre Gewaltbeziehung nicht verlassen. Dabei werden auch häufige Missverständnisse angesprochen:

Die folgenden persönlichen, sozialen und kulturellen, gesellschaftlichen und justiz-bezogenen Hindernisse beeinflussen den Zugang zur Justiz bei jedem Schritt5:

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Vulnerable Gruppen und Mehrfach-Diskriminierung

Opfer häuslicher Gewalt kommen aus diversen gesellschaftlichen Kreisen und haben mit unterschiedlichen Hürden zu kämpfen. Oft haben sie wenig Vertrauen in die Justiz, von der sie befürchten unfair behandelt oder nicht ernstgenommen zu werden. Dies hängt mit der Diskriminierung, Sekundärviktimisierung und mangelnder Rechtsberatung von Seiten der Polizei und Rechtsberufe zusammen.

Der Begriff vulnerable Gruppen bezieht sich auch Personen, die zu benachteiligten oder marginalisierten Gruppen gehören, oder ihnen zugeordnet werden.6 Mehr Informationen zu verschiedenen Opfergruppen gibt es in Modul 1.

Mehrfachdiskriminierung ist eine Kombination von Diskriminierungsformen auf Grundlage von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Glaube, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder anderen Eigenschaften. Diskriminierung kann sowohl aufgrund von Zugehörigkeit oder auch Zuordnung zu einer dieser Gruppen geschehen.7 Intersektionale Diskriminierung passiert auf Basis mehrerer solcher Eigenschaften/Identitäten, die miteinander interagieren und zusammenwirken, sodass sie voneinander untrennbar sind.8

Das englische Video unten beschreibt die negativen Assoziationen in Bezug auf das soziale Geschlecht:

Das biologische Geschlecht beschreibt die biologische Ebene der Geschlechtlichkeit. Im Gegensatz dazu bezieht sich das soziale Geschlecht auf gesellschaftliche Rollen, Verhaltensweisen und Eigenschaften, die den jeweiligen Geschlechtskategorien zugeschrieben werden. Mehr Informationen zum biologischen Geschlecht finden Sie im Modul 1.

Stereotype in Bezug auf Hautfarbe und Herkunft können das Selbstwertgefühl von Betroffenen negativ beeinflussen, wodurch Opfern häuslicher Gewalt die Inanspruchnahme von Hilfe erschwert wird. Das unten angeführte Video stellt ein berühmtes Experiment nach, welches in den 1940er Jahren in den Vereinigten Staaten zum Thema Vorurteile, Diskriminierung und Segregation durchgeführt wurde:


Haltungen, Meinungen und Verhaltensmuster sind von besonderer Bedeutung im Umgang mit Opfern von häuslicher Gewalt. Eine Täter-Opfer Umkehr, die sich aus Stereotypen und unbewussten Vorurteilen (im Engl.: unconscious bias) erschließt, benachteiligt Opfer und macht es schwerer für diese über die erlebte Gewalt zu sprechen.

Besonders Diskriminierung und Täter-Opfer-Umkehr, welche von Justizangehörigen ausgehen, beeinflussen das Anzeigeverhalten, sowie die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung in Fällen häuslicher Gewalt. Sie können dazu führen, dass Betroffenen ungenügend Empathie entgegengebracht wird, wodurch ihnen nicht geglaubt wird oder sie für die erlebte Gewalt verantwortlich gemacht werden.9 Das kann das Vertrauen in die Justiz senken. Desweiteren kann die Täter-Opfer-Umkehr zu einer erneuten Viktimisierung von Opfern führen, die Hilfe in Anspruch nehmen. Während der Verhandlungen kann sich diese Schuldumkehr dadurch erkenntlich zeigen, dass Täter:innen zu viel Nachsicht zukommt und diese nicht für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden. Stereotype können die Handhabung von häuslicher Gewalt weiterhin erschweren, wenn Annahmen in Bezug auf Opferschaft und Opferverhalten Entscheidungen bestimmen.

Um diese Problem anzugehen, ist es wichtig, dass Rechtsberufe umfassende Schulungen zu Täter-Opfer-Umkehr und Stereotypen erhalten.

Praktischer Leitfaden für Rechtsberufe, um eine Täter-Opfer-Umkehr vorzubeugen
  • Opfern soll aktiv zugehört werden. Dabei sollen ihre Erfahrungen nicht beurteilt, sondern validiert werden. Fragen zum Verhalten, die Schuld auf die Opfer überträgt, sollten vermieden werden. Wenn z.B. Opfer ihre Erfahrungen beschreiben, soll der Fokus darauf liegen, dass die Perspektive der Opfer nachvollzogen wird.
  • Verwenden Sie eine neutrale Sprache, die sich keiner Stereotype bedient. Statt z.B. zu fragen „Warum sind Sie nicht früher gegangen?“, formulieren Sie offene Fragen. Dadurch kann die Situation der Opfer besser beleuchtet werden. Ein Beispiel für eine solche Frage ist: „Bitte erzählen Sie mir mehr über die Probleme, die Sie bei der Hilfesuche erlebt haben!“. Erfahren Sie mehr zur Kommunikation mit Opfern von häuslicher Gewalt in Modul 3.
  • Nehmen Sie an Workshops und Trainingsseminaren teil, die sich mit trauma-sensitiver Hilfe und den Auswirkungen von Täter-Opfer-Umkehr befassen. Dabei sollten Inhalte die Wichtigkeit von Hilfsangeboten für Opfer, sowie dem Erkennen von Macht- und Kontrolldynamiken in Gewaltbeziehungen hervorheben.
  • Seien Sie sich kultureller Unterschiede bewusst. Respektieren Sie die verschiedenen kulturellen Hintergründe. Ziehen Sie Dolmetscher:innen hinzu, wo Bedarf besteht. Zeigen Sie Verständnis dafür, dass unterschiedliche kulturelle Normen eine Auswirkung darauf haben, wie Opfer Gewalt sehen und auf diese reagieren. Ein Verstehen dieser Unterschiede kann dabei helfen einen Opfer-gerechten und respektvollen Umgang mit allen Betroffenen zu pflegen.
  • Eine Zusammenarbeit mit Opferschutzorganisationen und Interessenvertretungen kann sicherstellen, dass Opfer ausreichend während des Verfahrens unterstützt werden. So kann einer sekundären Viktimisierung vorgebeugt und ein Hilfsnetzwerk aufgebaut werden, damit Opfer effektiv durch die Justiz begleitet und navigiert werden.

Mehr Informationen zu Stereotypen und unbewussten Vorurteilen finden Sie in Modul 8.


Eine sekundäre Viktimisierung liegt vor, wenn das Opfer weiteren Schaden erleidet, der nicht direkt auf die Straftat zurückzuführen ist, sondern auf die Art und Weise, wie Institutionen und andere Personen mit dem Opfer umgehen. Sie kann beispielsweise dadurch verursacht werden, dass das Opfer wiederholt mit dem:r Täter:in konfrontiert wird, dass es wiederholt zum selben Sachverhalt befragt wird, dass eine unangemessene Wortwahl verwendet wird oder dass alle Personen, die mit dem Opfer in Kontakt kommen unsensible Bemerkungen machen.10

Um eine sekundäre Viktimisierung zu verhindern, müssen Angehörige der Rechtsberufe rücksichtsvoll und empathisch mit dem Opfer umzugehen. Die Art und Weise, wie Opfer von Vertreter:innen der Justiz im Rahmen eines Gerichtsverfahrens befragt werden, wirkt sich stark auf die Kooperation der Opfer aus. Das Aussagen vor Gericht kann für Opfer häuslicher Gewalt aufgrund des intimen Charakters der Gewalt besonders belastend und einschüchternd sein. Der Kontrollverlust, die Scham, die Angst vor dem oder der Täter:in, sowie das Eingeschüchtertsein durch das Verfahren können dazu beitragen, dass Betroffene nicht bereit sind sich wiederholt an traumatische Ereignisse zu erinnern. Wenn Opfer das Gefühl haben, dass sie sicher sind, dass ihnen zugehört und geglaubt wird, sind sie eher motiviert die für den Fall notwendigen Informationen mitzuteilen.

Praktischer Leitfaden für Vertreter:innen der Justiz, um einer sekundären Viktimisierung vorzubeugen
  • Stellen Sie sicher, dass Opfer ihren Täter:innen während des Verfahrens nicht begegnen müssen. Nutzen Sie dafür separate Wartebereiche und erwägen Sie die Verwendung von Aussagen via Video.
  • Helfen Sie Opfern dabei sich während der Vernehmung sicher und wohlzufühlen, indem Sie die passenden Rahmenbedingungen gestalten.
  • Vermeiden Sie wiederholte Vernehmungen zu gleichen Inhalten. Arbeiten Sie mit anderen Akteuren zusammen, damit die notwendigen Informationen effektiv gesammelt und bei Bedarf entsprechend geteilt werden.
  • Bereiten Sie sich vor der Vernehmung gut vor, damit Opfer ihr Trauma nicht mehrmals nacherzählen müssen.
  • Achten Sie auf Ihre Sprache, wenn Sie mit Opfern interagieren. Vermeiden Sie Begriffe, die Opfern das Gefühl vermitteln, dass diese beurteilt oder sogar beschuldigt werden.
  • Verwenden Sie eine wohlwollende und entgegenkommende Sprache, damit Opfer sich verstanden und respektiert fühlen.
  • Formulieren Sie einfache Sätze, damit Opfer auch verstehen, was ihnen kommuniziert wird. Mehr Informationen zur Kommunikation mit Opfern finden Sie in Modul 3.
  • Fragen Sie Opfer danach, ob diese alle Erklärungen oder Beschreibungen verstanden haben. Geben Sie ihnen die Möglichkeit Fragen zu stellen.
  • Geben Sie Opfern schriftliche Leitfäden und Erklärungen, welche die wichtigsten, besprochenen Punkte zusammenfassen. Das hilft nicht nur dem Verstehen des Inhalts, sondern kann als Referenzmaterial für Opfer dienen.
  • Stellen Sie sicher, dass Opfer vermittelte Inhalte auch verstanden haben, indem Sie Opfer bitten diese Inhalte zusammenzufassen.
  • Bieten Sie Opfern auch weitere Hilfsleistungen während des Verfahrens an, wie z.B. Rechtsberatung und andere Beratungsangebote.
  • Ermöglichen Sie es Opfern, soweit möglich, eine Vertrauensperson während des Verfahrens und der Vernehmung hinzuzuziehen.
  • Zeigen Sie Verständnis dafür, dass Traumata das Gedächtnis und Verhalten von Betroffenen beeinflussen können. Lücken und Widersprüche in der Nacherzählung von Opfern können das Resultat dieser sein.
  • Stellen Sie für alle Rechtsberufe Training zu Trauma-sensitiven Praktiken und den Folgen von häuslicher Gewalt zur Verfügung.
  • Erlauben Sie Opfern, soweit möglich, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Das kann z.B. bedeuten, dass Opfer das Geschlecht der Person, die Zeugenaussagen vernimmt, festlegen oder selbst Pausen während der Vernehmung setzen kann.
  • Sorgen Sie dafür, dass das Opfer umfassend über das Gerichtsverfahren und seine Rechte informiert wird und beteiligen Sie es nach Möglichkeit an der Entscheidungsfindung.
  • Bewahren Sie stets Professionalität und Vertraulichkeit. Vermeiden Sie unsensible Kommentare oder Gesten, die von Opfer als wertend oder zweifelnd verstanden werden könnten.
  • Seien Sie geduldig und zeigen Sie Verständnis. Opfer leiden möglicherweise unter erheblichem emotionalen Stress.

Im folgenden Video können Sie mehr zu geschlechts-basierter Gewalt, Täter-Opfer-Umkehr und sekundärer Viktimisierung erfahren:


In Fällen von häuslicher Gewalt erfordern Ermittlungsverfahren Sensibilität und Vorkenntnisse. Nur so können komplexe Kontroll- und Machtdynamiken, die Fälle von häuslicher Gewalt prägen, adressiert werden. Zur Herangehensweise in solchen Fällen gehören sofortige Maßnahmen, das Führen von Interviews, sowie Gefährdungseinschät zungen für Opfer und deren Kinder. Details dazu finden Sie im Abschnitt zur polizeilichen Intervention in Modul 4.

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Ermittlungen müssen so schnell wie möglich ohne unnötige Verzögerungen nach den Prinzipien der Istanbul Konvention eingeleitet werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass alle verfügbaren Zeug:innen interviewt und die notwendigen forensischen Untersuchungen durchgeführt werden. Die Ermittlungssschritte müssen dabei auf die Rechte der Beschuldigten und die Standards einer fairen Gerichtsverhandlung achten. Details dazu finden Sie im Abschnitt zur Istanbul Konvention in Modul 6.

Sofortmaßnahmen können sein:

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Bei häuslicher Gewalt sind Aussagen des Opfers und von Zeugen oft die wichtigsten Beweismittel. Opfer sind in der Regel eher bereit, unmittelbar nach einem Vorfall eine Aussage zu machen, als Tage danach. Die Aussage des Opfers ist auch für die unmittelbare Risikobewertung und die Sicherheitsplanung wichtig. Daher sollte nach Möglichkeit versucht werden, das Opfer unmittelbar nach dem Vorfall zu befragen.

Wie eine Befragung durchzuführen ist:
  • Idealerweise sollte das Opfer das Geschlecht der Ermittler:in wählen können.
  • Das Opfer sollte die Möglichkeit haben Unterstützung mitzunehmen, wie z.B. eine zuständige Sozialarbeiter:in.
  • Das Interview sollte in einem ruhigen Raum ohne Ablenkungen stattfinden.
  • Wenn die verwendete Sprache nicht die Muttersprache des Opfers ist, sollte eine Dolmetscher:in hinzugezogen werden. Ermittler:innen sollten das Opfer über das Recht auf Übersetzung informieren und fragen, ob das Opfer eine Dolmetscher:in wünscht und ob es Präferenzen hinsichtlich Geschlecht, Dialekt und Herkunftsland der Dolmetscher:in gibt.
  • Ermittler:innen sollten während eines Interviews feinfühlig und einfühlsam vorgehen.
  • Es ist wichtig, dass Opfer über seine Rechte und Pflichten zu informieren. Es sollte auch erklärt werden, dass möglicherweise intime Fragen gestellt werden müssen und warum dies wichtig ist. Ermittler:innen sollten erklären, dass die Frage nach Details, z.B. was das Opfer gesagt, getan oder getragen hat, nicht bedeutet, das Opfer für das Erlebte verantwortlich gemacht wird. Es sollte betont werden, dass dies vielmehr dazu dient, so viele Informationen wie möglich zu sammeln.
  • Ermittler:innen sollten Opfern auch dabei helfen mit Selbstvorwürfen und Selbstzweifel umzugehen. Es sollten keine Wertungen gefällt und keine Fachbegriffe verwendet werden.
  • Für das Interview sollte ausreichend Zeit eingeplant werden. Ermittler:innen sollten aufmerksam zuhören und offene Fragen stellen sollten. Sie sollten sich während des Gesprächs mit dem Opfer gründlich Notizen machen, damit Opfer das Erlebte nicht mehrmals erzählen müssen.
  • Ermittler:innen sollten auf emotionale Reaktionen des Opfers, z.B. Weinen, vorbereitet sein. Es kann hilfreich sein, Opfern Pausen anzubieten. Dies ist besonders dann nützlich, wenn Opfer während des Interviews sehr mitgenommen wirken. Obwohl Ermittler:innen oft unter Zeitdruck stehen, ist es wichtig auf den emotionalen Zustand des Opfers einzugehen und bei Bedarf Hilfe anzubieten.
  • Es kann Zeit und viele Treffen erfordern, bis sich ein traumatisiertes Opfer öffnet. Ermittler:innen sollten Opfern erklären, dass der Ausgang eines Verfahrens von einer möglichst umfassenden Schilderung der Ereignisse abhängen kann. Opfern sollten eine sichere Umgebung und die Möglichkeit geboten werden, ihre Geschichte vollständig zu erzählen.
Arten von Fragen

Bei der Befragung des Opfers sollten die folgenden Informationen erhoben werden:

  • Fragen Sie nach dem konkreten Vorfall und den Umständen, die dazu geführt haben.
  • Erkundigen Sie sich, ob Kinder anwesend sind/waren.
  • Erkundigen Sie sich, ob eine Waffe involviert/vorhanden ist.
  • Bitten Sie um eine Beschreibung früherer körperlicher und psychischer Gewalt, sowie Gewalt durch Kontrolle.
  • Bitten Sie um eine Beschreibung der Täter:in und der Beziehung zu dieser.
  • Erkundigen Sie sich nach den Auswirkungen der Gewalt auf das Opfer, einschließlich körperlicher und psychischer Verletzungen, finanzieller Auswirkungen und Strategien zur Bewältigung der Gewalt.
  • Sollten Sie den Eindruck haben, dass eine Person Ihnen nicht alles erzählt, fragen Sie diese Person, wovor sie Angst hat (diese Ängste müssen nicht immer offensichtlich sein).
  • Fragen Sie nach Zeug:innen wie Nachbar:innen. Deren Aussagen könnten die Strafverfolgung unterstützen.
  • Erkundigen Sie sich, ob das Opfer eine Trennung in Betracht zieht. Diese ist ein Risikofaktor und könnte ein Auslöser für Tötungsdelikte sein.
Befragung von Kindern

Es ist wichtig zu erkennen, dass häusliche Gewalt schwerwiegende Auswirkungen auf Kinder haben kann. Bei der Unterstützung von Opfern mit Kindern, die häusliche Gewalt miterlebt haben oder selbst Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, müssen die Rechte der Kinder und ihr Wohl berücksichtigt werden.

Bei Befragungen von Kindern sollten Maßnahmen ergriffen werden, die auf ihr Alter und ihre Entwicklungsstufe zugeschnitten sind. Dazu gehören:

  • Verwendung freier Erzählungen und offener Fragen, sowie spezifischer oder gezielter, aber nicht suggestiver Fragen
  • Vermeiden von geschlossenen und expliziten Fragen
  • Einsatz einfühlsamer Kommunikation, effektiven Zuhörens und geschickter Fragestellung

Die Phase vor den Hauptverhandlungen birgt ein erhöhtes Gefährdungsrisiko für Opfer, wenn Täter:innen nicht in Gewahrsam genommen wurden oder unter Beobachtung stehen. Opfer könnten das Ziel von Racheakten oder Einschüchterungsversuchen werden. Es ist folglich wichtig das Risiko für Opfer einzuschätzen und entsprechende Schutzmaßnahmen anzuwenden. Das sollte anhand geregelter Routinen und in Zusammenarbeit mit anderen Behörden geschehen.

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Vor dem Prozess spielen mehrere Akteure eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit und Bereitstellung von Hilfsleistungen für Opfer. Strafverfolgungsbehörden sollten für den Schutz der Opfer sorgen. Dies kann die Überwachung des Täters beinhalten, um Bedrohungen oder Vergeltungsakte zu verhindern. Staatsanwält:innen sollten bei der Aushandlung von Kautionsbedingungen oder dem Beantragen von Schutzmaßnahmen die Sicherheit des Opfers in den Vordergrund stellen. Opferhilfsdienste und Frauenhäuser sollten bei Bedarf sofortige Hilfe und sichere Unterkünfte bereitstellen. Darüber hinaus können Rechtsberatungsstellen Opfern bei der Bewältigung der Gerichtsverhandlungen helfen und sich für deren Rechte einsetzen. Gesundheitsberufe sollten in die Beurteilung und Dokumentation der physischen und psychischen Auswirkungen der erlebten häuslichen Gewalt einbezogen werden.


Zu den rechtlichen Möglichkeiten, um die Sicherheit der Opfer zu gewährleisten, gehören Kautionsauflagen, einstweilige Verfügungen, Betretungsverbote oder Schutzanordnungen. Diese Maßnahmen sind nicht nur in vor einem Verfahren wichtig, sondern sollten auch während des gesamten Prozesses bei Bedarf angewendet werden. Schutzmaßnahmen beinhalten:

  • Die vorübergehende Inhaftierung einer gefährdenden Person
  • Das Wegweisen vom Wohnort
  • Das Aussprechen eines Annäherungs- und Betretungsverbots
  • Das Erwirken einer einstweiligen Verfügung
  • Das Einschränken oder Aussetzen von Besuchsrechten für Kinder

Die Beweissicherung ist in erster Linie Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden. Staatsanwält:innen müssen möglicherweise auch Hinweise zu erforderlichen Beweisen und den Verfahren zur Beschaffung zulässiger Beweise geben und beurteilen, ob die Beweise ausreichen, um Täter:innen anzuklagen.

Spontane Reaktionen

Während der ersten Maßnahmen durch die Sicherheitsbehörden sollten alle relevanten Kommentare und Reaktionen von Täter:innen und Opfern dokumentiert werden. Diese spontanen Reaktionen können während der Verhandlungen wichtig werden, selbst wenn Opfer keine Aussage tätigen. Sie können auch als Beweis für die Glaubwürdigkeit des Opfers dienen. Zudem ist es wichtig, spontane Reaktionen und Kommentare von anderen Zeug:innen am Tatort zu protokollieren.

Fotos von Verletzungen

Fotos der Verletzungen der Opfer werden im Polizeibericht dokumentiert. Diese Bilder können vor Gericht als Beweismittel dienen, um eine Verurteilung zu gewährleisten. Das ist besonders dann relevant, wenn Opfer keine Aussage tätigen, oder Täter:innen nicht geständig sind.

Psychologische Beweismittel

Opfer häuslicher Gewalt können Ziel wiederholter Befragungen durch die Verteidigung sein. Aufgrund der emotionalen Belastung oder Erkrankungen, wie Depressionen und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), können solche Befragungen bei Opfern zu Verwirrung und Widersprüchen in ihren Aussagen führen. Diese psychischen Störungen können als Indikatoren für die Intensität und die anhaltenden Auswirkungen häuslicher Gewalt dienen.

Sachverständige können klären, wie sich ein Trauma auf das Gedächtnis der Betroffenen und deren Berichte auswirken. Das kann helfen, um psychische Verletzungen zu erklären.

Medizinische Beweise

Das Sammeln medizinischer und forensischer Beweise, wie Verletzungen und DNA-Spuren, ist die Pflicht der Behörden und kann auch ohne die Aussage des Opfers zu einer Verurteilung beitragen. Für medizinische Untersuchungen ist jedoch eine Zustimmung des Opfers erforderlich. Opfern sexueller Gewalt sollten unverzüglich Untersuchungen durch spezialisiertes medizinisches Personal angeboten werden. Den Opfern sollten dabei die Vorteile ihrer Zustimmung erläutert werden. Die sofortige Sammlung medizinischer Beweise ist von entscheidender Bedeutung, da Spuren innerhalb kurzer Zeit, teilweise innerhalb von drei Tagen, verschwinden können. Mehr Informationen zu medizinischen Gutachten und der Sicherung medizinischer Beweise finden Sie in Modul 4 des Gesundheitssektors.

Fehlende medizinische oder physische Beweise sollten weder von Ermittlungen oder Anklagen abhalten noch die Glaubwürdigkeit des Opfers untergraben. Fachliche Gutachten zu früheren physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch vorherige Gewalttaten könnten die Glaubwürdigkeit der Opfer und so die Anklage untermauern.


Darunter sind nicht nur Augenzeug:innen zu verstehen. Viele andere Zeugengruppen können wertvolle Informationen haben, die für den Fall relevant sind, zum Beispiel:

  • Nachbar:innen, die Gespräche oder Konflike mitgehört haben.
  • Freund:innen, denen der Vorfall anvertraut wurde.
  • Lehrer:innen, die über den Vorfall informiert wurden.

Die Polizei sollte aktiv nach Personen suchen, denen das Opfer sich möglicherweise anvertraut hat. Durch das Einbeziehen von Zeug:innen zusätzlich zum Opfer können bei den Ermittlungen mehr Beweise zum Tathergang entdeckt werden. Weitere Informationen zu Zeug:innen von häuslicher Gewalt finden Sie in Modul 2.


Opfer, die sich unterstützt und respektiert fühlen, arbeiten tendenziell eher mit den Justizbehörden zusammen. Eine gute Vorbereitung des Opfers auf die Verhandlung ist wichtig, um sicherzugehen, dass das Opfer vor Gericht aussagt.

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Das Risiko, dass Opfer an der Strafverfolgung nicht mehr teilnehmen möchten, kann gesenkt werden, indem diese über ihre Rolle im Verfahren, sowie über Verfahrensschritte und mögliche Ergebnisse informiert werden. In manchen Fällen kann es trotz aktiver Beteiligung der Opfer dazu kommen, dass diese ihre Unterstützung für das Verfahren zurückziehen.

Wenn Opfer sich dafür entscheiden ihre Unterstützung zurückzuziehen, sollten Staatsanwält:innen davon absehen, Kritik oder Schuld zuzuweisen. Auch wenn das für die Strafverfolgung eine Herausforderung darstellt, kann die Strafverfolgung dennoch fortgesetzt werden, wenn es sich um schwere Straftaten handelt.

Treffen mit den Opfern

Zum Standardverfahren der Staatsanwält:innen sollten Treffen mit Opfern gehören. Bei Bedarf sollten hier Dolmetscher:innen und Begleitpersonen zugezogen werden. Bei diesen Treffen können Staatsanwält:innen:

  • eine Beziehung zu Opfern aufbauen und ihnen versichern, dass ihre Rechte und Bedürfnisse berücksichtigt werden.
  • mögliche Sondermaßnahmen (z.B. Sichtschutz, Videoaussage) besprechen und auf etwaige Bedenken des Opfers hinsichtlich der Strafverfolgung eingehen.
  • das Gefährdungsrisiko für Opfer und den Einfluss der Strafverfolgung darauf erheben.

Die Staatsanwaltschaft hat mehrere wichtige Entscheidungen zu fällen: Ob es zu einer Anklage kommt, inwieweit eine alternative Streitbeilegung oder Mediation in Betracht gezogen oder ob eine Anklage ganz fallen gelassen wird. In Fällen häuslicher Gewalt könnte ein Aufschub der Strafverfolgung zu weiteren, möglicherweise schwerwiegenderen Gewalttaten führen. Die Entscheidung, die Anklage fallen zu lassen, könnte Täter:innen signalisieren, dass ihr Verhalten gebilligt wird.

Bei der Entscheidung, ob ein Fall strafrechtlich verfolgt werden soll, müssen Staatsanwält:innen beurteilen, ob ausreichende Beweise vorliegen, ob eine Verurteilung wahrscheinlich ist und ob ein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Angelegenheit besteht.

Ausreichende Beweismittel

Bei Fällen häuslicher Gewalt müssen Staatsanwalt:innen in der Regel proaktiv Beweise suchen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden während der Ermittlungsphase bei der Sicherstellung von Beweisen.

Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung

Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung spielt eine wichtige Rolle bei Fällen häuslicher Gewalt. Sie sollte jedoch keinen höheren Stellenwert als andere Faktoren haben. Staatsanwält:innen müssen sorgfältig ermitteln und nach alternativen Beweisquellen suchen, wenn sie ohne die Aussage der Opfer verfahren müssen. Dies kann die Vernehmung von Zeug:innen, medizinische oder fotografische Evidenz und Beweise vom Tatort umfassen.

Öffentliches Interesse

Bei der Entscheidung, ob ein Fall strafrechtlich verfolgt werden soll, müssen Staatsanwält:innen je nach Rechtsgrundlage das öffentliche Interesse abwägen. Angesichts der Verbreitung von häuslicher Gewalt und ihrer Auswirkungen auf die Opfer, die betroffenen Kinder und die Allgemeinheit, besteht in der Regel ein starkes öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung.

Zu den Faktoren, die das Ermessen der Staatsanwaltschaft beeinflussen, gehören die Schwere der Straftat, die Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten (z.B. psychische Probleme, Vorsatz oder vorherige Drohungen gegenüber dem Opfer), ihre Vorstrafen, die Umstände der Tat (einschließlich einer Vorgeschichte von Gewalt, Waffengebrauch und der Anwesenheit von Kindern) und die Frage, ob Angeklagte zum Zeitpunkt der Straftat minderjährig waren.


Die vorhergehenden Schritte können in die Anklageerhebung münden. Wenn Ermittlungen unzureichend sind, kann eine angemessene Verurteilung verhindert und das Vertrauen des Opfers in das Justizsystem untergraben werden.

Staatsanwälte sollten dementsprechend sicherstellen, dass die Anklage:

  • die Schwere der Straftat widerspiegelt,
  • auf ein angemessenes Strafmaß und entsprechende Auflagen abzielen,
  • den Fall klar darstellt,
  • die Auswirkungen auf das Opfer widerspiegelt.
Sozial- und Hilfsleistungen

Sozialleistungen und Unterstützungsangebote durch Opferschutzorganisationen können Opfer während der Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen zu Seite stehen. Diese Unterstützung muss nicht rechtlicher Natur sein. Stattdessen konzentrieren sich diese Leistungen oft darauf, die Opfer emotional auf das Gericht vorzubereiten, sie während des Verfahrens zu begleiten und praktische Hilfe anzubieten. Opfer, die solche Unterstützungsleistungen annehmen, tendieren eher dazu Anzeige zu erstatten, auszusagen und zum Verfahren beizutragen.


Während des gesamten Verfahrens, egal ob bei Ermittlungen und Gerichtsverhandlungen, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um Opfer zu schützen und ihre Teilhaben bzw. Aussage einfach zu gestalten. Auf diese Weise können Gerichtsverfahren potenziell zur Heilung und Stärkung der Opfer beitragen, anstattsie weiter zu traumatisieren.

Richter:innen

Während des Gerichtsverfahrens spielen Richter:innen eine zentrale Rolle wenn es um den Schutz der Identität und Privatsphäre der Opfer geht. Sie können die Bekanntgabe der Identität des Opfers gegenüber Dritten verbieten und sicherstellen, dass vertrauliche Informationen aus öffentlichen Aufzeichnungen und Medien ferngehalten werden. Richter:innen können auch Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit ermöglichen, bei denen Teile oder die Gesamtheit des Verfahrens, wie z.B. die Aussagen der Opfer, ohne Anwesenheit der Öffentlichkeit durchgeführt werden. Darüber hinaus können Richter:innen bei Bedarf Pausen einlegen, um dem Wohlergehen und den Bedürfnissen aller am Verfahren beteiligten Parteien Rechnung zu tragen.

Opfer

Während eines Gerichtsverfahrens können verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz des Opfers ergriffen werden. Dazu kann gehören, dass Opfer zum Schutz der Identität Pseudonyme verwenden dürfen, und dass sie aussagen können, ohne persönlich im Saal anwesend zu sein. Besondere Schutzmaßnahmen sollten bei minderjährigen Opfern/Zeug:innen Anwendung finden. Damit soll sichergestellt werden, dass das Verfahren im besten Interesse der Kinder ist. Rechtsbeistand und Dolmetscher:innen sollten zur Verfügung stehen, um Opfer bei der Bewältigung des Gerichtsverfahrens zu unterstützen. Darüber hinaus können Hilfsangebote, Therapeut:innen und NGOs Opfer während des gesamten Gerichtsverfahrens unterstützen.

Anwält:innen

Anwält:innen sollten sich bei der Befragung von Opfern in Gerichtsverfahren an bestimmte Richtlinien halten. Dazu gehört beispielsweise das Verbot von Fragen zur sexuellen Vorgeschichte und zum Sexualverhalten, solange diese nicht für den Fall relevant sind. Es ist wichtig, während der Befragung Schuldzuweisungen an das Opfer zu vermeiden. Dasselbe gilt auch für eine unangemessene Sprache. Auch die Häufigkeit, Art und Dauer des Verhörs sollten soweit möglich begrenzt werden. Außerdem sollten die Anwält:innen dafür sorgen, dass die Opfer so wenig wie möglich gezwungen sind wiederholt auszusagen.

Täter:innen

Hinsichtlich der Rolle der Täter:innen in Gerichtsverfahren, können verschiedene Schutzmaßnahmen für Opfer umgesetzt werden. Dazu gehören der Einsatz von Prozessbegleiter:innen zur Erleichterung von Zeugenvernehmungen, Maßnahmen zur Verhinderung des Kontakts zwischen Opfern und Täter:innen, wie die Bereitstellung getrennter Wartebereiche, Begleitpersonen und getrennte Ein- und Ausgänge, sowie die Möglichkeit für Zeug:innen, in Abwesenheit des:r Täter:in auszusagen, beispielsweise mithilfe geeigneter Technologien wie Videoaufnahmen.

Sachverständige

Sachverständige können dem Gericht wichtige Informationen liefern (z.B. über die Dynamik häuslicher Gewalt und das Verhalten der Opfer) und bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Aussagen unterstützen. Die Informationen der Sachverständigen können das Risiko verringern, dass sich Richter:innen aufgrund von Missverständnissen und Vorurteilen eine voreingenommene Meinung bilden. Sie können so zur einer fundierten Entscheidungsfindung beitragen.


Sowohl Opfer als auch Angeklagte haben das Recht auf ein Verfahren ohne unangemessene Verzögerungen.

Verzögerungen

Verzögerungen bei Gerichtsverfahren wegen häuslicher Gewalt können das Risiko einer Rache an Opfern erhöhen, insbesondere wenn sich Täter:innen nicht in Untersuchungshaft befinden. Sie können auch die Verunsicherung und Angst der Opfer hinsichtlich des Prozessausgangs erhöhen. Eine sofortige Reaktion ist wichtig, um Opfer zu schützen und weitere Straftaten zu verhindern. Opfer sollten jedoch nicht durch ein rasches Verfahren das Gefühl bekommen, dass sie nicht ernst genommen werden. Auch sollte darauf geachtet werde, dass das Verfahren Opfer nicht so sehr belastet, dass diese ihre Anzeige zurückziehen.

Verjährungsfristen

Die Berücksichtigung von Verjährungsfristen bei Fällen häuslicher Gewalt ist wichtig, insbesondere wenn Opfer erst nach längerer Zeit eine Anzeige tätigen. Wenn Fristen kurz vor dem Ablaufen sind, sollten Strafverfolgungsbehörden besonders schnell handeln. Im Allgemeinen sollten Verjährungsfristen angemessen sein und die Schwere der Straftat berücksichtigen.


Richter:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Reaktion des Justizsystems auf häusliche Gewalt, da sie in der Regel die letzte Instanz in Zivil- und Strafsachen sind. Ihre Entscheidungen haben Auswirkungen auf Opfer, Täter:innen, sowie deren Kinder. Sie können Verfahrensweisen und -abläufe im Gerichtssaal festlegen, um eine sichere Umgebung für Opfer zu schaffen und ihren Zugang zur Justiz zu verbessern. Das können sie indem sie:

  • die Dynamik häuslicher Gewalt, die Risiken für die Opfer und deren Kinder, sowie die Formen der Gewalt verstehen;
  • Opfer mit Respekt, Mitgefühl, Würde und Sensibilität behandeln, auch wenn diese nicht anwesend sind;
  • die Sicherheit von Opfern und Kindern auf allen Ebenen und zu jeder Zeit berücksichtigen;
  • alle verfügbaren Mitteln nutzen, um Opfern Sicherheit und Unterstützung zu bieten;
  • die Bedürfnisse der Opfer und die spezifischen Umstände jedes Falls berücksichtigen;
  • sich Zeit nehmen um das Verfahren und insbesondere die verschiedenen Phasen des Prozesses, für die Opfer verständlich zu erklären.

Bei Fällen häuslicher Gewalt ist das richterliche Ermessen aufgrund der komplexen Dynamik der Gewalt, die rechtlich nicht ganz adressiert werden kann, von großer Bedeutung. Allerdings werden Gerichtsentscheidungen von den Überzeugungen und Auffassung der Richter:innen in Bezug auf häusliche Gewalt beeinflusst. Missverständnisse können die Sicherheit der Opfer und die Verantwortlichkeit der Täter:innen untergraben. Vorurteile vor Gericht, wo Entscheidungen eher auf Überzeugungen als auf sachlichen Beweisen beruhen, können den Zugang der Opfer zur Justiz erheblich beeinträchtigen.

Gerichtliche Neutralität und Unparteilichkeit sind für ein faires Verfahren und den Zugang zur Justiz von grundlegender Bedeutung. Obwohl vollständige Neutralität unmöglich ist, müssen Richter:innen versuchen sich auf die Fakten und Beweise der Fälle zu konzentrieren. Dabei muss Abstand von eigenen Überzeugungen und Meinungen genommen werden. Die Auseinandersetzung mit diesen kann Richter:innen dabei helfen, Neutralität und Unparteilichkeit zu wahren.


Das Hauptziel der Verurteilung besteht darin, die Gewalt zu stoppen, das Opfer zu schützen, Täter:innen für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen und allgemein abschreckend zu wirken.

Die folgenden Anforderungen an die Verurteilung sollten berücksichtigt werden:

  • Informationen: Verfügen Sie über alle erforderlichen Informationen, um eine Verurteilung vorzunehmen?
  • Risikobewertung: Haben Sie die Gefährlichkeit der Täter:in berücksichtigt?
  • Aussage des Opfers: Haben Sie das Opfer zum Zeitpunkt der Verurteilung angehört?
  • Weitere Faktoren: Haben Sie Faktoren wie die Art und Schwere der Straftat, die Vorgeschichte der Gewalt, frühere Rehabilitationsbemühungen, den Charakter der Angeklagten und den aktuellen Rehabilitationsbedarf, sowie das allgemeine Interesse an Schutz und Bestrafung berücksichtigt?

Straftaten sollten effektiv, angemessen und abschreckend mit Sanktionen geahndet werden. Dabei ist auf die Schwere der Tat zu achten. Sanktionen können zu Freiheitsstrafen und möglicherweise zu einer Auslieferung des:r Täter:in führen. Andere Maßnahmen, wie die Überwachung oder Beaufsichtigung verurteilter Personen und der Entzug des Sorgerechts (unter Berücksichtigung des Kindeswohls), können ergriffen werden. Kontakt zu gewaltätigen Elternteilen kann sich nicht nur negativ auf die Kinder auswirken, sondern auch ein Risiko für Opfer darstellen. Kinder können ein Mittel sein um Täter:innen Kontakt zu ermöglichen, desweiteren sind Besuchsrechte möglicherweise nicht mit einer bestehenden einstweiligen Verfügung oder einem Kontaktverbot vereinbar. Im Rahmen der Verurteilung können Täter:innen dazu verpflichtet werden, an Gewaltpräventionsprogrammen teilzunehmen. Diese können darauf abzielen, Täter:innen zu rehabilitieren und ihr Verhalten zu verbessern. Das kann insbesondere in Bezug auf ihr Verhalten gegenüber ihren Kinder stehen. Solche Programme können entscheidend dafür sein, ob und unter welchen Bedingungen der Kontakt mit Kindern sicher und angemessen ist. Sie können dabei als Teil der Schutzmaßnahmen für das Opfer und dem Wohlergehen der Kinder fungieren.

Erschwerende Umstände

Richter:innen sollten bei der Festlegung der Strafe  auch erschwerende Umstände einer Straftat gemäß geltender Gesetzesbestimmungen berücksichtigen.

Es gibt eine Reihe von Situationen, die bei Fällen häuslicher Gewalt zu höheren Strafen führen können:

Täter:innen
  • Wiederholung von Straftaten
  • Amtsmissbrauch
  • Straftaten, die von zwei oder mehr zusammenarbeitenden Personen begangen werden
  • Straftaten, die unter Einsatz oder Androhung einer Waffe begangen werden
  • Straftaten, denen ein extremes Maß an Gewalt vorausgeht oder die von einem solchen begleitet werden
  • Der/Die Täter:in wurde bereits wegen einer ähnlichen Straftat verurteilt.
Opfer
  • Straftat gegen eine Person, die aufgrund besonderer Umstände schutzbedürftig ist
  • Straftat gegen oder in Anwesenheit eines Kindes
  • Straftat führte zu schweren körperlichen oder psychischen Schäden für das Opfer
Mildernde Umstände

Neben erschwerenden Umständen sollte auch auf mildernde Umstände geachtet werden. In vielen Rechtssystemen gilt ein Geständnis in Fällen häuslicher Gewalt als mildernder Umstand. Gerichte sollten jedoch die Reue der Täter:innen sorgfältig gegen die Schwere der Straftat abwägen.

Anstatt geäußerte Reue automatisch als mildernden Umstand zu betrachten, sollten Gerichte die Vorgeschichte der Gewalt und die Frage berücksichtigen, ob die Gewalt oder das aggressive Verhalten noch andauern. Wenn die Gewalt fortgesetzt wird, kann Reue als unehrliche Geste des:r Täter:in und nicht als zulässiger Milderungsgrund angesehen werden.


Rechtsmittel in Zivilverfahren sollen Opfern dabei helfen rechtlich gegen Täter:innen vorgehen zu können. Dazu gehören einstweilige Verfügungen, die Täter:innen davon abhalten sollen weiterhin Einfluss oder Gewalt auszuüben. Die nationale Gesetzgebung kann auch spezifischere Rechtsmittel wie Kontakt-, Annäherungs- oder Belästigungsverbote vorsehen, die insbesondere bei häuslicher Gewalt relevant sind. Diese ergänzen den Schutz von einstweiligen Verfügungen.

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Einstweilige Verfügung

Einstweilige Verfügungen sind ein wichtiges rechtliches Mittel, um weitere Gewalt zu verhindern und Opfer zu schützen. Diese Maßnahmen, die demselben Zweck dienen, können unter verschiedenen Namen bekannt sein, wie z.B. Unterlassungsanordnung, Räumungsanordnung, Schutzanordnung oder einstweilige Verfügung.

Einstweilige Verfügungen sollten:

  • für sofortigen Schutz sorgen und Opfer nicht finanziell oder administrativ belasten,
  • für einen bestimmten Zeitraum oder bis zu ihrer Änderung oder Aufhebung gelten,
  • bei Bedarf mit sofortiger Wirkung und ex parte erlassen werden,
  • unabhängig von oder zusätzlich zu anderen Gerichtsverfahren verfügbar sein,
  • in nachfolgenden Gerichtsverfahren eingeführt werden können.
Annäherungs- und Betretungsverbot

Annäherungs- und Betretungsverbote können ein effektives Schutzmittel sein, um Betroffene unmittelbar vor weiterer Gefahr zu schützen. Wenn Beamt:innen eine ernsthafte Gefahr für das Opfer sehen, dann können diese angesichts des Risikos von einer Wegweisung, bzw. einem Annäherungs- und Betretungsverbot, Gebrauch machen. Dabei Bedarf es nicht notwendigerweise eine Anhörung aller betroffenen Parteien. Ein solches Verbot gilt nur für zwei, bis maximal vier Wochen. Dieser kurzfristige Schutz kann aber bei Bedarf durch andere Rechtsmittel ausgebaut werden.

Die Abwägung für oder gegen eine Unterlassungsanordnung muss durch die unterschiedliche Gewichtung der gegensätzlichen Interessen bestimmt werden: Was würde passieren, wenn die Entscheidung gegen eine Unterlassungsanordnung falsch wäre? Und auf der anderen Seite: Was würde passieren, wenn die Entscheidung für eine Unterlassungsanordnung falsch wäre?

Anordnungen

Zivilrechtliche Anordnungen umfassen weitere Maßnahmen zum Schutz der Opfer vor Gewalt. So kann ein Richter beispielsweise den Zugang zu Waffen oder Drogen/Alkohol verbieten oder im Falle einer Zwangsheirat vom mutmaßlichen Täter verlangen, seinen Reisepass abzugeben.


Glaubwürdigkeit spielt vor Familiengerichten eine entscheidende Rolle, besonders in Fällen von häuslicher Gewalt. Es ist dementsprechend wichtig die zugrundeliegenden Dynamiken und die Risiken zu verstehen, die Entscheidungen mit sich bringen können.

Opfer von häuslicher Gewalt leiden oft unter einer schweren psychologischen Belastung. Das kann ein Urteil zugunsten der Täter:innen beinflussen, die möglicherweise besser geeignet wirken, um das Sorgerecht für das Kind zu übernehmen. Das kann auch dann geschehen, wenn das Kind selbst Zeug:in der Gewalt geworden ist. Richter:innen sollten sich dieser Dynamiken bewusst sein, da diese von Täter:innen ausgenutzt werden.

Desweiteren berufen sich Täter:innen oft darauf, dass Opfer absichtlich versuchen Kinder gegen sie auszuspielen bzw. diese zu entfremden. Das ist besonders bei Familiengerichten relevant. Richter:innen sollten dementsprechend auf Manipulationsversuche der Täter:innen achten. Das Zugestehen von Besuchsrechten kann für Opfer oft bedeuten, dass Täter:innen über die Kinder Kontrolle auf die Opfer ausüben können. Gerichtsverfahren müssen also drauft bedacht sein, dass die Kontrolle über das Leben der Opfer bei den Opfern liegt.

Häusliche Gewalt spitzt sich oft während der Trennung und Scheidung zu. Richter:innen haben also bei entsprechenden Fällen dafür Sorge zu tragen, dass Opfer der Gewalt nicht weiter ausgesetzt sind. Hier sollte überlegt werden, ob den Opfern durch Rechtsbeistand und schnellerer Verfahrensabwicklung geholfen werden kann.


Häusliche Gewalt ist bei der Regelung von Sorge- und Besuchsrechten ein wichtiger Faktor. Wenn von der Justiz die häusliche Gewalt bei Entscheidungen diesbezüglich ungenügend beachtet wird, können Opfer und betroffene Kinder weiterer Gefahr ausgesetzt sein. Sorge- und Besuchsrechte können von Täter:innen missbraucht werden, um weiterhin Gewalt auszuüben.

Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sind oft der letzte verbleibende Kontaktpunkt zwischen Täter:innen und Opfern. Für Opfer und ihre Kinder kann das Einhalten von Besuchsrechten eine große Gefahr darstellen. In solchen Fällen sollten Gerichte beaufsichtige Besuchszeiten in Erwägung ziehen, denen eine Vertretung des Jugendamts oder andere dritte Parteien beiwohnen.

Fallstudie: Häusliche Gewalt und Sorgerecht

Sophia war jahrelang ein Opfer von häuslicher Gewalt die von ihrem Ehemann Michael ausging. Michael ist schon länger gewalttätig. Er ist wegen mehrerer Gewaltdelikte und Betretungs- und Annäherungsverbote bei der Polizei aktenkundig. Sophia und Michael haben einen fünfjährigen Sohn – Ethan. Vor kurzem hat Sophia die Scheidung eingereicht und das alleinige Sorgerecht beantragt. Sie beruft sich dabei auf Michaels gewalttätige Vergangenheit.

Michael ersucht beim Familiengericht Besuchsrechte für Ethan. Sophia macht sich deswegen große Sorgen um Ethan und sich. Das Gericht hat nun zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen es Michael Besuchsrecht gewährt.

Beispiele

(1) Die Gerichte sollten für die Sicherheit von Sophia und Ethan sorgen. Angesichts Michaels gewalttätiger Vergangenheit, sollten Besuche nur unter Beaufsichtigung in Erwägung gezogen werden.

(2) Sophia sollte der Polizei eine Dokumentation der Gewalt, die Krankenakte zu Verletzungen, sowie Zeugenaussagen zur Gewalt überreichen.

(3) Das Gericht sollte Ethan eine Kinderpsycholog:in zur Verfügung stellen. Damit soll Ethans psychologische und emotionale Verfassung erhoben werden, angesichts der erlebten Gewalt und seines Alters.

(4) Besuchsrechte sollten in Fällen von häuslicher Gewalt nur mit Bedacht gestattet werden. In erster Linie muss die Sicherheit der Kinder gewährleistet werden. Gerichte sollten die Sicherheit den Besuchsrechten der Eltern vorziehen.

(5) Sophias Sorgen um Ethan und sich sollten von den Gerichten ernst genommen werden. Die Richter:in soll Sophia die Möglichkeit geben ihre Ängste vorzutragen, sowie Beweise für diese zu präsentieren.

(6) Hilfsleistungen, wie z.B. Schutzunterkünfte, Trauma- und Rechtsberatung, sollten Sophia und Ethan angeboten werden. Damit kann ihnen die Verarbeitung der häuslichen Gewalt und des resultierenden Gerichtsverfahrens erleichtert werden.


Opfer haben in Straf- und Zivilsachen die Möglichkeit Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld geltend zu machen. Damit sollen physische, psychologische und emotionale Konsequenzen der Straftat adressiert werden. Hierfür erwägen die Gerichte das Ausmaß des Schadens mit Bezug auf medizinische Beweise.

Die Haftung liegt in erster Linie bei Täter:innen. Zusätzlich dazu können aber auch stellenweise Versicherungsansprüche, sowie staatliche Hilfsgelder bezogen werden. Wo Täter:innen nicht bekannt oder zahlungsunfähig sind, könnten mit Bezug auf internationales Recht staatliche Zahlungen zugesprochen werden.


Mediation bzw. Täter-Opfer-Ausgleich in Strafsachen stehen Opfern je nach Gerichtsbarkeit zur Verfügung. Dieser erlauben es Opfern und Täter:innen die Straftat in einem strukturierten, begleiteten Konfliktlösungsprozess zu besprechen. Ziel des Prozesses ist es, dass Täter:innen so selbst Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und Opfer eine Möglichkeit zur Verarbeitung der Gewalt erhalten. Befürworter:innen argumentieren, dass v.a. bei Familienangelegenheiten Mediation es erlaubt Beziehungen innerhalb der Familie zu erhalten und die Traumatisierung der Kinder durch den Zerfall der Familie vorzubeugen.

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Mediation birgt aber auch folgende Risiken, die besonders bei häuslicher Gewalt zu beachten sind:

  • Mediation kann die Einstellung verstärken, dass häusliche Gewalt Privatsache ist.
  • Die Einwilligung der Opfer kann durch Druck oder die Angst vor einer Vernehmung vor Gericht erzwungen werden.
  • Eine Mediation kann ernsthafte Risiken für die Sicherheit der Opfer mit sich bringen.
  • Täter:innen könnten eine Mediation missbrauchen, um Opfer verstärkt einzuschüchtern.
  • Opfer könnten möglicherweise Entscheidungen in wichtigen Bereichen, wie Scheidung, Sorgerecht und Eigentum, zustimmen, die für sie von Nachteil sind.

Eine ausführliche Risikoeinschätzung muss stattfinden, bevor eine freiwillige Mediation in Erwägung gezogen werden kann.




  1. LKA / Landeskriminalamt Niedersachsen (Hrsg.). 2022. Bericht zu Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen: Sonderbericht zur Befragung zu Sicherheit und Kriminalität in Niedersachsen 2021. https://www.lka.polizei-nds.de/download/75823/Sondermodul_Gewalterfahrungen_in_Paarbeziehungen_2021.pdf ↩︎
  2. Habermann, Julia. 2023. Partnerinnentötungen und deren gerichtliche Sanktionierung. Eine vergleichende Urteilsanalyse zu Partnerinnentötungen als Form des Femizids. Wiesbaden, GER: Springer VS. ↩︎
  3. A Woman’s Place. 2020. Barriers to Leaving. https://www.awpdv.org/barriers-to-leaving.html ↩︎
  4. European Union Agency for Fundamental Rights (FRA). 2014. Violence against women: an EU-wide survey. Main results report. https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2014-vaw-survey-main-results-apr14_en.pdf ↩︎
  5. A Woman’s Place. 2020. Barriers to Leaving. https://www.awpdv.org/barriers-to-leaving.html ↩︎
  6. European Institute for Gender Equality (EIGE). 2016. Vulnerable groups. https://eige.europa.eu/publications-resources/thesaurus/terms/1453 ↩︎
  7. European Institute for Gender Equality (EIGE). 2016. Multiple discrimination. https://eige.europa.eu/publications-resources/thesaurus/terms/1069 ↩︎
  8. European Institute for Gender Equality (EIGE). 2016. Intersectional discrimination. https://eige.europa.eu/publications-resources/thesaurus/terms/1395 ↩︎
  9. Khan, A. S., Bashir, S. & Khan, F. S. 2023. Domestic Violence: The Psychological and Legal Factors That Affect Reporting, Prosecution, and Sentencing. Sir Syed Journal of Education & Social Research (SJESR) 6(1):139-146. https://www.researchgate.net/publication/369724452_Domestic_Violence_The_Psychological_and_Legal_Factors_That_Affect_Reporting_Prosecution_and_Sentencing ↩︎
  10. European Institute for Gender Equality (EIGE). 2016. Secondary victimisation. https://eige.europa.eu/publications-resources/thesaurus/terms/1248 ↩︎
  11. Council of Europe (CoE). 2017. Human Rights Education for Legal Professionals (HELP). Violence Against Women and Domestic Violence. Criminal Justice Response I: Investigation and Pre-trial. https://help.elearning.ext.coe.int/enrol/index.php?id=2112 ↩︎
  12. Council of Europe (CoE). 2017. Human Rights Education for Legal Professionals (HELP). Violence Against Women and Domestic Violence. Criminal Justice Response I: Investigation and Pre-trial. https://help.elearning.ext.coe.int/enrol/index.php?id=2112 ↩︎
  13. Council of Europe (CoE). 2017. Human Rights Education for Legal Professionals (HELP). Violence Against Women and Domestic Violence. Criminal Justice Response II: Trial and Sentencing. https://help.elearning.ext.coe.int/enrol/index.php?id=2112 ↩︎
  14. Council of Europe (CoE). 2017. Human Rights Education for Legal Professionals (HELP). Violence Against Women and Domestic Violence. Criminal Justice Response II: Trial and Sentencing. Civil Justice Response. https://help.elearning.ext.coe.int/enrol/index.php?id=2112 ↩︎
  15. Council of Europe (CoE). 2017. Human Rights Education for Legal Professionals (HELP). Violence Against Women and Domestic Violence. Alternative Dispute Resolution. https://help.elearning.ext.coe.int/enrol/index.php?id=2112 ↩︎