Modul 7: Prinzipien organisationsübergreifender Zusammenarbeit bei Fällen häuslicher Gewalt

  1. Organisationsübergreifende-Zusammenarbeit
  2. Zusammenarbeit zwischen Behörden – Fokus auf den Gesundheitssektor
  3. Strafverfahren in Fällen von häuslicher Gewalt
  4. Strafverfahren bei häuslicher Gewalt in Deutschland

Quellen

Lernziele

+ Verstehen der Arbeitsweise von Ersthelfer:innen, insbesondere im medizinischen Bereich.

+ Erkennen, warum die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams im Fall von häuslicher Gewalt ausschlaggebend ist.

+ Wissen über den Ablauf von polizeilichen Ermittlungen und Strafverfahren bei häuslicher Gewalt


Dieses Video erklärt, weshalb die Zusammenarbeit in Fällen häuslicher Gewalt von besonderer Bedeutung ist.

1. Organisationsübergreifende Zusammenarbeit1

Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mehrerer Einrichtungen ist die wirksamste Art und Weise, auf operativer und strategischer Ebene auf häusliche Gewalt zu reagieren. Aus- und Fortbildung sowie organisatorische Unterstützung und Supervision sind unerlässlich.

Häusliche Gewalt hat schädliche Auswirkungen auf Einzelpersonen, Familien und Beziehungen. Häusliche Gewalt beeinträchtigt Gesundheit und Wohlbefinden von Erwachsenen und Kindern – unabhängig davon, ob sie häusliche Gewalt beobachten oder selbst davon betroffen sind. Sie macht weitere Gesundheits- und Sozialdienstleistungen erforderlich. Alle diese Organisationen und Behörden behandeln die gleichen Probleme auf unterschiedliche Weise, mit verschiedenen Maßnahmen und Ergebnissen.

Eine zentrale Aufgabe medizinischer Fachkräfte ist die gerichtsverwertbare Dokumentation von Verletzungen als Folge von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt. Diese Dokumentationen sind für eventuelle Gerichtsverfahren von unschätzbarem Wert.


2. Zusammenarbeit zwischen Behörden – Fokus auf den Gesundheitssektor

Dieses Video wurde zu Trainingszwecken erstellt und zeigt auf, wie die Kooperation verschiedener Professionen aussehen könnte. Das Video wurde zur Nutzung in verschiedenen europäischen Ländern erstellt. Daher sind im Detail länderspezifische Abweichungen möglich. Für Deutschland möchten wir darauf hinweisen, dass zivilrechtliche Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz/einstweilige Verfügungen durch die Betroffenen selbst oder deren Anwält:innen beim Familiengericht zu stellen sind.
Fallstudie: Auswirkung von häuslicher Gewalt auf Kinder

Gabby heiratete nach einer langen Beziehung Nick und zog kurz darauf auf den Bauernhof ihres Mannes. Das Paar war auf dem Bauernhof glücklich und bald bekamen sie das erste Kind. Während der Schwangerschaft begann sich Nicks Verhalten zu verändern, und als die Tochter der beiden geboren wurde, fühlte sich die Beziehung nicht mehr an wie zuvor. Nick wirkte zurückgezogen und verbrachte viel Zeit allein. Er begann, Gabby an Nicks Vater zu erinnern, der Nick gegenüber immer sehr streng gewesen war.

Nicks Verhalten wurde bedrohlich und kontrollierend, insbesondere in Bezug auf Geld und soziale Kontakte. Er wurde bei Auseinandersetzungen zunehmend aggressiv, schrie oft und warf Gegenstände durch den Raum. Gabby dachte, da er sie nicht körperlich verletze, handle es sich nicht um Gewalt. Nick zeigte kein großes Interesse an der Tochter Jane – außer in der Öffentlichkeit, wo er ein vernarrter und liebevoller Vater zu sein schien.

Jane war im Allgemeinen ein wohlerzogenes Kind, aber Gabby stellte fest, dass sie sie nicht allein bei jemand anderem lassen konnte. Dann weinte Jane und verzweifelte sichtlich. Das war für Gabby belastend und bedeutete auch, dass ihre sozialen Aktivitäten weiter eingeschränkt wurden. Jane brauchte lange Zeit, um zu krabbeln, zu gehen und zu sprechen. Ihr Schlafmuster war unregelmäßig und Gabby schlief nachts oft nicht durch, selbst als Jane über 12 Monate alt war. Als Jane zu sprechen begann, entwickelte sie ein Stottern, das ihre Sprachentwicklung weiter behinderte. Gabby machte sich große Sorgen um Jane. Ihr Hausarzt sagte ihr, dass das passieren könne und normal sei und dass sie, wenn die Sprachprobleme fortbestünden, Jane jederzeit zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Spezialisten schicken könne.

Nach einigen Jahren wurde Nicks Verhalten für Gabby inakzeptabel. Während der Auseinandersetzungen nahm er nun oft das Gewehr, das er für die Jagd gekauft hatte, in die Hand. Gabby empfand dies als sehr bedrohlich. Immer häufiger wurde Gabby von Gegenständen, die Nick warf, getroffen. Sie hatte zunehmend Angst um ihre Tochter. Gabby beschloss, Nick zu verlassen und wandte sich an das Gewaltschutzzentrum. In Begleitung einer der Beraterinnen erstattete sie Anzeige bei der Polizei, die ein Betretungs- und Annäherungsverbot gegen Nick verhängte.

Als Jane keinen Kontakt mehr zu Nick hatte, änderte sich ihr Verhalten. Janes Entwicklung schien sich zu beschleunigen, und Gabby konnte zuerst nicht verstehen, warum. Bei einer Familienberatungsstelle erörterte sie dieses Thema. Ihre Beraterin erklärte, dass die Entwicklungsverzögerung, das Stottern und die Trennungsangst bei Jane daher gerührt hätten, dass sie in einer Gewaltsituation gelebt hatte.

Zu den zahlreichen Fachleuten und Einrichtungen, die für die Unterstützung von Betroffenen von häuslicher Gewalt von Bedeutung sein können, gehören unter anderem – aber nicht ausschließlich – Polizei, Gewaltschutzzentren, praktische und Fachärzt:innen, Kinder- und Jugendhilfe, psychosoziale Dienste, Opferschutzeinrichtungen für Betroffene von sexueller Gewalt, Sozialämter, Einrichtungen für Drogenmissbrauch, , Wohnberatungen/Wohnungsämter.

Adaptiert nach einer Fallstudie aus RACGP (2014): Abuse and Violence: Working with our patients in general practice

Aufgaben des Gesundheitssektors in Gewaltschutzsystems

(1) Angehörige von Gesundheitsberufen sind häufig die erste Anlaufstelle für betroffene von häuslicher Gewalt. Ihre Reaktionen und Handlungen können Betroffene helfen die ersten Schritte zu setzen, um den Kreislauf der Gewalt zu beenden.
(2) Medizinische Fachkräfte sind die einzige Berufsgruppe, die eine systematische gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen durch häusliche und/oder sexuelle Gewalt leisten kann. Das Vorhandensein einer solchen Dokumentation kann den Unterschied zwischen Strafverfolgung und Einstellung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen ausmachen. Die Schulung aller Mitarbeiter:innen in gerichtsfester Dokumentation ist daher von großer Bedeutung.

Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass eine Anzeige nicht vorschnell und nicht ohne vorhergehende Beratung der Betroffenen durch Gewaltschutz-Spezialist:innen eingebracht werden sollte. In der Praxis führen die meisten Anzeigen nicht zu Strafverfolgung bzw. Verurteilungen, sondern zur Einstellung des Verfahrens und können zudem nicht-intendierte Folgen – z.B. Re-Traumatisierung – nach sich ziehen. Betroffene müssen darüber Bescheid wissen, um eine informierte Entscheidung treffen zu können.

Allgemeine Empfehlungen:

  • Haben Sie Informationsmaterial und/oder Flyer von regionalen Einrichtungen parat, aber auch z. B. Poster mit nationalen Notfall-Nummern können in Ihrer Einrichtung ausgelegt bzw. aufgehängt werden. Das Anbringen solcher Informationen in Toilettenräumen hat sich häufig bewährt.
  • Bedenken Sie: Es ist völlig ausreichend ein oder zwei Ansprechpersonen zu haben, die sie bei häuslicher Gewalt zuziehen können und die den Prozess weiter begleiten. Wenn z.B. die Betroffene einer Beratung durch eine Beratungsstelle zustimmt, können die Berater:innen eine professionelle Risikoeinschätzung durchführen und – mit informierter Zustimmung – den Kontakt zur Polizei herstellen.

Aufgaben zum Weiterdenken

(1) Welche spezialisierten Einrichtungen zur Beratung und Unterstützung von Betroffenen von häuslicher Gewalt gibt es in Ihrer Umgebung? Wer sind mögliche Ansprechpersonen z.B. bei der Polizei oder in Beratungseinrichtungen? Gibt es spezialisierte Einrichtungen für unterschiedliche Betroffene von häuslicher Gewalt (z.B. für Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, für Frauen/Männer)? Recherchieren Sie Adressen und Telefonnummern der relevantesten Organisationen in Ihrer Nähe!

(2) Identifizieren Sie eine Ansprechstelle – eine Person oder Organisation – die im Bedarfsfall als Ihre erste Anlaufstelle dienen und Sie innerhalb des Gewaltschutzsystems weitervermitteln kann. Stellen Sie einen ersten Kontakt zu dieser Person oder Organisation her.


3. Strafverfahren in Fällen von häuslicher Gewalt

Strafverfahren bei häuslicher Gewalt werden mehrere wesentliche Schritte unternommen, um ein faires Verfahren zu gewährleisten.

  • Häusliche Gewalt tritt auf: Das Verfahren beginnt in der Regel mit einem Vorfall von häuslicher Gewalt im häuslichen oder familiären Umfeld oder in einer (früheren) Beziehung. Dabei kann es sich um verschiedene Formen von Gewalt handeln, darunter körperliche, psychische, sexuelle, digitale oder finanzielle.
  • Anzeige: Die Anzeige des Vorfalls erfolgt häufig durch die von häuslicher Gewalt betroffene Person oder eine betroffene Partei und dient als formale Einleitung des rechtlichen Verfahrens. Eine Anzeige zu erstatten, kann für die Betroffenen eine schwierige Entscheidung sein, und die Entscheidung keine Anzeige zu erstatten, sollte respektiert werden. Die Anzeige der Gewalt kann jedoch ein wichtiger Schritt sein, um Hilfe zu erhalten und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. In einigen europäischen Ländern, z. B. in Frankreich, werden die polizeilichen Ermittlungen auch dann fortgesetzt, wenn der oder die Betroffene keine Anzeige erstatten möchte.
  • Dokumentation: Bei der Dokumentation werden Aussagen der betroffenen Person, von Zeugen und des mutmaßlichen Täters oder Täterin gesammelt. Zusätzlich zu den mündlichen Aussagen können die Beamten:innen auch physische Beweise wie Fotos von Verletzungen sammeln und alle relevanten Dokumente oder Gegenstände sicherstellen, die vor Gericht als Beweismittel verwendet werden könnten.
  • Unterstützung: Gleichzeitig wird der von Gewalt betroffenen Person sofortige Unterstützung und Schutz angeboten. Dies kann die medizinische Versorgung von Verletzungen, Beratungsdienste oder Schutzräume umfassen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Sozialarbeiter oder Hilfsorganisationen können eingeschaltet werden, um die emotionalen und praktischen Bedürfnisse der betroffenen Person in dieser schwierigen Zeit zu erfüllen.
  • Untersuchung: Eine entscheidende Phase des Verfahrens ist die Ermittlungsphase. Die Strafverfolgungsbehörden führen eine gründliche Untersuchung des Falles durch, mit dem Ziel, eine umfassende Akte anzulegen. Dazu gehört die Sammlung zusätzlicher Beweise, die Befragung von Zeugen und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit aller beteiligten Parteien. Ziel ist es, festzustellen, ob genügend Beweise vorliegen, um eine Strafanzeige gegen den mutmaßlichen Täter/die mutmaßliche Täterin zu unterstützen.
  • Strafverfolgung: Wenn die Ermittlungen genügend Beweise ergeben, wird der Fall schließlich an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall und entscheidet, ob sie Anklage gegen den mutmaßlichen Täter/die mutmaßliche Täterin erhebt. Wenn Anklage erhoben wird, wird das Verfahren fortgesetzt. Dies kann Gerichtsverhandlungen, Gerichtsverfahren und mögliche Strafen für die Beschuldigten beinhalten, um Gerechtigkeit zu gewährleisten, die betroffene Person zu schützen und die Täter:innen für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen.

Die folgende Abbildung zeigt die einzelnen Schritte des Strafverfahrens bei häuslicher Gewalt und erklärt, wie sie zusammenhängen. Bitte klicken Sie auf die blauen Kreise, um mehr Informationen zu den einzelnen Schritten zu erhalten. In der Abbildung der Schritte: Klicken Sie bitte auf das Kreuz im entsprechenden Kreis, um mehr Informationen zu erhalten.


4. Strafverfahren bei häuslicher Gewalt in Deutschland

In Deutschland können sich die Betroffenen von häuslicher Gewalt an die Polizei wenden. Die Notrufnummer für die Kontaktaufnahme mit den Strafverfolgungsbehörden lautet 110.

  • Wenn die Polizei durch einen Notruf gerufen wurde, begibt sich ein Team des Streifendiensts zum Einsatzort. Häufig wissen die Beamt:innen nicht genau, was sie erwartet und auf welche Situation sie vor Ort treffen werden (bspw. ob durch einen Aggressor, eventuell zusätzlich unter Alkoholeinfluss, weiterhin akute Gefahr für beteiligte Personen oder auch sie selbst besteht).
  • Vor Ort ist es das Ziel des Einsatzes, die Situation zu erfassen und möglichst die Sicherheit aller Beteiligten wiederherzustellen. Dies kann teilweise dadurch erschwert werden, dass bspw. Nachbar:innen die Polizei verständigt haben, die Personen aus der betroffenen Wohnung der Polizei allerdings den Zutritt verwehren können. Es ist Aufgabe der Polizei, in jeder Konstellation die Gefahr einzuschätzen und die Sicherheit der Beteiligten zu gewährleisten. Ebenfalls sind die Beamt:innen gesetzlich verpflichtet, das Opfer über seine Rechte aufzuklären. Hierzu können Sprachmittlung und Unterlagen genutzt werden. Da sowohl die Gefahrensituation als auch der Polizeieinsatz einen stressvollen Moment für Betroffene darstellt, gestaltet sich dieses Informationsgebot häufig sehr herausfordernd.
  • Vor Ort ist es für die Gewaltbetroffenen möglich, Strafanzeige zu erstatten. Sobald dies geschehen ist, ist die Polizei verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen und Beweise zu sichern. Eine Anzeige kann auch im Nachgang erfolgen.
  • Im Jahr 2001 wurde das Gewaltschutzgesetz eingeführt, welches sich mit dem Opferschutz, dem Umgang mit dem Täter/der Täterin und der damit einhergehenden Polizeiarbeit befasst. Zusätzlich wurde 2021 eine deutschlandweite Definition von häuslicher Gewalt in das Gewaltschutzgesetz aufgenommen, sodass alle Bundesländer den gleichen Rahmen für lokale Gesetze zu häuslicher Gewalt verwenden können. Diese Definition ist jedoch noch nicht zwangsläufig in den einzelnen Landesgesetzen umgesetzt.
  • Es ist wichtig zu wissen, dass die Strafverfolgung in Deutschland in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, was bedeutet, dass das Verfahren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein kann. In einigen Bundesländern wird die Räumung des Täters/der Täterin nicht unbedingt von den Verwaltungsgerichten, sondern eher von den örtlichen Polizeibehörden oder den kommunalen Ordnungsämtern durchgeführt, z.B. in Baden-Württemberg. Es ist daher ratsam, sich mit einer lokalen Polizeibehörde in Verbindung zu setzen, um eine Ansprechperson im Falle des Bedarfs zu haben. In vielen Bundesländern gibt es sog. Interventionsstellen für häusliche Gewalt, in denen polizeiliche Sachbearbeitende in Opferschutzfragen arbeiten. Sich ein interdisziplinäres Netzwerk aufzubauen kann helfen, betroffenen Personen schnell die passende Unterstützung anzubieten.

  • In akuten Gefahrensituationen ist die Polizei befugt, eine einstweilige Verfügung zu erlassen, die die Entfernung des Täters/der Täterin aus der Wohnung in der akuten Situation und ein Rückkehrverbot für bis zu zehn Tage beinhaltet. Außerdem kann die Polizei ein Kontaktverbot sowie ein Annäherungsverbot aussprechen. Täter:innen, die gegen eine dieser Schutzmaßnahmen verstoßen, können mit einer Geldstrafe belegt werden.
  • Je nach Region und/oder Polizeidienststelle verteilt die Polizei Flyer (oder auch: Opferschutzblatt) an Betroffene, die Kontaktdaten von relevanten Akteuren der Unterstützungssysteme enthalten, wie z. B. das bundesweite Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen (116 016), Beratungsstellen und Kontaktpersonen für Frauenhäuser. Viele Polizeidienststellen in Deutschland arbeiten mit Opferhilfsdiensten zusammen und fragen die gewaltbetroffene Person ob eine Beratungsstelle proaktiv Kontakt zu ihnen aufnehmen kann, um z.B. Unterstützung bei der Strafanzeige und dem anschließenden Verfahren anzubieten. Die Kosten der Unterbringung in den Frauenhäusern werden für viele Frauen und ihre Kinder über den Bezug von Sozialleistungen gedeckt. Frauen, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, müssen die Kosten selbst tragen.

Das folgende Video zeigt, wie eine Mitarbeiterin eines Opferhilfsdienstes nach einem Polizeieinsatz Kontakt mit der betroffenen Frau aufnimmt:

In dem folgenden Aufklärungsfilm des WEISSEN RINGS wird erklärt, wie der WEISSE RING Betroffenen hilft, wenn diese einen Täter oder eine Täterin verlassen wollen. Der WEISSE RING unterstützt zudem zahlreiche Personen, die unter sexualisierter Gewalt gelitten haben oder leiden.


  • Sobald die Polizei über eine Straftat informiert wird, ist sie zur Strafverfolgung verpflichtet. Wenn die betroffenen Personen über die Straftat schweigen und nicht aussagen wollen, nimmt die Polizei den Fall auf und stellt ihn ein, wenn die Straftat nicht schwerwiegend genug ist oder wenn keine weiteren Beweise vorliegen. Er kann wieder aufgenommen werden, wenn neue Vorfälle auftreten.
  • Wenn Kinder Zeugen oder selbst von häuslicher Gewalt betroffen sind, meldet die Polizei den Vorfall in jedem Fall dem Jugendamt. Jede mögliche Schädigung eines Kindes oder eines Jugendlichen wird hierbei als relevant angesehen. Das Jugendamt bietet Eltern und Kindern (rechtliche) Unterstützung, setzt sich für den Kinderschutz ein und hat durch seine Entscheidungsbefugnis eine „Schutzfunktion“ inne. Ihm obliegt die Entscheidung über das weitere Vorgehen zum Wohlergehen des Kindes.
  • In vielen deutschen Städten gibt es die Möglichkeit, Verletzungen oder andere Anzeichen von Gewalt durch medizinisches Fachpersonal dokumentieren zu lassen. Dieser Service ist kostenlos und soll die Hemmschwelle senken, Fälle von häuslicher Gewalt anzuzeigen. Wenn die betroffene Person beschließt, Strafanzeige zu erstatten, können diese Beweise verwendet werden. Das medizinische Personal ist rechtlich nicht befugt, ohne die Zustimmung der gewaltbetroffenen Person Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben.
  • Fälle häuslicher Gewalt, die in Deutschland nicht die Kriterien für eine Strafverfolgung erfüllen oder bei denen betroffene Personen keine Strafanzeige erstatten, werden in der Regel als Verwaltungsangelegenheit behandelt. Dieses Verfahren umfasst in der Regel die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden und kann je nach Bundesland unterschiedlich sein. Der Täter/die Täterin hat das Recht, gegen den Verwaltungsakt Einspruch zu erheben oder ihn in Revision zu bringen. In diesen Fällen können sich weitere rechtliche Schritte und Verfahren anschließen.
  • Sobald eine gewaltbetroffene Person Anzeige erstattet hat und die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind, leitet die Polizei die Akte an die Staatsanwaltschaft weiter, die den Inhalt prüft und den Fall entweder einstellt oder zur Verhandlung an das Gericht weiterleitet. Die Betroffenen können auch direkt bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige erstatten, was jedoch kaum geschieht. Je nach individuellem Verlauf (oft aufgrund von Beweisen und der Schwere der Straftat) kann die Staatsanwaltschaft entweder einen Strafbefehl erlassen (ohne Verhandlung vor einem Gericht) oder Anklage erheben. Die Mehrzahl der zur Strafanzeige gebrachten Fälle häuslicher Gewalt werden wegen geringfügiger Beweislast oder fehlender Aussagebereitschaft von Opfer-Zeug:innen eingestellt.
  • Wenn die Kriterien für eine Strafverfolgung erfüllt sind, sind möglicherweise zwei Gerichte beteiligt: Fälle von Sorgerecht, Unterhalt und Vereinbarungen über gemeinsame Wohnungen werden vor dem Familiengericht verhandelt. Fälle von Gewalt zwischen zwei Partnern vor dem Strafgericht. In der Regel erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Täter oder die Täterin. In Fällen von schwerer Gewalt können die davon betroffenen Personen zusätzlich Anzeige erstatten. Dies ermöglicht eine aktive Rolle während des Gerichtsverfahrens.
  • Während des Gerichtsverfahrens haben Minderjährige und solche, die von schwerer Gewalt bedroht sind, ein Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung. In diesen Fällen begleitet dieser kostenlose Dienst die betroffenen Personen während des Prozesses, unterstützt sie und erklärt ihnen den Ablauf des Verfahrens. Auch andere Betroffene können diese Leistung beantragen oder gegen private Bezahlung in Anspruch nehmen. In der Regel sagen der Täter/die Täterin und die von Gewalt betroffene Person persönlich im Gerichtssaal aus, aber sie können beantragen, in einem separaten Raum oder per Video befragt zu werden. Migrant:innen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind und deren Aufenthaltsstatus an ihren Ehepartner:innen gebunden ist, können einen besonderen Härtefall im Aufenthaltsrecht beantragen.
  • Die Strafen für häusliche Gewalt variieren je nach Schwere der Straftat(en) zwischen Geld- und Freiheitsstrafen. Die Täter/die Täterin können dazu verurteilt werden, an Kursen teilzunehmen, um beispielsweise Selbstregulierungsfähigkeiten oder Konfliktlösungsstrategien zu erlernen. Zu berücksichtigen ist, dass alle Möglichkeiten der Täter:innenberatung und Intervention nur erfolgreich sein können, wenn die gewalttätige Person bereit ist, ihr (gewaltvolles) Beziehungsverhalten zu bearbeiten und zu ändern.

In dem folgenden Video wird gezeigt, wie man durch Einzel- und Gruppenberatung Männer dabei unterstützen kann, Gewalt zu überwinden:



Quellen

  1. https://www.improdova.eu/pdf/IMPRODOVA_D2.4_Gaps_and_Bridges_of_Intra-_and_Interagency_Cooperation.pdf?m=1585673383& ↩︎