Modul 3: Kommunikation mit Opfern in Fällen häuslicher Gewalt

Ersthilfe
Häufig auftretende Fragen und Antworten
Häusliche Gewalt in den Medien

Einführung ins Thema

Häusliche Gewalt stellt ein großes öffentliches Gesundheitsproblem dar, das negative Folgen für die Gesundheit von Menschen hat. Zusätzlich zu akuten Verletzungen ist häusliche Gewalt mit einem insgesamt schlechten Gesundheitszustand und einer hohen Rate von Krankenhausaufenthalten verbunden. Krankenschwestern, Hebammen, Ärzte und andere Mitarbeitende des Gesundheitswesens sind oft die ersten professionellen Ansprechpartner für Opfer häuslicher Gewalt. Die Opfer suchen oft Gesundheitsdienste auf, um ihre Verletzungen behandeln zu lassen, auch wenn sie den damit verbundenen Missbrauch oder die Gewalt nicht offenlegen. Sie betrachten die Gesundheitsdienstleister als diejenigen Fachleute, denen sie bei der Offenlegung des Missbrauchs am ehesten vertrauen würden. In Ermangelung eines klaren Folgeprotokolls bleiben die meisten Opfer allerdings ohne jegliche weitere Unterstützung.

Lernziele

In diesem Modul werden die verschiedenen Möglichkeiten vorgestellt, wie man in Situationen, in denen man das Vorliegen häuslicher Gewalt vermutet, danach fragen kann. Des Weiteren werden die Ersthilfe nach Offenlegung häuslicher Gewalt vorgestellt, und wie man über Opfer häuslicher Gewalt in den Medien berichten sollte.


IMPRODOVA: Wie man auf eine Offenlegung reagiert

Das Video veranschaulicht, wie man in Fällen häuslicher Gewalt auf eine Offenlegung reagieren sollte.


Fallstudie: Häusliche Gewalt kann psychische Probleme verursachen

Mary ist eine berufstätige Frau in den Vierzigern, die während ihrer (inzwischen beendeten) 23-jährigen Ehe erheblicher häuslicher Gewalt ausgesetzt war. Sie verließ ihren sie misshandelnden Partner, nachdem die Gewalt so eskaliert war, dass ihre Sicherheit ernsthaft bedroht war.

„Was mir half, meinen Partner zu verlassen, war der Zugang zu Informationsmaterial über häusliche Gewalt. Ich erinnere mich, dass ich mit einer kleinen Publikation in der Hand dasaß und eine Liste verschiedener Arten von Misshandlungen durchlas: emotionale, psychologische, soziale, finanzielle und körperliche Misshandlungen sowie eine Liste mit häufigen Verhaltensweisen in den jeweiligen Formen von Gewalt. Ich befand mich wie in einem Schockzustand, weil ich die meisten der Formen mit den entsprechenden Verhaltensweisen auf der Liste ankreuzen und als „mein Leben“ wiedererkennen konnte. In dem Buch wurde auch der „Kreislauf der Gewalt“ erörtert, und ich konnte mich eng mit den darin beschriebenen Mustern identifizieren. Ich hatte mich immer für eine intelligente, gebildete Person gehalten, aber der „Kreislauf der Gewalt“ hatte in meinem Leben so viel Unheil angerichtet, dass ich nicht in der Lage war zu sehen, dass vieles eingesetzt wurde, um mich zu kontrollieren, und dass das Leben mit dem damit verbundenen Stress mich zunehmend körperlich krank machte. Ich konnte mich nicht länger selbst belügen.“

Nachdem sich Mary ihrem Hausarzt und ihren Freunden anvertraut hatte und nach vielen Gesprächen änderte sich ihr innerer Dialog. Sie fand die Kraft, sich dem Gewaltmuster zu stellen, selbstbewusster und entschlossener zu werden, wenn es darum ging, ihre Lebensumstände zu ändern.

„Es dauerte lange, lange Zeit, bis ich die Hoffnung, den Traum, dass sich die Dinge ändern würden, aufgegeben hatte. Ich hatte eine Strategie entwickelt, um missbräuchliche Ereignisse so schnell wie möglich zu vergessen, um damit fertig zu werden und sie auszuhalten. Es war oft ein enormer Schock, wenn mein Hausarzt oder Freunde mich an ein Ereignis oder daran erinnerten, wie ich mich damals gefühlt hatte. Ich hatte verzweifelt versucht, mich an die guten Dinge und Freundlichkeiten zu erinnern, die immer auf die Episoden häuslicher Gewalt folgten.

Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, was an jenem Samstagabend der Auslöser war, aber er war sehr betrunken. Er hatte gerade den Job verloren, den er vor kurzem erst begonnen hatte. Ich saß stundenlang wie erstarrt vor Angst auf meinem Bett, während er mich anschrie, er wolle uns beide töten. Ich konnte nicht aus dem Haus gehen, aber ich schaffte es, mich in einem Schlafzimmer einzuschließen. Dort wartete ich, bis er am nächsten Tag aus dem Haus ging, bevor ich den Raum verließ. An diesem Tag ging ich zu meiner Mutter, um zu fragen, ob ich eine Weile bei ihr bleiben könnte. Aber sie hatte Angst. Ich ging nach Hause und schloss mich über Nacht wieder in meinem Zimmer ein. Am Montag fasste ich den Mut, zu meinem Hausarzt zu gehen und ihm von den Morddrohungen zu erzählen. Er riet mir, mich an die Polizei zu wenden, um Hilfe zu suchen. Die Polizei half mir dann, eine sichere Unterkunft zu finden. Ich ging nie wieder zurück nach Hause. Ich hatte nichts bei mir außer meiner Handtasche und der Kleidung, die ich trug.

In den ersten Wochen nach meiner Flucht aus dem Haus war ich sehr krank – sowohl körperlich als auch seelisch. Das Gefühl des Verlusts und der Trauer über das Leben, das ich in den letzten 23 Jahren gekannt hatte, war immens. Mein Zuhause, mein Garten, meine Haustiere und alles, was ich geschaffen hatte, befanden sich in diesem Haus. Ich konnte kaum funktionieren und brach Tag und Nacht ständig in Tränen aus – ich konnte es einfach nicht kontrollieren. Ich war extrem ängstlich. Ich konnte nicht essen; ich konnte nicht schlafen, ohne Alkohol zu trinken. Ich hatte das Gefühl, als würde ein elektrischer Strom durch meinen ganzen Körper vibrieren. Ich wollte einfach, dass alles aufhörte. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass der heftige emotionale Aufruhr und die schmerzhaften körperlichen Symptome verschwinden würden, wenn ich wieder nach Hause ginge. Das war nicht das, was ich wollte, oder wie ich wollte, dass mein Leben verlief. Es war die schrecklichste und schmerzhafteste Zeit meines Lebens. Ich war unglaublich verletzlich und hatte Angst, dass mein Mann seine Selbstmorddrohungen wahr machen würde. Ich hatte Angst um meine eigene persönliche Sicherheit. Diesmal ging ich nicht zurück, obwohl ich es oft in Erwägung zog … Ich wusste, dass ich nicht überleben würde, wenn ich es täte. Ich wusste auch, dass die vielen kleinen Schritte, die ich mit Hilfe einer Reihe von Menschen, darunter auch mein Hausarzt, in Richtung Unabhängigkeit gemacht hatte, bedeuteten, dass ich nun die Kraft, Gesundheit und Unterstützung hatte, für immer wegzugehen und weg zu bleiben.“

Aufgaben

a) Was hat der Arzt getan, um Mary zu helfen?
b) Welche Agenturen und Fachleute waren möglicherweise an der Unterstützung und/oder Bereitstellung von Diensten für Mary beteiligt?
c) Stellen Sie eine Liste der verschiedenen Fachkräfte auf, die in Ihrer Organisation das multidisziplinäre Team bilden und die an der Erbringung von Dienstleistungen für Menschen, die häusliche Gewalt erlebt haben, beteiligt sein könnten (dies hängt von Ihrem Wohnort ab).
d) Sind Sie der Meinung, dass nun alles in Ordnung ist? Wenn Sie Mary sieben Jahre später wiedertreffen würden, was glauben Sie, wie ihre Situation sein könnte? Nennen Sie die verschiedenen Möglichkeiten und die Wahrscheinlichkeit, dass diese eintreten werden.

Die Antworten auf diese Aufgaben sind in den entsprechenden Abschnitten dieses Moduls zu finden.

„Es ist nun sieben Jahre her, dass ich meinen Ehemann verlassen habe. Ein paar Monate, nachdem ich weggegangen und in ein neues Zuhause umgesiedelt war, brach mein früherer Mann in mein Haus ein und griff mich an. Ich dachte ernsthaft, ich würde in dieser Nacht sterben. Kurz nachdem er gegangen war, kam ein Freund, der sah, dass ich verletzt und durcheinander war, und darauf bestand, dass wir die Polizei riefen. Ich erhob Anklage gegen meinen Mann und veranlasste eine einstweilige Verfügung. Obwohl ich wusste, dass die Polizei mich unterstützte, fühlte ich mich nie ganz sicher, da er erneut gedroht hatte, uns beide zu töten. Die folgenden sechs Monate waren die einsamste Zeit in meinem Leben, da ich allein in diesem leeren Haus war und Angst hatte, er würde zurückkommen. Freunde und Familie hatten Angst, mich zu besuchen. Ich begann, Alkohol zu trinken, um damit fertig zu werden und meine Gefühle zu betäuben. Ich trank ziemlich lange zu viel.

Freunden und Verwandten wurde bewusst, dass ich zu viel und zu regelmäßig trank, und sie konfrontierten mich damit. Ich ging deswegen einige Male zu einem Psychologen. Die meiste Zeit war ich verzweifelt, aufgeregt und ängstlich. Ich fühlte mich schrecklich, weil ich mir Alkohol kaufte. Ich trank nie, wenn ich ausging oder wenn ich in Gesellschaft war. Aber sobald ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte, schenkte ich mir ein Glas Wein ein. Oft konnte ich nicht aufhören, bis ich, nachdem ich stundenlang fast wie besessen das Haus geputzt hatte, ins Bett fiel.

Ich habe meine Ehe verlassen und überlebt, aber obwohl die risikoreichste Zeit kurz nach meinem Weggang weit hinter mir liegt, habe ich bis heute anhaltende gesundheitliche und psychologische Probleme. Wiederkehrende Albträume sind für mich ein anhaltendes Thema. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ich zwei- bis dreimal pro Woche schreiend und unglaublich verzweifelt aufwache. Selbst auf Aggressionen im Fernsehen reagiere ich sehr empfindlich. Allein die Beobachtung von Aggressionen löst bei mir Albträume aus. Ich habe auch anhaltende Schlafprobleme gehabt. Ich wachte nachts häufig auf und konnte nicht wieder einschlafen.

Arbeit und finanzieller Druck können neue Angstzustände auslösen, die ich nicht unter Kontrolle zu bringen vermag. Diese Episoden können wochenlang andauern, wenn ich trotz der Einnahme von Antidepressiva mit einem inneren Zittern, einem Flattergefühl in der Brust und einem Klopfen in den Schläfen und enormer Anspannung lebe. Während solcher Episoden steigt mein Blutdruck beträchtlich an, ich fühle mich sehr, sehr unwohl, kann nicht schlafen und meine Arbeit und meine Beziehungen leiden darunter. Ich fange einfach an, mich zu verstecken und alles zu meiden, was die Anspannung und die Angst noch verschlimmert. In den letzten sieben Jahren hatte ich zudem drei schwere Episoden von Colitis Ulcerosa. Die Auswirkungen auf mein Berufsleben waren aufgrund meiner Gesundheits- und Schlafprobleme beträchtlich. Ich musste mich zeitweise recht häufig krankschreiben lassen.

Mein Hausarzt hat mir geholfen, endlich zu verstehen, dass ich an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) leide, die mit Medikamenten und Therapie behandelt und bewältigt werden muss. Es war wirklich eine Erleichterung, jemanden zu haben, der meine Probleme als PTBS identifiziert hat. Mein Arzt begann, mit mir gemeinsam nach Möglichkeiten zur Behandlung zu suchen. Ich gewinne allmählich wieder das Gefühl der Kontrolle. Ich sehe, dass die Dinge nicht so hoffnungslos sind und dass ich mich mit der Zeit nicht mehr so erschöpft und überwältigt fühlen werde. Ich bin durch die Müdigkeit ein wenig lethargisch geworden. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht für die Zukunft planen konnte, weil ich einfach keine Energie hatte. Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich war oder dass ich das Leben genossen habe. Alles, was mir gelungen ist, ist immer wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen, um das Leben zusammenzuhalten.

Wenn ich jetzt zurückblicke, wird mir klar, was für eine zentrale Rolle mein Arzt in all den Jahren hatte. Am hilfreichsten war, dass er mich daran erinnerte, warum ich das letzte Mal zu ihm gekommen war, als er mich danach gefragt hatte, wie es in den folgenden ein oder zwei Wochen gelaufen war. Er zwang mich, mich dem beträchtlichen Kummer und den Auswirkungen auf meine Gesundheit zu stellen und mich mit der aktuellen Situation und meiner geistigen und körperlichen Gesundheit in Beziehung zu setzen.“

Aufgaben

a) Welche Gesundheitsprobleme hat Mary noch sieben Jahre, nachdem sie den Täter verlassen hat?
b) Ist dies ein ungewöhnlicher Verlauf der Ereignisse?
c) Was hat letztlich den Unterschied ausgemacht, dass Mary sich besser fühlt?
d) Was fand Mary im Gespräch mit ihrem Arzt hilfreich? Warum war das hilfreich?

Die Antworten auf diese Aufgaben sind in den entsprechenden Abschnitten dieses Moduls zu finden.

Adaptiert nach einer Fallstudie aus RACGP (2014): Abuse and Violence: Working with our patients in general practice


Experteninterview mit Daniela Dörfler zu Modul 3: Kommunikation mit Opfern in Fällen häuslicher Gewalt

Ass. Prof. OA Dr. med. Daniela Dörfler ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie leitet die Opferschutzgruppe (OSG) des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) der Stadt Wien. Gemäß § 15 Wiener Krankenanstaltengesetz „Früherkennung von Gewalt“ wurde die Opferschutzgruppe eingerichtet. Seit dem 1. Januar 2009 schreibt dieses die verpflichtende Einrichtung von Opferschutzgruppen in Zentral- und Schwerpunktkrankenhäusern vor. Diese umfassen ärztliche Vertreterinnen und Vertreter der Frauenheilkunde, der Unfallmedizin und der Psychiatrie, des Pflegedienstes sowie der psychologischen oder psychotherapeutischen Versorgung. Die ambulanten Stellen der Krankenanstalten sind oft die erste Anlaufstelle von gewaltbetroffenen Personen und stellen somit eine wichtige Schnittstelle zu Beratungsstellen dar. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Kinderschutzgruppe des AHK. Die Opferschutzgruppe bietet einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung und Frühintervention von gewaltbetroffenen Personen. Die Aufgaben des AKH Wien beinhalten die Beratungstätigkeit der betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Erwachsenen bei Verdacht bzw. Vorliegen von Anzeichen von sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt, die Sensibilisierung der in Betracht kommenden Berufsgruppen für Gewalt, das Erstellen von Dokumenten zum strukturierten Vorgehen bei Fragen des Opferschutzes, die Organisation von internen und externen Fortbildungen sowie die Spurensicherung und interdisziplinäre Zusammenarbeit. In dem folgenden Interview beantwortet Ass. Prof. OA Dr. med. Daniela Dörfler die Fragen, was das Wichtigste in der Kommunikation mit potenziellen Opfern häuslicher Gewalt ist und wie diese angesprochen werden können.


Rahmenbedingungen für ein Gespräch über häusliche Gewalt

Zunächst einmal: Scheuen Sie sich nicht, zu helfen, auch wenn Sie nicht genau wissen, was Sie in einer bestimmten Situation tun sollen. Wichtig ist, dass man überhaupt mit dem Opfer ins Gespräch kommt.

Sich Zeit für das Opfer nehmen

  • Man sollte einen Ort zum Reden wählen, an dem niemand mithören kann (aber keinen Ort, der anderen aufzeigt, warum man dort ist).
  • Man sollte dem Opfer versichern, dass man niemandem gegenüber wiederholen wird, was es sagt, und dass man niemandem, der es nicht wissen muss, gegenüber erwähnen wird, dass es dort war. Wenn man verpflichtet ist, die Situation zu melden, erklärt man, warum man was an wen melden muss.

Eröffnung des Gesprächs

  • Man ermutigt das Opfer zunächst zum Reden und zeigt, dass man zuhört.

Vorurteilsfrei sein und zuhören

  • Man ermutigt das Opfer dazu, weiterzureden, wenn es das wünscht, aber man zwingt es nicht zum Reden („Wollen Sie mir mehr dazu sagen?“).
  • Man erlaubt Stille. Wenn das Opfer weint, gibt man ihm bzw. ihr Zeit, sich zu erholen.
  • Man ist stets offen, ehrlich, urteilsfrei, einfühlsam und unterstützend.

Achten Sie auf die Warnzeichen

  • Viele Opfer versuchen, die häusliche Gewalt zu verbergen. Sie müssen sich der Indikatoren bewusst sein, die mögliche Hinweise dafür sein könnten.

Dem Opfer glauben, …

  • … auch wenn seine/ihre Geschichte unglaubwürdig erscheint.

Validieren Sie die Gefühle des Opfers

  • Manchmal drücken die Opfer widersprüchliche Gefühle über den Täter/die Täterin und ihre Situation aus (Schuld vs. Wut; Hoffnung vs. Verzweiflung; Liebe vs. Angst). Lassen Sie das Opfer wissen, dass es üblich (normal) ist, diese widersprüchlichen Gefühle zu haben. Gleichzeitig sollten Sie aber betonen, dass Gewalt nicht in Ordnung ist und dass es nicht normal ist, in ständiger Angst davor zu leben, angegriffen oder verletzt zu werden. Selbst wenn das Opfer Gründe dafür angibt, bei dem Täter oder der Täterin zu bleiben, bedeutet Angst, dass die Beziehung nicht gesund ist.
  • Teilen Sie dem Opfer – ohne zu verurteilen – mit, dass seine/ihre Situation gefährlich ist und dass Sie um seine/ihre Sicherheit besorgt sind.
Mit Patienten bzw. Patientinnen über Gewalt sprechen

In jeder Situation, in der man das Vorliegen häuslicher Gewalt vermutet, kann man indirekt oder direkt danach fragen. Wenn man Bedenken hat, dass ein Patient oder eine Patientin häusliche Gewalt erlebt, sollte man darum bitten, mit ihm oder ihr allein zu sprechen – getrennt vom Partner bzw. der Partnerin oder anderen Familienmitgliedern. Es ist wichtig zu verstehen, dass sich das Opfer sehr oft selbst die Schuld gibt oder versucht, den Täter oder die Täterin zu schützen. Zu Beginn einer Situation, die misstrauisch macht, kann man immer allgemeine Fragen darüber stellen, ob die gegenwärtige Beziehung oder andere häusliche Beziehungen des Patienten oder der Patientin sich auf seine oder ihre Gesundheit und sein bzw. ihr Wohlbefinden auswirken. Es ist wichtig, unvoreingenommen zuzuhören.

Das Thema häusliche Gewalt sollte nur dann mit einem Patienten bzw. einer Patientin angesprochen werden, wenn man unter vier Augen mit ihm bzw. ihr allein ist. Die Begleitperson sollte gegebenenfalls darum gebeten werden, woanders zu warten. Es ist wichtig zu wissen, dass einige Opfer, die zu häuslicher Gewalt befragt werden, sich eher offenbaren, wenn sie in einer für sie sicheren Umgebung befragt werden.

Auch wenn ein Patient bzw. eine Patientin von einer Person desselben Geschlechts begleitet wird, könnte diese Person mit dem Täter bzw. der Täterin verwandt sein oder der Täter bzw. die Täterin sein.

Wie Patienten bzw. Patientinnen gefragt werden können

Hier sind einige Aussagen, die man machen kann, um das Thema Gewalt anzusprechen, bevor man direkte Fragen stellt:

  • „Viele Menschen haben Probleme mit ihrem Ehemann bzw. ihrer Ehefrau oder Partner bzw. Partnerin oder mit jemandem, mit dem sie zusammenleben.“
  • „Ich habe Menschen mit Problemen wie Ihren gesehen, die zu Hause Schwierigkeiten hatten.“
  • „Versucht Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin, Sie zu kontrollieren, indem er bzw. sie Ihnen beispielsweise kein Geld gibt oder Sie nicht aus dem Haus lässt?“
  • „Wurden Sie unter Druck gesetzt oder gezwungen, sexuell etwas zu tun, das Sie nicht wollten?“

Im Falle vermuteter Gewalt im häuslichen Umfeld:

  • „Wie läuft es zu Hause?“
  • „Wie kommen Sie und Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin/andere Familienmitglieder miteinander aus?“
  • „Passiert sonst noch etwas, das Ihre Gesundheit beeinträchtigen könnte?“

Neben indirekten Fragen kann man auch direkte Fragen zu jeglicher Gewalt stellen.

Zum Beispiel:

  • „Gibt es Zeiten, in denen Sie Angst vor Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin oder einem anderen Familienmitglied haben?“
  • „Sind Sie um Ihre Sicherheit oder um die Sicherheit Ihrer Kinder besorgt?“
  • „Fühlen Sie sich durch die Art, wie Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie behandelt, unglücklich oder deprimiert?“
  • „Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie jemals verbal eingeschüchtert oder verletzt?“
  • „Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie jemals physisch bedroht oder verletzt?“
  • „Hat Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied Sie jemals zum Sex gezwungen, obwohl Sie es nicht wollten?“
  • „Versucht Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin oder ein anderes Familienmitglied, Sie zu kontrollieren, indem er bzw. sie Ihnen beispielsweise kein Geld gibt oder Sie nicht aus dem Haus lässt?“
  • „Häusliche Gewalt kommt sehr häufig vor. Ich frage viele meiner Patienten und Patientinnen nach erlebtem Missbrauch, denn niemand sollte in Angst vor seinem Partner bzw. seiner Partnerin oder einem anderen Familienmitglied leben müssen.“

Wenn man bestimmte klinische Symptome sieht, und man sich seines Verdachts sicher ist, kann man dazu spezifische Fragen stellen (z. B. Blutergüsse). Dazu zählen:

  • „Sie scheinen sehr ängstlich und nervös zu sein. Ist zu Hause alles in Ordnung?“
  • „Wenn ich solche Verletzungen sehe, frage ich mich, ob Sie jemand verletzt haben könnte.“
  • „Gibt es noch etwas, worüber wir nicht gesprochen haben, das zu diesem Zustand beitragen könnte?“
Wenn ein Opfer häusliche Gewalt offenlegt

Die Befragung von Opfern häuslicher Gewalt sollte mit einer wirksamen Intervention verbunden sein, die eine unterstützende Reaktion, eine angemessene medizinische Behandlung und/oder Betreuung nach Bedarf und/oder eine Überweisung zu einer Schutzeinrichtung umfasst.

Sie sollten

  • zuhören.
  • vermitteln, dass Sie dem Opfer glauben.
  • die Entscheidung zur Offenlegung validieren.
  • betonen, dass Gewalt nicht in Ordnung ist.
  • deutlich machen, dass das Opfer nicht schuld ist.
  • keine Fragen stellen, die bei dem Opfer Stress und ein Gefühl der Ohnmacht auslösen könnten.
Sich nach den Bedürfnissen und Anliegen des Opfers erkundigen

Wenn man sich die Geschichte des Opfers anhört, sollte man besonders darauf achten, was er oder sie über seine bzw. ihre Bedürfnisse und Anliegen sagt – und auf das, was nicht gesagt, sondern mit Worten oder Körpersprache angedeutet wird. Man kann das Opfer über körperliche, emotionale oder ökonomische Bedürfnisse, über die eigenen Sicherheitsbedenken oder soziale Unterstützung, die er oder sie braucht, informieren. Die folgenden Techniken können angewendet werden, um dem Opfer zu helfen, seine bzw. ihre Bedürfnisse auszudrücken, und um sicherzugehen, dass man verständnisvoll ist.

Fragen sollten als Einladung zum Sprechen formuliert werden.

„Worüber möchten Sie sprechen?“

Es sollten offene Fragen gestellt werden, um das Opfer zum Reden zu ermutigen, anstatt Ja oder Nein zu sagen.

„Was halten Sie davon?“

Was das Opfer sagt, sollte wiederholt werden, um das eigene Verständnis zu überprüfen.

„Sie erwähnten, dass Sie sich sehr frustriert fühlen.“

Die Gefühle des Opfers sollten reflektiert werden.

„Es klingt, als ob Sie sich darüber ärgern…“

Dem Opfer sollte geholfen werden, die eigenen Bedürfnisse und Sorgen zu erkennen und zum Ausdruck zu bringen.

„Gibt es etwas, das Sie brauchen oder über das Sie sich Sorgen machen?“

Was das Opfer zum Ausdruck gebracht hat, sollte zusammengefasst werden.

„Sie scheinen zu sagen, dass …“

Es sollten keine suggestiven Fragen gestellt werden.

„Ich könnte mir vorstellen, dass Sie das verärgert hat, nicht wahr?“

Es sollten keine „Warum“-Fragen gestellt werden. Es könnte beschuldigend klingen.

„Warum haben Sie das getan…?“

Das Opfer sollte verstehen, dass seine bzw. ihre Gefühle normal sind, dass es sicher ist, diese auszudrücken, und dass es ein Recht darauf hat, ohne Gewalt und Angst zu leben.

Man sollte das Opfer wissen lassen, dass man aufmerksam zuhört, dass man versteht, was er oder sie sagt, und dass man glaubt, was gesagt wird, ohne zu urteilen oder Bedingungen zu stellen.

Wichtige Dinge, die man sagen kann:

  • „Es ist nicht Ihre Schuld.“
  • „Es ist okay, zu reden.“
  • „Hilfe ist verfügbar.“ [Dies sollte man nur sagen, wenn es wahr ist.]
  • „Was passiert ist, kann nicht gerechtfertigt oder entschuldigt werden.“
  • „Niemand verdient es, von seinem Partner bzw. seiner Partnerin in einer Beziehung geschlagen zu werden.“
  • „Sie sind nicht allein. Leider haben sich auch viele andere Menschen diesem Problem stellen müssen.“
  • „Ihr Leben, Ihre Gesundheit, Sie sind von Wert.“
  • „Jeder verdient es, sich zu Hause sicher zu fühlen.“
  • „Ich bin besorgt, dass sich dies auf Ihre Gesundheit auswirken könnte.“

Wann Sie die Polizei rufen sollten:

  • wenn es aktiv zu Gewalt kommt;
  • wenn Sie hören oder sehen, dass körperliche Misshandlungen stattfinden;
  • wenn Kinder und/oder Ältere in diese Situationen verwickelt sind.
Einsetzen eines Dolmetschers bzw. einer Dolmetscherin

Wenn die Sprachkenntnisse des Opfers ein Hindernis für die Erörterung dieser Fragen darstellen, sollte man mit einem qualifizierten Dolmetscher bzw. einer qualifizierten Dolmetscherin oder einem Vertreter bzw. einer Vertreterin der örtlichen Fachstelle für häusliche Gewalt zusammenarbeiten. Derjenige bzw. diejenige sollte das gleiche Geschlecht wie das Opfer haben und eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschreiben. Dolmetscher bzw. Dolmetscherinnen sollten den genauen Wortlaut des Opfers wiedergeben. Zu Beginn des Gesprächs sollte der Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin sorgfältig die Richtlinien durchgehen (z. B. Vertraulichkeit, Rechte des Opfers, um eine Pause zu bitten). Im Gespräch sollte man das Opfer ansehen und mit ihm bzw. ihr sprechen. Der Partner bzw. die Partnerin des Opfers, andere Familienmitglieder oder Kinder sollten nicht als Dolmetscher eingesetzt werden. Es könnte die Sicherheit des Opfers gefährden oder es könnte ihnen unangenehm sein, über ihre Situation zu sprechen. Wenn eine Sprachgruppe in einem Land sehr klein ist, besteht immer die Gefahr, dass sich das Opfer und der Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin direkt oder indirekt kennen. Fragen Sie daher immer, ob das Opfer Präferenzen bezüglich des Dolmetschers bzw. der Dolmetscherin hat. Gehen Sie nicht davon aus, dass Sie wissen, welchen Hintergrund, welches Geschlecht oder welches Herkunftsland des Dolmetschers bzw. der Dolmetscherin vom Opfer bevorzugt werden.

Sonderfall: Wenn der Patient bzw. die Patientin ein Kind ist

Hausärzte bzw. Hausärztinnen sind oft die erste Anlaufstelle für Familien unter Stress und für Kinder, die von Missbrauch bedroht sind. Es ist wichtig, sich der Möglichkeit des Missbrauchs bewusst zu sein, wenn Kinder emotionale Probleme haben, Verhaltensauffälligkeiten zeigen oder unerklärliche Verletzungen aufweisen, oder wenn man weiß, dass ein Elternteil Gewalt erlebt.

Im Rahmen einer Beratung oder Behandlung kann es sehr schwierig sein, definitiv zu wissen, dass die Grundursache der Vorstellung Missbrauch oder Vernachlässigung ist. Die Familie kann auch aktiv versuchen, den Missbrauch oder die Vernachlässigung zu verbergen.

Kindesmissbrauch kann auf unzählige Arten auftreten, und die Auswirkungen sind von Kind zu Kind unterschiedlich. Während bei einigen Kindern Blutergüsse oder Verletzungen auftreten können, die Verdacht erregen, ist dies nicht immer der Fall. Bei der Mehrheit der Kinder gibt es jedoch seltener direkte körperliche Verletzungen. Viel problematischer sind die langfristigen Auswirkungen von Gewalt auf die neurologische, kognitive und emotionale Entwicklung und Gesundheit des Kindes.

Es gibt Kinder, die überhaupt nicht reden wollen. Andere legen häusliche Gewalt indirekt offen, indem sie die Einzelheiten nur nach einer Aufforderung oder auf Umwegen mitteilen: „Manchmal verärgert mein Stiefvater meine Mutter.“ Das Kind hofft, dass der Hinweis, den es gibt, aufgegriffen wird. Viele Kinder sind unsicher, weil der Täter bzw. die Täterin jemand ist, den sie lieben. Man sollte daran denken, dass Indikatoren für häusliche Gewalt, insbesondere in Bezug auf Kinder, auch Anzeichen für etwas anderes sein können (z. B. Mobbing, traumatische Ereignisse, die nicht mit häuslicher Gewalt zusammenhängen).

Bieten Sie eine geschlechtersensible und kinder- oder jugendzentrierte Ersthilfe an. Diese beinhaltet:

  • respektvolles und einfühlsames Zuhören;
  • das Erkundigen nach den Sorgen, Anliegen und Bedürfnissen des Kindes oder Jugendlichen und der Beantwortung aller Fragen;
  • das Anbieten einer nicht wertende und bekräftigende Antwort;
  • das Ergreifen von Maßnahmen, um ihre Sicherheit zu erhöhen und Schäden zu minimieren, einschließlich derer, die durch die Offenlegung entstehen, und, wenn möglich, der Wahrscheinlichkeit, dass der Missbrauch weitergeht; dies schließt die Gewährleistung der visuellen und auditiven Privatsphäre ein;
  • die Bereitstellung von emotionaler und praktischer Unterstützung durch Erleichterung des Zugangs zu psychosozialen Diensten;
  • die Bereitstellung altersgerechter Informationen darüber, was getan wird, um sie zu versorgen, einschließlich der Frage, ob ihre Offenlegung des Missbrauchs den zuständigen Behörden gemeldet werden muss;
  • die rechtzeitige Betreuung der Kinder entsprechend ihren Bedürfnissen und Wünschen;
  • die Priorisierung der unmittelbaren medizinischen Bedürfnisse und der Erstversorgung;
  • die Umgebung und die Art und Weise, in der die Hilfe geleistet wird, altersgerecht zu gestalten sowie sensibel für die Bedürfnisse derjenigen zu sein, die mit Diskriminierung konfrontiert sind, z. B. aufgrund einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung;
  • die Minimierung der Notwendigkeit für die Betroffenen, mehrere Beratungsstellen aufzusuchen;
  • die Befähigung der nicht-missbrauchenden Betreuungspersonen durch Informationen, um mögliche Symptome und Verhaltensweisen zu verstehen, die das Kind oder der Jugendliche in den kommenden Tagen oder Monaten zeigen könnte, und wann sie weitere Hilfe suchen sollten.

Quelle: https://www.who.int/reproductivehealth/publications/violence/clinical-response-csa/en/

Das Kind sollte nicht „verhört“ werden. Man sollte einfache Fragen stellen, wie z. B.:

  • „Gibt es etwas, über das du traurig oder besorgt bist?“
  • „Manche Kinder können zu Hause Angst bekommen. Was, glaubst du, macht ihnen Angst?“

Das Kind sollte beruhigt werden. Man könnte Folgendes sagen:

  • „Ich glaube dir.“
  • „Ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist.“
  • „Es tut mir leid, dass das passiert ist.“
  • „Du bist nicht schuld.“
  • „Wir werden gemeinsam etwas tun, um Hilfe zu bekommen.“

Der/Die SUPER-ZUHÖRER/IN wurde von Kindern und Jugendlichen entwickelt, die häusliche Gewalt erfahren haben. Das Partizipationsprojekt „Power Up/Power Down“ hat untersucht, wie vom Gericht verfügte Umgangsprozesse für Kinder verbessert werden können. Die beteiligten Kinder waren der Meinung, dass es wichtig sei, dass alle Erwachsenen, die mit Kindern arbeiten würden, wüssten, was eine/n SUPER-ZUHÖRER/IN ausmache.

Der/die SUPER-ZUHÖRER/IN wurde im Rahmen des Projektes Improving Justice in Child Contact (IJCC) übersetzt. Dieses Projekt hat das Ziel, die Beteiligung von Kindern an Umgangsrechtsentscheidungen in fünf europäischen Staaten zu verbessern.

Sonderfall: Häusliche Gewalt gegenüber LGBTIQ-Personen

LGBTIQ-Personen können – je nach Gruppe – die folgenden Formen häuslicher Gewalt erleben.

Lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen:

  • Ihre Sexualität kann gegen sie verwendet werden, z. B. durch Drohungen, sie vor der Familie/der Gemeinschaft/dem Arbeitsplatz zu „outen“.
  • Sie können von der Gemeinschaft oder ihrer Familie abgeschnitten werden.
  • Sie können unter Druck gesetzt werden, sich den Geschlechts- oder Gender-Normen anzupassen.

Transsexuelle, intersexuelle und geschlechtlich vielfältige Menschen:

  • Sie können wegen ihres Körpers/ihres Aussehens/ihrer Identität lächerlich gemacht werden.
  • Ihnen kann der Zugang zu medizinischer Behandlung oder Hormonen verweigert werden oder sie können gezwungen werden, sich medizinisch behandeln zu lassen.
  • Sie können bedroht oder gemobbt werden, wenn sie sich „outen“.

Zu den möglichen Barrieren für den Zugang zu Unterstützung bei LGBTIQ-Personen gehören:

  • nicht zu wissen, wo sie formelle Unterstützung suchen können, sich zu scheuen, sich „Mainstream“-Unterstützung zu suchen, und kaum informelle Unterstützungsnetzwerke zu haben;
  • Angst vor Diskriminierung, Homophobie, Heterosexismus, Transphobie und gesellschaftlichen Konstruktionen rund um das Geschlecht;
  • Angst, wegen ihres Geschlechts/ihrer Sexualität „geoutet“ zu werden;
  • nicht in der Lage zu sein, missbräuchliches Verhalten zu erkennen – aufgrund der weit verbreiteten Annahme, dass häusliche Gewalt nur in heteronormativen Beziehungen auftritt;
  • Furcht, nicht ernst genommen zu werden;
  • Scheu davor, negative Aufmerksamkeit auf die LGBTIQ-Community zu lenken;
  • Unsicherheit über ihre gesetzlichen Rechte, insbesondere wenn Kinder involviert sind oder sie das Vermögen mit dem Täter bzw. der Täterin geteilt haben.

Wie können Sie Ihre Reaktion inklusiver gestalten?

Auf individueller Ebene

  • Nehmen Sie eine nicht wertende und akzeptierende Haltung ein.
  • Vermeiden Sie Annahmen über Geschlecht oder Heterosexualität – hören Sie der Person und ihren Erfahrungen wirklich zu.
  • Sichern Sie bei Bedarf Vertraulichkeit über die sexuelle Orientierung/Geschlechtsgeschichte zu.

Auf Praxis-Ebene

  • Bauen Sie sensible, kulturell angemessene Überweisungsnetzwerke für LGBTIQ-Menschen auf.
  • Pflegen Sie aktive Partnerschaften mit LGBTIQ-Organisationen.
  • Ermutigen Sie Ihre Praxisangestellten zur Teilnahme an LGBTIQ-Schulungen.
  • Legen Sie LGBTIQ-Materialien im Wartezimmer aus.
  • Stellen Sie sicher, dass die Kommunikation und Aufklärungsmaterialien LGBTIQ-sensibel sind.

Quelle: https://www.racgp.org.au/familyviolence/resources.htm

Sonderfall: Verbesserte Reaktionen auf Flüchtlings- und Migrantengemeinschaften

1. Erkundigen

Fragen Sie nach den Erfahrungen des Opfers vor der Migration und nach ihrem kulturellen Kontext. Es ist wichtig, die Weltanschauung von Opfern häuslicher Gewalt zu kennen, um den Kontext ihrer Erfahrungen, Entscheidungsfindungen und Herausforderungen zu verstehen.

Beispiele für Fragen, die in diesem Kontext gestellt werden können:

Vor der Migration

  • Aus welchem Land kommen Sie?
  • Wie lange leben Sie schon in Deutschland?
  • Kam Ihre ganze Familie hierher?
  • Können Sie mir ein wenig über Ihre Reise nach Deutschland erzählen?
  • Wie war das Leben in Ihrem Herkunfts- oder Übergangsland?

Ankunft

  • Wie haben Sie und Ihre verschiedenen Familienmitglieder sich an das Leben hier angepasst?
  • Wie geht es den Kindern in der Schule?
  • Wie geht es Ihnen an der Arbeit/in Ihrem Studium/beim Deutschunterricht?
  • Was waren positive Erfahrungen für Sie?
  • Auf welche Hindernisse sind Sie bei der Anpassung an das Leben in Deutschland gestoßen?

Kultureller Kontext

  • Was sind die Erwartungen an Frauen/Männer in Ihrer Familie und Gemeinde? Was passiert, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden?
  • Was passiert, wenn eine Frau/ein Mann innerhalb der Familie nicht gut behandelt wird? Wie wird das in der Gemeinschaft wahrgenommen?

2. Bewusst machen

  • Seien Sie sich bewusst, dass es Unterschiede zwischen den Rechts- und Unterstützungssystemen in verschiedenen Ländern gibt.
  • Erklären Sie das System, einschließlich der Rolle von Polizei, Gerichten und Zufluchtsorten. Seien Sie sich bewusst, dass die Angst vor Behörden dazu führen kann, dass das Opfer zögert, die Polizei oder staatliche Dienste einzuschalten.
  • Betonen Sie, dass jeder ein Recht darauf hat, sich in seinem Zuhause sicher zu fühlen.
  • Stellen Sie klar, dass häusliche Gewalt mehr als nur körperliche Gewalt ist, sondern auch emotionale, sexuelle, wirtschaftliche und soziale Gewalt umfasst.

3. Erklären

Erklären Sie, welche Dienste es gibt, wie sie arbeiten (kostenlos und vertraulich), wie sie das Opfer befähigen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, und wie sie bei der Sicherheit helfen können.

Was kann noch sinnvoll sein?

  • Erklären Sie die Vertraulichkeit (ärztliche Schweigepflicht).
  • Verwenden Sie eine/n professionelle/n Dolmetscher/in.
  • Bitten Sie um Erlaubnis, bevor Sie Fragen stellen.
  • Melden Sie sich beim Opfer, um zu sehen, wie es ihm/ihr geht.
  • Überweisen Sie ihn/sie an eine spezialisierte Organisation zur weiteren Unterstützung.

Quelle: https://www.racgp.org.au/familyviolence/resources.htm


Interview mit einer an einem Arbeitskreises für geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt Beteiligten
Wie kommt ihr mit Betroffenen häuslicher Gewalt in Kontakt?

Klient*innen, wobei die überwiegende Zahl der betroffenen Personen Frauen sind, werden z. B. von Frauenhäusern oder Sozialstellen an uns weitervermittelt und wir beraten sie in rechtlichen Angelegenheiten (z. B.: Wie geht es mit meinem Asylverfahren weiter? Was passiert mit meinem Aufenthaltstitel?) oder bieten ihnen psychosoziale Unterstützung an. Gerade im Rahmen der psychosozialen Unterstützung entsteht eine vertrauliche Beziehung zu den Klientinnen, die es möglich macht, Traumafolgestörungen als Folge von Erfahrungen häuslicher Gewalt zu erfassen. Wichtig ist hierbei aber, dass neben all den offensichtlichen Themen, zu denen wir als psychosoziale Flüchtlingsunterstützung hinzugezogen werden (z. B. Aufenthaltssicherung oder Verbesserung der psychischen Gesundheit), häusliche Gewalt ein weiteres Thema sein kann.

Welche Unterstützung bietet ihr geflüchteten Frauen an?

Sowohl die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (GGUA) als auch Refugio als ein Arbeitsbereich der GGUA und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bieten seit einigen Jahren niedrigschwellige Angebote als Präventionsmaßnahmen an, die sozial isolierten Frauen die Möglichkeit bieten, sich zu vernetzen. Dazu gehört z. B. das „QUASSEL CAFE“, das einmal im Monat stattfindet und ein Treffpunkt für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund ist. Sie können sich dort austauschen, die Sprache üben oder gemeinsam etwas unternehmen. Über eine spezielle Frauengruppe, die Refugio anbietet, treffen sich – mit therapeutischer oder pädagogischer Begleitung – Teilnehmerinnen, die gemeinsam darüber sprechen, wie sie aus der Isolation kommen und Kontakte knüpfen können, oder wie ein verbesserter Umgang mit Stress und psychischer Belastung funktionieren kann. Einige geflüchtete Frauen leben sehr isoliert, haben kaum Kontakt zu (gleichsprachigen) Menschen in den Unterkünften und leiden unter Einsamkeit. Wir bieten bei diesen Angeboten auch ein sogenanntes Genusstraining an, d.h., es gibt dabei positive Erlebnisse oder Erfahrungen, die den Frauen guttun. So sind die niedrigschwelligen Angebote auch eine Vorstufe für Opfer häuslicher Gewalt, um einen ersten Kontakt nach außen zu knüpfen. Sie lernen ihre Umwelt und ihre Möglichkeiten kennen.

Wie sehr erschwert die sprachliche Barriere eure Arbeit?

Zu den bereits bestehenden Problemen unter den geflüchteten Frauen, die isoliert sind, kommt die sprachliche Problematik noch verschärfend hinzu. Unterstützungsangebote sind aufgrund der Sprachbarriere oft kaum bekannt. Die Frauenberatungsstellen in Münster haben dem Problem mit mehrsprachigen Flyern entgegengewirkt. Aber es gibt viele niedrigschwellige Angebote (z. B. Sportangebote, Vernetzungsmöglichkeiten), die unbekannt sind. Wir arbeiten mit geschulten Sprach- und Kulturmittler*innen oder konzipieren unsere Angebote sprachreduziert, sodass eine Teilnahme auch mit geringen Deutschkenntnissen möglich ist.

Hast du eine Idee, warum sich geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt keine Unterstützung suchen?

Weil viele Angebote zu hochschwellig und sehr viele Betroffene verängstigt sind. Man muss Brücken über niedrigschwellige Angebote bauen und positive Erfahrungen schaffen, um ihnen aus der Isolation zu helfen. Die Sprachbarriere spielt sicher auch eine Rolle. Zudem ist ein professionelles Hilfesystem mit Beratungsstellen und Frauenhäusern für viele Frauen unbekannt – sie wissen oft gar nicht, dass es diese Möglichkeiten gibt. Außerdem spielen viele andere Faktoren eine Rolle, die eine Kommunikation über schwierige Themen erschweren. So spielen die Scham der Betroffenen oder auch die Community, die nicht über häusliche Gewalt spricht und diese tabuisiert, eine große Rolle. Die Geflüchteten sind oft nicht in Strukturen eingebunden, die sie unterstützen. Nicht zuletzt werden sie durch die eigene Familie unter Druck gesetzt. Das heißt, dass nicht nur der gewalttätige Partner, sondern auch die Familie einen hohen Druck ausübt – Scheidung und Trennung sind oftmals ein soziales Tabu. Ich denke, dass die zugeschriebene Rolle in der Familie ein weiterer Faktor ist. Oftmals übernehmen die Frauen die Kinderbetreuung, während der Partner einen Deutschkurs besucht oder die anstehenden Dinge in Deutschland regelt (z. B. Aufenthalt, soziale Leistungen). Dadurch festigen sich oft bestehende Machtstrukturen. Viele Klientinnen schildern die Sorge um den Aufenthalt und die Perspektive in Deutschland als einen Faktor, weshalb sie bei ihrem Partner bleiben.

Was sind eure Aufgaben?

Unsere Aufgabe ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Themen mithilfe einer Sprachmittlerin besprochen werden können. Wir versuchen herauszufinden, ob es sich um eine akute Bedrohungssituation handelt oder ob die Person eine Traumafolgestörung hat, und können dann den Handlungsbedarf anpassen. Bei einer akuten Bedrohungssituation vermitteln wir an Polizei, Sozialstellen, Unterkünfte oder Frauenhausstellen. Bei Traumafolgestörungen infolge einer Gewalterfahrung werden entweder ambulante Therapieplätze vermittelt oder sie werden bei Refugio an eine psychosoziale Beratung, Psychotherapie oder an unsere niedrigschwelligen Gruppenangebote angebunden. Ist der Handlungsbedarf rechtlicher Art und hat die Person Fragen bezüglich des Asylverfahrens, setzen wir uns mit der Ausländerbehörde, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder Rechtsanwälten in Verbindung und nehmen die Person in unsere soziale Beratung auf.

Wie genau ermöglichst du diese niedrigschwelligen Angebote?

In erster Linie ist es meine Aufgabe, (sekundär-)präventive Empowerment-Angebote zu schaffen. Diese Angebote betreffen Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren, aktuell sind oder sein könnten. Zu den Empowerment-Angeboten zählen unter anderem Möglichkeiten, aus der Isolation zu gelangen, Informationen zu Hilfsangeboten zu erhalten oder auch zu lernen, eigene Grenzen wahrzunehmen und zu setzen. Einige Klientinnen haben oft keine Möglichkeit, Grenzen zu setzen. Sie lassen vieles mit sich geschehen. Es ist immer schwierig, einen Weg aus dem Gewaltkreislauf zu finden. So werden auch Basisinformationen, wie z. B. die Telefonnummer der Polizei, vermittelt.

Du gehörst zum städtischen Arbeitskreis speziell für geflüchtete Opfer häuslicher Gewalt. Kannst du uns dazu noch etwas erzählen?

Die Akteurinnen in diesem Arbeitskreis kommen aus unterschiedlichen Fachrichtungen wie den Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern, dem Sozialamt, der Polizei und der Rechtsmedizin. Der Arbeitskreis wird vom Gleichstellungsbüro organisiert und wurde aus den Arbeitskreisen „Gewaltschutz“ und „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ gegründet. Wir nehmen mit unterschiedlichen Kolleginnen an den drei Arbeitskreisen teil, weil wir uns im Team thematisch möglichst breit aufstellen möchten. In den Arbeitskreisen werden hauptsächlich strukturelle Schwierigkeiten besprochen, Bedarfe analysiert und Angebote initiiert. Wir haben z. B. mit dem Frauensportverein ein Tanzangebot als niedrigschwelliges Angebot organisiert, das COVID-19-bedingt leider unterbrochen werden musste. Darüber hinaus findet durch die enge Vernetzung auch ein Austausch auf Einzelfallebene statt; wir haben gemeinsame Klientinnen, die wir mit je unterschiedlicher Fachexpertise unterstützen.

Was sind organisatorische Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit bei Fällen häuslicher Gewalt?

Die Zusammenarbeit wird schwierig, weil nicht genug freie Plätze in den Frauenhäusern für akute Fälle zur Verfügung stehen. Hier kommen wir schnell an den Punkt, an dem Betroffene häuslicher Gewalt nicht weitervermittelt werden können. Sind die Betroffenen untergebracht, funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Um die Angebotslücke an Frauenhausplätzen etwas zu verringern, hat der Flüchtlingssozialdienst ein Schutzhaus eingerichtet, das Opfern häuslicher Gewalt schnell aus der akuten Situation heraushilft und ihnen einen Übernachtungsplatz bietet. Das Konzept gleicht einer Unterkunft, wobei der Flur von Security-Personal überwacht wird. Das ist aber nur eine kurzfristige Lösung. Ein weiteres Problem stellt die Kosterstattung der Sprachmittlung für ambulante Psychotherapie dar, die, je nach Leistungserbringer, unterschiedlich lange dauern kann. In Münster wurde nach dem Bremer Modell die Gesundheitskarte eingeführt, was ein guter Schritt war. So können Arztbesuche stattfinden und die Abrechnung läuft über die Krankenkasse. In anderen Städten und im Umkreis von Münster muss ein Krankenschein beim Sozialamt abgeholt werden. Die dortigen Sachbearbeiter*innen entscheiden, ob ein Behandlungsbedarf besteht. Das stellt eine große Hürde dar, weil eine fachfremde Person über den Behandlungsbedarf und über die finanziellen Mittel hierfür entscheiden muss.

Wie sind deine bisherigen Erfahrungen bei der Arbeit?

Unsere Zusammenarbeit mit den Frauenberatungsstellen und den Frauenhäusern läuft viel routinierter ab. Jeder weiß, was die Stärken der jeweiligen Akteurinnen sind. Insgesamt ist die Thematik für uns viel „normaler“ geworden. Auch die Zusammenarbeit mit den Psychotherapeuten, die noch einige Fragen und Sorgen hatten (z. B. bezüglich der Therapie mit einem Dolmetscher oder auch Klienten, die gerade aus einem anderen Land gekommen sind), gestaltet sich routinierter.

Durch die Mehrfachdiskriminierung, die einige Geflüchtete erleben oder erlebt haben, aber auch durch die Art der traumatischen Ereignisse, wie z. B. Diskriminierungen auf der Flucht oder Zwangsprostitution, wirken die Themen auf einige Fachkräfte sehr abschreckend und überfordernd. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Menschen über sehr viele Ressourcen verfügen und sehr resilient sind. Dementsprechend ist nicht nur ein problemorientiertes, sondern auch ein ressourcenorientiertes Arbeiten sehr wichtig.

Was sind eure Ziele?

Unsere Ziele sind vielseitig und orientieren sich in erster Linie daran, die Geflüchteten zu bestärken und dabei zu unterstützen, ihre eigenen Rechte zu kennen und durchzusetzen. Wir unterstützen sie in rechtlichen Angelegenheiten und versuchen, den Aufenthalt zu sichern. Wichtig ist uns aber auch, politisch auf die Strukturen einzuwirken und für den spezifischen Bedarf unserer Zielgruppe zu sensibilisieren, sodass z. B. die EU- Aufnahmerichtlinie umgesetzt wird. Auch die jeweiligen Städte sollen auf das Thema „häusliche Gewalt gegenüber Geflüchteten“ aufmerksam gemacht werden. Wir versuchen, Kooperationspartner zu gewinnen, die ebenfalls auf die spezifische Zielgruppe sensibilisiert werden, um in einen gegenseitigen Austausch zu kommen und voneinander zu lernen.  So können wir alle in Fällen häuslicher Gewalt bei Geflüchteten zugunsten der Opfer handeln.


Allgemeine Aspekte, die Krankenhäuser berücksichtigen sollten

Krankenhäuser müssen für die Sicherheit des Opfers sorgen:

  • Zu einer angemessenen Versorgung der/des von Gewalt betroffenen Patientin/Patienten gehört auch der Schutz vor weiteren Übergriffen im Krankenhaus.
  • Befragen und behandeln Sie den Patienten oder die Patientin allein. Bitten Sie eine mögliche Begleitperson, wegzugehen und später wiederzukommen.
  • Wenn sich herausstellt, dass es sich um ein Problem partnerschaftlicher Gewalt handelt, besprechen Sie Schutzmaßnahmen.
  • Fragen Sie die Patientin/den Patienten, ob sie/er möchte, dass ihr/sein Partner zurückkommt und sie/ihn abholt. Wenn ja, sollte dieser Wunsch respektiert werden.

Schutz bei stationärem Aufenthalt:

  • Besprechen Sie mit der Patientin/dem Patienten, wer sie/ihn besuchen darf und wer nicht. Stellen Sie insbesondere sicher, dass der Partner/die Partnerin, der/die Gewalt anwendet, keinen Zugang zum Patienten hat, wenn das Opfer dies nicht wünscht.
    • Besprechen Sie mit dem Patienten, wo er/sie sein sollte und wo nicht (leicht zugängliche Warteräume bieten z. B. keinen Schutz).
    • Für Stationssitzungen: Erörtern Sie die Sicherheit der Patienten, erstellen Sie einen Sicherheitsplan und diskutieren Sie die Umsetzung des Plans, informieren Sie alle.
    • Bitten Sie in akuten Gefahrensituationen um Polizeischutz.

Umgang mit Tätern in Krankenhäusern:

Wenn ein Täter oder eine Täterin unerwartet auftaucht, und der Patient/die Patientin nicht möchte, dass er/sie dabei ist:

  • Machen Sie deutlich, dass er/sie das Krankenhaus verlassen muss. Dies kann z. B. mit den folgenden Worten geschehen: „Wir haben Sicherheitsvorschriften für unsere Patienten, bitte verlassen Sie sofort das Krankenhaus. “
  • Lassen Sie sich nicht auf ein Gespräch mit dem Täter/der Täterin über das Geschehene ein. Sagen Sie: „Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wir können Ihnen keine Informationen geben.“
  • Informieren Sie den Täter/die Täterin zudem, dass er/sie den Patienten oder die Patientin in Ruhe lassen muss. Dies kann mit folgenden Worten geschehen: „Herr/Frau xx, bitte lassen Sie Frau/Herr xx in Ruhe und nehmen Sie keinen Kontakt zu ihr/ihm auf. Sie könnten sonst in Schwierigkeiten geraten. Gewalt ist keine Lösung. Bitte gehen Sie jetzt.“
  • Wenn der Täter/die Täterin immer noch nicht geht, wiederholen Sie die Bitte und teilen Sie ihm/ihr mit, dass die Polizei geholt wird, wenn er/sie nicht geht: „Ich bitte Sie nochmals dringend, das Krankenhaus zu verlassen. Wenn Sie das nicht tun, rufen wir die Polizei.“
  • Verlässt der Täter/die Täterin das Krankenhaus nicht, rufen Sie die Polizei.


  1. Hindernisse beim Ansprechen häuslicher Gewalt
  2. Kommunikationsstrategien
  3. Exkurs – Verschiedene Formen der medizinischen Betreuung
  4. Screening-Fragen zu häuslicher Gewalt
  5. Reaktion auf das Ansprechen häuslicher Gewalt
  6. Fragen, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt auftreten können
  7. Kommunikation im Gesundheitsteam
  8. Visuelle Kommunikation

    Im Blickpunkt: Gynäkologie/Geburtshilfe, Chirurgie und Pädiatrie
  9. Gynäkologie/Geburtshilfe
  10. Notaufnahme
  11. Pädiatrie

    Im Blickpunkt Zahnheilkunde
  12. Zahnheilkunde

    Quellen

Einleitung

Willkommen zu Modul 3 über „Kommunikation in Fällen von häuslicher Gewalt“. In diesem Modul befassen wir uns mit den wichtigsten Aspekten der Kommunikation beim Umgang mit häuslicher Gewalt. Das Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen dem Ansprechen von häuslicher Gewalt und der Verwendung wirksamer Kommunikationsstrategien ist von entscheidender Bedeutung für eine gute Betreuung von Betroffenen.

Fachkräfte aus dem medizinischen Bereich finden in diesem Modul ausführliche Informationen, wie man mit von Gewalt betroffenen Personen respektvoll kommuniziert. Außerdem wird in den Spotlights ein besonderer Schwerpunkt auf Gynäkologie/Geburtshilfe, Notaufnahme (Chirurgie), Pädiatrie und Zahnmedizin gelegt.

Lernziele

+ Verstehen, welche bestehenden Barrieren im Gesundheitssystem Personen davon abhalten, über häusliche Gewalt zu sprechen.

+ Kommunikationsstrategien erlernen, die auf die spezifischen Herausforderungen von Fällen häuslicher Gewalt zugeschnitten sind.

+ Screening-Fragen kennenlernen.

+ Angemessen und einfühlsam reagieren, wenn häusliche Gewalt angesprochen wird, damit sich Betroffene unterstützt und verstanden fühlen.

+ Verstehen und Anwenden von visuellen Kommunikationsmethoden, um die Kommunikation in Fällen häuslicher Gewalt zu verbessern.

+ Auf das Ansprechen häuslicher Gewalt richtig reagieren.


1. Hindernisse beim Ansprechen häuslicher Gewalt

Menschen, die häusliche Gewalt erleben, können auf verschiedene Herausforderungen stoßen, die es ihnen erschweren, offen über ihre Situation zu sprechen.

Bitte klicken Sie auf die Kreuze unter den einzelnen Begriffen in der Abbildung, um weitere Informationen zu einigen gängigen Barrieren zu erhalten:

Bitte denken Sie daran: Betroffene von häuslicher Gewalt haben verschiedene soziale, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Hintergründe sowie unterschiedliches Alter, Geschlecht und sexuelle Orientierung. Es kann sich auch um Menschen mit Behinderung handeln. Es ist wichtig zu verstehen, dass es KEIN „typisches Opfer“ gibt.

Auch wenn hier in einigen Beispielvideos eine Frau in einer heterosexuellen Beziehung als Betroffene von häuslicher Gewalt dargestellt wird, lassen Sie sich bitte nicht täuschen. Auch wenn die Opfer häuslicher Gewalt weit überwiegend Frauen und die Täter:innen zu ca. 90 % Männer sind, können alle betroffen sein; insbesondere Kinder, aber auch Männer, trans und non-binäre Personen,  sowie Personen mit Behinderungen jeden Geschlechts. Das Gleiche gilt für Täter:innen. Für weitere Informationen zu Täter:innen (siehe Modul 1). Außerdem kann häusliche Gewalt zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, Eltern und Kindern, Geschwistern, Onkeln, Tanten, Cousins, Cousinen, Großeltern oder sogar Mitbewohner:innen auftreten.


2. Kommunikationsstrategien

Um eine respekt- und vertrauensvolle Kommunikation über die erlebte Gewalt zu fördern, sollten Sie sicherstellen, dass ein privater Raum ohne Begleitpersonen (Partner:in, Kinder, andere Familienmitglieder oder familienfremde Bezugspersonen) für ein ungestörtes Gespräch zur Verfügung steht. Im Allgemeinen ist es sinnvoll „Ich-Botschaften“ zu verwenden. Diese können gezielt eingesetzt werden, um Ambivalenzen von Betroffenen während eines Gesprächs zu vermindern.

Bitte klicken Sie in der Illustration auf die Kreuze unter den einzelnen Begriffen, um weitere Informationen zu erhalten.


In der Regel begleiten die Täter:innen Betroffene ins Krankenhaus oder in eine Praxis. Sie wollen nicht, dass die verletzten Personen mit dem medizinischen Personal alleine sind. Die Herausforderung besteht darin, die Patient:innen alleine zu sehen, ohne die Täter:innen wütend zu machen und dadurch das Risiko einer späteren Eskalation der Gewalt zu erhöhen.

Hier sind einige Vorschläge, wie dies erreicht werden kann:

  • Bitten Sie die Begleitperson, zusätzliche Papiere auszufüllen.
  • Erklären Sie der Begleitperson z. B. in der Notaufnahme, dass radiologische Untersuchungen notwendig sein können, bei denen ein hohes Risiko einer Röntgenexposition besteht, und dass sie aus Sicherheitsgründen nicht in den Untersuchungsraum gelassen werden kann.
  • Erklären Sie, dass die Krankenhauspolitik es nicht zulässt, Patient:innen während der Untersuchung zu begleiten. Das folgende Video ist ein gutes Beispiel dafür, wie man dies vermitteln kann:
Untertitel aktivieren: Klicken Sie während des Abspielens im Bildschirmbereich unten auf das Untertitel-Symbol (kleines Viereck mit Strichen). Der Untertitel wird direkt eingeblendet. Um die Untertitelsprache zu ändern, klicken Sie auf das Zahnrad daneben und wählen unter „Untertitel“ die gewünschte Sprache aus.
Hier geht es zu einem Erklärvideo.

Patient:innen geben in Gesprächen mit ihren Ärzt:innen oft Hinweise (direkte oder indirekte Kommentare) zu persönlichen Aspekten ihres Lebens oder ihren Gefühlen. Die Hinweise sollten aufgegriffen werden, denn sie bieten die Möglichkeit, durch Verständnis und Einfühlungsvermögen die therapeutische Zusammenarbeit zu vertiefen, die das Herzstück jeder klinischen Versorgung sein sollte.2

Empathisches Zuhören bedeutet, die Signale der Patient:innen zu erkennen und implizite Aufforderungen zum Antworten aufzugreifen. Diese Signale können z.B. darin bestehen, dass die emotionale Intensität einer Erzählung abnimmt, die Patient:innen tief seufzen oder das Gesprächsthema wechseln. In solchen Momenten ist es wichtig, darauf zu reagieren und gleichzeitig die medizinische Versorgung fortzusetzen. Durch verbale Rückmeldungen können Sie Empathie zeigen, indem Sie die Patient:innen ermutigen, mehr zu erzählen oder rückmelden, dass Sie zuhören und verstehen.3

Fallstudie: Ansprechen von häuslicher Gewalt in der medizinischen Praxis

Herr Kurz, ein 80-jähriger Witwer, suchte wegen Angstzuständen und Anzeichen einer Depression einen Arzt auf.

Dr. Müller: „Guten Morgen, Herr Kurz. Wie geht es Ihnen heute?“

Herr Kurz: „Ach, wissen Sie, nur die üblichen Wehwehchen, die mit dem Alter kommen. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.“

Dr. Müller: „Das verstehe ich. Aber ich bin hier, um Ihnen zu helfen, falls Sie irgendwelche Sorgen haben sollten. Haben Sie etwas auf dem Herzen, das Sie besprechen möchten?“

Herr Kurz: „Nun, Herr Doktor, es sind nicht nur die körperlichen Dinge. Ich fühle mich in letzter Zeit niedergeschlagen und ständig müde.“

Dr. Müller: „Es ist wichtig, dass Sie mir das gesagt haben Herr Kurz. Danke sehr. Lassen Sie uns darüber sprechen, was Ihnen gerade auf der Seele liegt. Gibt es neben den körperlichen Beschwerden irgendwelche Veränderungen in Ihrem Leben oder in Ihren Beziehungen, die sich auf Ihr Wohlbefinden auswirken könnten?“

Herr Kurz: (zögernd) „Es ist … nicht leicht, darüber zu sprechen. Aber es geht um Jessica, meine Betreuerin. Die Dinge laufen gerade nicht gut.“

Dr. Müller: „Es erfordert immer Mut, über schwierige Situationen zu sprechen. Können Sie mehr darüber erzählen, was nicht gut läuft?“

Herr Kurz: „Sie wird oft wütend und es fallen verletzende Worte. Ich habe das Gefühl, dass ich wie auf Eierschalen laufe, wissen Sie, was ich meine?“

Dr. Müller: „Es tut mir leid, das zu hören, Herr Kurz. Das klingt nicht einfach, damit umzugehen. Können Sie mir mehr darüber erzählen, wie sich das auf Sie auswirkt?“

Herr Kurz: (zurückhaltend) „Es beeinträchtigt meinen Schlaf und meine Stimmung. Ich fühle mich in meinem eigenen Haus gefangen.“

Dr. Müller: „Danke, dass Sie mir diese Informationen anvertrauen.“

Herr Kurz: „Ich will nur, dass es aufhört, Herr Doktor. Es wirkt sich auf meine Gesundheit aus, sowohl körperlich als auch mental.“

Dr. Müller: „Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Wir können gemeinsam an der Lösung dieser Probleme arbeiten. Wenn es für Sie in Ordnung ist, könnten wir auch darüber nachdenken, andere zur weiteren Unterstützung hinzuziehen.“

Herr Kurz: „Vielen Dank, Herr Doktor. Ich wusste nicht, ob ich überhaupt etwas sagen sollte. Aber ich wüsste auch nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte.

Dr. Müller: „Sie sind damit nicht allein, Herr Kurz. Wir kümmern uns gemeinsam darum, Ihre Sicherheit und Ihr Wohlbefinden zu gewährleisten und die richtigen Leute einzubeziehen, um Sie in dieser schwierigen Situation zu unterstützen.“


3. Exkurs – Verschiedene Formen der medizinischen Betreuung

3.1. Traumainformierte Versorgung
Untertitel aktivieren: Klicken Sie während des Abspielens im Bildschirmbereich unten auf das Untertitel-Symbol (kleines Viereck mit Strichen). Der Untertitel wird direkt eingeblendet. Um die Untertitelsprache zu ändern, klicken Sie auf das Zahnrad daneben und wählen unter „Untertitel“ die gewünschte Sprache aus.
Hier geht es zu einem Erklärvideo.

Hinweis: Auch wenn das Video aus den USA stammt, ist die Situation in Europa vergleichbar. Für weitere Informationen siehe Modul 2 und das Kapitel „2. Auswirkungen von häuslicher Gewalt“.

Ein traumainformierter Pflegeansatz erkennt an, dass Gesundheitsorganisationen und Pflegeteams ein vollständiges Bild der Lebenssituation von Patient:innen – in der Vergangenheit und in der Gegenwart – haben müssen, um wirksame Versorgung anbieten zu können. Die Einführung traumainformierter Praktiken kann die Therapietreue und Ergebnisse von Behandlungen sowie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden im Gesundheitssektor und der Patient:innen verbessern. 7

Traumainformierte Versorgung hat folgende Ziele: 8

  1. Erkennen von weitreichenden Auswirkungen von Traumata und Verständnis für die Wege der Genesung;
  2. Erkennen der Anzeichen und Symptome von Traumata bei Patient:innen, Familien und Mitarbeitenden;
  3. Integration von Wissen über Traumata in Richtlinien, Verfahren und Praktiken; und
  4. Aktive Vermeidung einer erneuten Traumatisierung sowohl von Patient:innen als auch von Mitarbeitenden.

Hier gibt es weitere Videos, die die Vorteile der traumainformierten Pflege zeigen (verfügbar in Englisch).


3.2. Patientenzentrierte Versorgung

Eine patienten- und familienzentrierte Pflege fördert eine aktive Partnerschaft und gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Patient:innen, Familien und Mitarbeitenden des Gesundheitssektors, um einen maßgeschneiderten und umfassenden Pflegeplan zu entwickeln und entsprechend umzusetzen. Die meisten Definitionen der patientenzentrierten Versorgung enthalten mehrere Schlüsselkomponenten, die die Gestaltung, das Management und die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen bestimmen: 9

  • Eine kooperative, gut koordinierte und leicht zugängliche Versorgung, die sicherstellt, dass die richtige Versorgung zur richtigen Zeit und am richtigen Ort erbracht wird.
  • Umfassende und rechtzeitig weitergegebene Informationen, so dass Patient:innen und ihre Angehörigen fundierte Entscheidungen treffen können.
  • Berücksichtigung der Ziele von Patient:innen als Teil des Gesundheitsversorgungsplans, anstatt Annahmen oder Vorgaben darüber zu machen, was die Ziele sein sollten (dies steht im Einklang mit traumainformierter Pflege). 10
  • Berücksichtigung des aktuellen und früheren Gesundheitszustands der Patient:innen sowie relevanter Informationen (einschließlich Trauma), die sich auf die Gesundheit auswirken können. Diese müssen bei der Pflegeplanung und -durchführung berücksichtigt werden. 11

3.3. Geschlechter- und diversitätssensible Sprache

Viele transgender und gender-diverse Menschen ändern ihren Namen, ihre Pronomen und ihr äußeres Erscheinungsbild, um ihre Geschlechtsidentität zu bestätigen. Es ist daher nicht möglich, die Geschlechtsidentität einer Person anhand ihres Namens, ihres Aussehens oder des Klangs ihrer Stimme zu erkennen. Männer mit hoher Stimme werden am Telefon oft mit „Frau“ angesprochen. Das kann sehr belastend sein. 12

Eine geschlechter- und diversitätsinklusive Gesellschaft beginnt mit der Kommunikation. Nutzen Sie diese Beispiele für ein optimales Vorgehen in der geschlechtergerechten Kommunikation als Leitfaden für einen respektvollen, angemessenen Umgang mit Patienten und Patientinnen: 13

Optimales VorgehenBeispiele
Vermeiden Sie bei der Ansprache von Patient:innen geschlechtsspezifische Begriffe wie „Herr“ oder „Frau“.„Wie kann ich ihnen heute helfen?“
Wenn Sie über Patient:innen sprechen, vermeiden Sie Pronomen oder andere geschlechtsspezifische Begriffe. Wenn Ihnen der Name des Patienten/der Patientin bekannt ist, verwenden Sie ihn anstelle von Pronomen.„Max Muster ist hier für einen Termin um 15 Uhr“
„Ihr 15-Uhr-Termin ist da“
„Sie haben einen Termin“
Fragen Sie höflich nach, wenn Sie sich über den Namen einer:s Patient:in oder die verwendeten Pronomen unsicher sind.„Wie heißen sie und wie möchten sie angesprochen werden?“
„Ich möchte respektvoll sein. Wie möchten sie angesprochen werden?“
Fragen Sie respektvoll nach, wenn die Namen nicht mit denen in Ihren Unterlagen übereinstimmen.„Könnte ihre Krankenakte unter einem anderen Namen geführt werden?“
„Wie lautet der Name auf ihrer Krankenkassenkarte?“
Haben Sie das falsche Pronomen verwendet? Entschuldigen Sie sich höflich.„Ich entschuldige mich dafür, dass ich das falsche Pronomen verwendet habe. Ich wollte nicht respektlos sein.“
Fragen Sie nur nach Informationen, die für Ihre Arbeit relevant sind.Fragen Sie sich selbst: Was weiß ich schon?
Was muss ich wissen?
Wie kann ich auf einfühlsame Weise fragen?

Hier finden Sie ein Glossar zur geschlechtlichen Vielfalt: https://www.fu-berlin.de/sites/diversity/_media/FU-Glossar-geschlechtliche-Vielfalt-Stand-220623.pdf

Fallstudie: Geschlechtergerechte Kommunikation in einer medizinischen Praxis

Im Folgenden finden Sie ein Beispiel für eine gute Kommunikation zwischen Claire, einer Transgender-Frau, und Danielle, einer medizinischen Fachangestellten am Empfang einer Praxis.

Danielle: „Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Claire: „Guten Tag. Ich habe um 14.30 Uhr einen Termin bei Dr. Ludwig.“

Danielle: „Ihr Name, bitte?“

Claire: „Claire Becker.“

Danielle: „Es tut mir leid, aber ich finde Sie unter diesem Namen nicht. Kann es sein, dass Ihr Termin mit einem anderen Namen angemeldet wurde?“

Claire: „Oh ja. Ich habe meinen Namen kürzlich von Peter in Claire geändert.“

Danielle: „Alles klar. Ich sehe hier, dass der Termin unter Peter Becker eingetragen ist. Ich entschuldige mich für den Fehler. Ich werde Ihren korrekten Namen sofort in unserem System aktualisieren. Nur um sicherzugehen, dass wir die richtigen Daten verwenden: Könnten Sie mir Ihr Geburtsdatum nennen?“

Claire: „12. November 1987.“

Danielle: „Sehr gut. Und haben Sie Ihren Namen bereits in Ihrer Versicherung geändert?“

Claire: „Nein, habe ich nicht.“

Danielle: „Nur damit Sie es wissen, ich kann den Namen in Ihrer Versicherung nicht für Sie ändern. Aber wir haben hier eine Sachbearbeiterin, die Menschen bei Versicherungs- und Rechtsfragen hilft. Möchten Sie, dass ich Sie mit ihr in Kontakt bringe?“

Claire: „Oh ja, das wäre großartig. Ich danke Ihnen.“

Danielle: „Kein Problem.“


4. Screening-Fragen zu häuslicher Gewalt 14

Die Mehrzahl der von Beziehungsgewalt Betroffenen befürwortet das aktive, einfühlsame Nachfragen durch Ärzt:innen. Gewaltbetroffene Personen empfinden es oft als Erleichterung, wenn sie nicht selbst auf die Ursachen ihrer Verletzungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu sprechen kommen müssen, sondern gezielt und vorsichtig befragt werden.

Wenn die gewaltbetroffene Person Gewalterfahrungen bejaht:

  • Bieten Sie eine sichere und ungestörte Umgebung (Vier-Augen-Prinzip). Ermutigen Sie die Person, darüber zu sprechen.
  • Hören Sie offen und unvoreingenommen zu.
  • Vermitteln Sie, dass Sie das Problem ernst nehmen.

Wenn die gewaltbetroffene Person Gewalterfahrungen verneint:

  • Achten Sie weiter bewusst auf Anzeichen von Gewalt.
  • Stellen Sie Anzeichen von Fremdeinwirkung fest, benennen Sie diese und stellen Sie spezifische Fragen.
  • Auch wenn die:der Patient:in verneint, sollten Behandelnde und Pflegende ihren Verdacht dokumentieren und Informationen über Hilfsangebote geben.

„Nicht alle Patientinnen oder Patienten möchten über erlebte Gewalt reden. Es bleibt die Entscheidung der oder des Betroffenen, wann für sie oder ihn der geeignete Zeitpunkt für ein Gespräch über die Gewalt ist. Für ein Gespräch mit gehörlosen Betroffenen oder einer Person mit geringen Deutschkenntnissen ziehen Sie eine professionelle Übersetzungsfachkraft hinzu. Vertrauen Sie der betroffenen Person, geben Sie ihr eine ehrliche Rückmeldung über den belastenden Charakter der traumatischen Situation.“ 15

Lassen Sie in keinem Fall begleitende Familienangehörige, Kinder oder Freund:innen übersetzen. Achten Sie auf eine zugewandte und geschützte Gesprächssituation.16


Start with asking general questions

Verwenden Sie Aussagen wie diese, um das Thema Gewalt anzusprechen, bevor Sie direkte Fragen stellen. Offene Fragen sollten gestellt werden, um gewaltbetroffene Personen zum Reden zu ermutigen, anstatt nur Ja oder Nein zu sagen. Vermeiden Sie Fragen, die die von Gewalt betroffenen Personen die Schuld für die Gewalt zuschieben.

„Wie läuft es zu Hause?“

„Wie kommen Sie mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin zurecht?“

„Ich weiß, dass viele Menschen Probleme mit Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin haben, mit anderen Familienmitgliedern oder einer anderen Person, mit der sie zusammenleben. Könnte es sein, dass dies auch bei Ihnen der Fall ist?“


Fragen in den entsprechenden Kontext stellen

Schaffen Sie Raum für Stille, damit die Person Zeit hat, ihre Gedanken zu sammeln. Zeigen Sie Geduld und bewahren Sie ein ruhiges Auftreten. Signalisieren Sie aufmerksames Zuhören, sei es durch Nicken oder verbale Hinweise wie „Hmm …“. Bestätigen Sie die Emotionen und ermutigen Sie Ihre Patient:innen, ihre Geschichte in einem für sie angenehmen Tempo zu erzählen.

“Da Gewalt in unserer Gesellschaft leider so häufig vorkommt, habe ich begonnen, alle meine Patienten und Patientinnen danach zu fragen. 18

„Ich werde Ihnen jetzt eine Frage stellen, die ich allen Patienten und Patientinnen stelle.19

„Weil häusliche Gewalt so viele Auswirkungen auf die Gesundheit hat, frage ich jetzt alle meine Patienten und Patientinnen danach.“

Weitere Beispiele

„Aus Erfahrung mit anderen Patienten und Patientinnen befürchte ich, dass einige Ihrer medizinischen Probleme darauf zurückzuführen sein könnten, dass Ihnen jemand wehgetan hat. Ist das der Fall?” 20

“IIch weiß nicht, ob das auch für Sie zutrifft, aber viele meiner Patienten und Patientinnen haben mit missbräuchlichen Beziehungen zu tun. Manche haben zu viel Angst oder es ist ihnen unangenehm, es selbst anzusprechen, deshalb habe ich angefangen regelmäßig danach zu fragen.” 21

“Gewalt betrifft viele Familien. Dies kann zu körperlichen und emotionalen Problemen bei Ihnen und Ihrem Kind führen. Wir bieten allen, die sich Sorgen über Gewalt in ihrem Zuhause machen, Unterstützung an.22


Stellen Sie direkte Fragen

Hier sind einige einfache und direkte Fragen, mit denen Sie beginnen können. Sie zeigen, dass Sie etwas über die Probleme erfahren wollen. Stellen Sie je nach Antwort weitere Fragen und hören Sie sich die Geschichte an. Wenn die gewaltbetroffene Person eine dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet, bieten Sie Unterstützung an.

Sagen Sie nicht, dass es nicht so schlimm sei, und spielen Sie den Schmerz nicht herunter.

„Haben Sie zu Hause oder in Ihrer Beziehung jemals Angst gehabt?“

„Hat Ihnen Ihr Partner/ihre Partnerin oder eine andere Person zu Hause schon einmal gedroht, Sie zu verletzen oder Ihnen körperlichen Schaden zuzufügen? Wenn ja, wann ist das passiert?“

„Versucht Ihr Partner oder eine andere Person zu Hause Sie zu kontrollieren, z. B. indem er/sie Ihnen kein Geld gibt oder Sie nicht aus dem Haus gehen lässt?“

Weitere Beispiele

„Wurden Sie unter Druck gesetzt oder zu sexuellen Handlungen gezwungen, die Sie nicht wollten?“

„Wurden Sie innerhalb des letzten Jahres von jemandem geschlagen, getreten, gestoßen oder anderweitig verletzt? Wenn ja, von wem?“ 23

“Fühlen Sie sich in Ihrer derzeitigen Beziehung sicher?” 24


“Gibt es einen Partner /eine Partnerin aus einer früheren Beziehung, bei dem oder der Sie sich jetzt unsicher fühlen?”
25


Haben Sie sich jemals von einer Ihnen nahestehenden Person kontrolliert oder isoliert gefühlt?
26


“Haben Sie einen sicheren Ort, zu dem Sie im Notfall gehen können?”
27

“Hat Ihr Partner/ihre Partnerin oder eine andere Person zu Hause jemals versucht, Sie zu kontrollieren, indem er/sie gedroht hat, Ihnen oder Ihrer Familie etwas anzutun?” 28

„Wurden Sie jemals von einer Ihnen nahestehenden Person geohrfeigt, geschubst oder gestoßen?“

„Warum leben Sie noch mit Ihrem Partner/Partnerin/ Familienmitglied zusammen?“

„Hätten Sie die Situation vermeiden können?“

Sind Sie ein Opfer häuslicher Gewalt? 29

„Sie haben Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“

„Warum haben Sie das getan …?“


5. Reaktion auf das Ansprechen von häuslicher Gewalt

Die Entscheidung, über Erfahrungen mit häuslicher Gewalt zu sprechen, ist eine individuelle Entscheidung, und Betroffene können sich aus verschiedenen Gründen dafür entscheiden, nicht mit Angehörigen der Gesundheitsberufe darüber zu sprechen, z. B. aus Sorge um die eigene Sicherheit, aus Angst vor möglichen Konsequenzen oder aus mangelndem Vertrauen. Wenn ein:e Patient:in häusliche Gewalt anspricht, erweist sich ein patientenzentrierter Ansatz als vorteilhaft, um der Person und ihrer Familie Unterstützung zu bieten. Fachkräfte des Gesundheitswesens können als Fürsprecher:innen für Betroffene von häuslicher Gewalt fungieren. 30

Beschreibung: Das Video veranschaulicht, wie man auf das Ansprechen von häuslicher Gewalt reagieren sollte.

Wenn sich jemand öffnet, hören Sie aktiv zu, ohne zu urteilen oder Lösungen anzubieten, und geben Sie den Raum, Bedürfnisse zu äußern. Sie können zwar durch Fragen für Klarheit sorgen, aber konzentrieren Sie sich darauf, dass die Person ihre Gefühle mitteilen kann. Achten Sie sowohl auf ausgesprochene als auch auf unausgesprochene Hinweise und wenden Sie die folgenden Techniken an, um den Gesprächspartner:innen zu helfen, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und selbst ein besseres Verständnis zu erzielen.

Experteninterview mit Daniela Dörfler 

Ass. Prof.inin Dr.in med. Daniela Dörfler ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie leitet die Opferschutzgruppe (OSG) des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) der Stadt Wien. Deren Etablierung ist seit 1. Januar 2009 in Zentral- und Schwerpunktkrankenhäusern vorgeschrieben. Mitglieder der OSG sind ärztliche Vertreter:innen der Frauenheilkunde, der Unfallmedizin und der Psychiatrie, des Pflegedienstes sowie der psychologischen oder psychotherapeutischen Versorgung. Ausführliche Informationen zu Opferschutzgruppen: https://toolbox-opferschutz.at/Opferschutzgruppen.

Gerade die Ambulanzen der Krankenhäuser sind oft die erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Personen und bilden somit eine wesentliche Schnittstelle zu Beratungseinrichtungen. Die OSG bieten einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung und Frühintervention bei Gewaltopfern. Weitere Aufgaben sind die Beratung des ärztlichen und des Pflegedienstes bei Verdacht bzw. Vorliegen von Anzeichen von sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt, Sensibilisierung der Mitarbeitenden für Gewalt, das Erstellen von Dokumenten zum strukturierten Vorgehen bei Fragen des Opferschutzes, die Organisation von internen Fortbildungen sowie die Spurensicherung und interdisziplinäre Zusammenarbeit.

In dem Interview beantwortet Ass. Prof.inin Dr.in med. Daniela Dörfler die Fragen, was das Wichtigste in der Kommunikation mit potenziellen Betroffenen von häuslicher Gewalt ist und wie diese angesprochen werden können: https://training.improdova.eu/wp-content/uploads/2021/08/DD_Modul_3.mp4



Befähigung (Empowerment)

Von Gewalt betroffene Personen sollten dabei unterstützt werden, ihre Bedürfnisse und Sorgen zu erkennen und zu äußern. Lassen Sie Stille zu. Wenn die Person weint, geben Sie ihr ausreichend Zeit sich zu erholen.

Es sollten keine „Warum“-Fragen gestellt werden.

Gibt es irgendetwas, was Sie brauchen oder worüber Sie sich Sorgen machen?

Warum haben Sie das getan?

„Warum haben Sie Ihre:n Partner:in/Familienangehörigen verärgert?“

Versuchen Sie nicht, die Gedanken der Person zu Ende zu denken. 31


Vertrauen aufbauen und Einfühlungsvermögen zeigen

Sorgen Sie für Klarheit in der Kommunikation, indem Sie wiederholen, was die von Gewalt betroffene Person gesagt hat, um zu bestätigen, dass Sie das Gesagte verstanden haben. Geben Sie die Emotionen der betroffenen Personen wieder und fassen Sie die von ihr oder ihm geäußerten Bedenken zusammen. Vermeiden Sie Suggestivfragen.

„Sie sagten, dass Sie sehr frustriert sind.“

„Es klingt, als ob Sie darüber verärgert wären…“

„Sie scheinen zu sagen, dass …“

„Ich kann mir vorstellen, dass Sie das verärgert hat, nicht wahr?“

Schauen Sie nicht auf die Uhr und sprechen Sie nicht zu schnell. Gehen Sie nicht ans Telefon, schauen Sie nicht auf Ihren Computer und schreiben Sie nichts auf. 32


Gefühle bestätigen

Versichern Sie der anderen Person, dass ihre Gefühle in Ordnung sind. Schaffen Sie ein sicheres Umfeld, um Gefühle zu teilen, und betonen Sie ein Recht auf ein Leben ohne Gewalt und Angst. Es ist wichtig, aufmerksam zuzuhören, zu verstehen und zu glauben, was die Person mitteilt, ohne zu urteilen oder Bedingungen zu stellen.

„Es ist nicht Ihre Schuld. Sie sind nicht schuld.“

„Es ist in Ordnung, darüber zu reden.“

„Hilfe ist vorhanden.“ [Sagen Sie dies nur, wenn es wahr ist.]

Weitere Beispiele

„Es gibt keine Rechtfertigung oder Entschuldigung für das, was passiert ist.“

„Niemand verdient es, von seinem Partner/seiner Partnerin oder einem anderen Familienmitglied geschlagen zu werden.“

„Ihnen ist das nicht allein passiert. Leider haben auch viele andere Menschen mit diesem Problem zu kämpfen.“

„Jeder/jede verdient es, sich zu Hause sicher zu fühlen.“

„Ich mache mir Sorgen, dass sich dies auf Ihre Gesundheit auswirken könnte.“

„Bitte hören Sie auf sich so schlecht zu fühlen, es könnte schlimmer sein“

„Diese Gefühle werden vergehen, daher brauchen Sie sich keine Sorgen machen.“


Unterstützung anbieten

Sehen Sie die betroffene Person als Expert:in der eigenen Situation. Akzeptieren Sie ihr Verhalten. 33 Geben Sie keine Ratschläge, sondern betonen Sie Ihre Bereitschaft zuzuhören. Signalisieren Sie, dass es keine Entschuldigung für gewalttätiges Verhalten gibt. Nehmen Sie von Gewalt Betroffene ernst. Unterstützen Sie diese dabei, ihre eigenen Bedürfnisse und Sorgen zu erkennen und in Worte zu fassen.

„Ich weiß, dass es schwierig ist, darüber zu sprechen, aber Sie können mit mir reden.“

„Sie sind nicht allein. Ich bin für Sie da.“

„Sie sind nicht verantwortlich für das, was vor sich geht.“

Weitere Beispiele

„Gewalt ist niemals in Ordnung und Sie haben dies nicht verdient.“

„Danke, dass Sie mir das anvertraut haben und ihre Gedanken mit mir geteilt haben.“

„Sie sollten sich auf jeden Fall scheiden lassen“.

„Ich glaube, das entspricht dem typischen ‚Männer’/’Frauen‘-Verhalten und es gibt keinen Grund, überzureagieren“.

Erzählen Sie der Person nicht die Geschichte eines anderen oder sprechen Sie nicht über Ihre eigenen Probleme.34


Konfrontation vermeiden

Wenn die betroffene Person nicht bereit ist, über die Situation zu sprechen, sollten Sie sie nicht dazu zwingen. Warten Sie den richtigen Zeitpunkt ab. Vermeiden Sie jegliche Form von Druck.

„Ich bin da, um zu helfen, und ich stehe zur Verfügung, auch wenn ich verstehe, dass Sie jetzt nicht darüber reden wollen.“

„Denken Sie daran, dass Sie nicht allein sind. Ich werde für Sie da sein, wenn Sie zum Reden bereit sind.“


Eigene Entscheidungen treffen lassen

„Nicht alle Patientinnen oder Patienten möchten über mögliche erlebte Gewalt reden. Es bleibt die Entscheidung der oder des Betroffenen, wann für sie oder ihn der geeignete Zeitpunkt für ein Gespräch über die Gewalt ist.“ 35

„Wie kann ich Sie unterstützen?“

„Wie kann ich dazu beitragen, Ihre Sicherheit zu gewährleisten?“


Möglichkeiten aufzeigen, um Hilfe zu erhalten

Informieren Sie über geeignete Unterstützungsangebote. Sprechen Sie mit der betroffenen Person über die Bedeutung gerichtsfester Befunde. 36 Vermeiden Sie verurteilende Aussagen.

„Hier ist die Nummer Ihres örtlichen Beratungszentrums für häusliche Gewalt. Dort arbeiten Expertinnen, die Ihnen Beratung anbieten können.“

„Ich möchte Ihnen (Ihrem Kind usw.) helfen, gesund und sicher zu sein. Ich möchte Sie gerne unterstützen und gebe Ihnen daher Informationen mit wichtigen Telefonnummern mit, wenn es für Sie sicher ist, diese zu nehmen.“

„Sie sollten unbedingt diese Nummer anrufen und den Täter/die Täterin sofort verlassen!“

„Warum haben Sie sich nicht schon längst von dieser Person getrennt?“

„Wenn Sie früher gekommen wären, hätte ich Ihnen besser helfen können.“


Nächste Schritte:

Sprechen Sie mit der betroffenen Person über Sicherheitsmaßnahmen und Risikobewertung. Weitere Informationen finden Sie in Modul 5: Risikobewertung und Sicherheitsplanung.

Wenn es später zu einem Gerichtsverfahren kommt, könnten Sie als die behandelnden Ärzt: innen über die Opfer befragt werden, daher sollten Sie alles gut dokumentieren. Weitere Informationen finden Sie in Modul 4: Medizinische Untersuchung und Beweissicherung.

Weitere Informationen über die strafrechtlichen Verfahren nach einer Anzeige bei der Polizei finden Sie hier.

Fallstudie: Ansprechen von häuslicher Gewalt in der Arztpraxis

Ein 19-jähriger Patient kommt in eine Hausarztpraxis.

Der Arzt: „Guten Morgen, was kann ich heute für Sie tun?“

Patient: „Ich fühle mich im Moment total überlastet und wollte fragen, ob Sie mich für zwei Wochen krankschreiben können?“

Der Arzt: „Gibt es einen bestimmten Grund, warum Sie sich so fühlen, und ist das früher schon einmal vorgekommen?“

Patient: „Ich habe mich noch nie wegen Überlastung krankschreiben lassen. Aber ich bin vor kurzem aus dem Haus meiner Eltern in meine eigene Wohnung gezogen. Im Moment wird mir einfach alles zu viel.“

Der Arzt: „Wenn Sie sich mit Ihrer Situation so überfordert fühlen, biete ich Ihnen gerne weitere Unterstützung an. Möchten Sie mit mir darüber sprechen?“

Patient: „Hm, es ist mir eigentlich sehr unangenehm darüber zu reden. In der Vergangenheit gab es einige Probleme mit meiner Mutter. Sie ist ein Kontrollfreak und hat ständig mein Handy kontrolliert. Wir haben uns immer gestritten, wenn ich mich mit meinen Freunden oder anderen Familienmitgliedern treffen wollte. Das führte dazu, dass ich mich immer mehr abkapselte und die einzige Gesellschaft, wenn ich das Haus verließ, meine Eltern waren. Meine Mutter las die Nachrichten meiner Freunde, bevor ich die Gelegenheit hatte, sie zu lesen. Ich fühlte mich nicht mehr wohl zu Hause, deshalb beschloss ich auszuziehen. Aber ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war.“

Der Arzt: „Warum denken Sie, dass es ein Fehler war, auszuziehen?“

Patient: „Seit ich in meiner eigenen Wohnung lebe, ruft mich meine Mutter ständig an und schickt mir Nachrichten. Ich fühle mich unter Druck gesetzt, da sie mir ständig mitteilt, dass sie sich etwas antun wird, wenn ich nicht zurückkomme. Ich sehe ihr Auto ständig auf dem Parkplatz: beim Einkaufen, bei der Arbeit oder bei Treffen mit meinen Freunden. Ich habe immer das Gefühl, dass sie in der Nähe ist. Kann das überhaupt ein Zufall sein? Ich habe mich schon viele Male mit ihr getroffen, weil sie mir so leid tat und ich Angst hatte, dass sie sich wirklich etwas antun würde.“


Hier sehen Sie ein Beispielvideo, in dem gezeigt wird, wie man Betroffene ansprechen und unterstützen kann. Weitere Beispiele können weiter unten jeweils im Blickpunkt Gynäkologie/Geburtshilfe, Notaufnahme, Pädiatrie und Zahnheilkunde gefunden werden.

Untertitel aktivieren: Klicken Sie während des Abspielens im Bildschirmbereich unten auf das Untertitel-Symbol (kleines Viereck mit Strichen). Der Untertitel wird direkt eingeblendet. Um die Untertitelsprache zu ändern, klicken Sie auf das Zahnrad daneben und wählen unter „Untertitel“ die gewünschte Sprache aus.
Hier geht es zu einem Erklärvideo.


6. Fragen, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt aufkommen können

Im Folgenden finden Sie Antworten auf einige Fragen, die sich Mitarbeitende im Gesundheitssystem, die mit Betroffenen von häuslicher Gewalt arbeiten, stellen könnten.37

„Was kann ich tun, wenn ich wenig Ressourcen und wenig Zeit habe?“

Das Unterstützen von Betroffenen muss nicht lange dauern und erfordert nicht unbedingt zusätzliche Ressourcen. Manchmal reicht ein Satz, um Gewaltopfern zu vermitteln, dass sie nicht alleine sind, dass Gewalt nie eine Option ist und dass sie sich Hilfe holen können. Außerdem können Sie sich über Ressourcen im und andere Hilfsdienste in Ihrer Gegend informieren.

 „Warum keine guten‘ Ratschläge anbieten?“

Für Gewaltbetroffene ist es wichtig, dass ihnen zugehört wird und dass sie die Möglichkeit haben, ihre Geschichte einer einfühlsamen Person zu erzählen. Die meisten wollen nicht, dass man ihnen sagt, was sie tun sollen. Tatsächlich ist es viel hilfreicher, jemandem zuzuhören und mit Einfühlungsvermögen zu reagieren, als Ihnen vielleicht bewusst ist. Es ist vielleicht das Wichtigste, was Sie tun können. Von häuslicher Gewalt betroffene Personen müssen ihren eigenen Weg finden und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Darüber zu sprechen, kann ihnen dabei helfen.

Es sollten jedoch auch Informationen (z. B. in Form von Broschüren) über verfügbare Ressourcen (z. B. finanzielle Unterstützung, Kontaktdaten von Unterkünften) angeboten werden.

„Warum gehen Gewaltbetroffene nicht einfach?“

Es gibt viele Gründe dafür, dass Betroffene in gewalttätigen Beziehungen bleiben. Es ist wichtig, sie nicht zu verurteilen und sie nicht zu drängen, die Beziehung zu verlassen. Sie müssen diese Entscheidung selbst treffen, mit ihrem eigenen Tempo. Zu den Gründen zu bleiben gehören:

  • Finanzielle, soziale und andere Abhängigkeiten: Viele Betroffene fühlen sich von ihren Partner:innen, Familienmitgliedern oder Betreuer:innen abhängig.
  • Normalisierung von Gewalt: Manche Betroffene denken, dass Gewalt in Beziehungen normal ist und dass alle Partner:innen/Familienmitglieder gewalttätig und kontrollierend sind, oder glauben, dass sie es verdienen.
  • Angst: Manche Betroffene haben Angst vor einer extremen und gewalttätigen Reaktion, wenn sie die Beziehung verlassen.
  • Fehlende Unterstützung: Keine Anlaufstelle bzw. keine Unterstützung zu haben, kann eine Trennung erschweren.

Weitere Informationen über die Dynamik der häuslichen Gewalt finden Sie in Modul 2.

„Wie kann man in eine solche Situation geraten?“

Es ist wichtig, dass Sie den von Gewalt Betroffenen nicht die Schuld für das Geschehene geben. Dies steht einer guten Betreuung im Weg. Gewalt ist niemals und in keiner Situation angebracht. Für Gewalt gibt es keine Entschuldigung oder Rechtfertigung. Niemand hat es je verdient, Gewalt zu erleben.

„So hat man uns das nicht beigebracht.“

Mitarbeitenden im Gesundheitssektor wird im Allgemeinen beigebracht, dass ihre Hauptaufgabe darin besteht, Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. In dieser Situation ist es jedoch nicht hilfreich, den Fokus auf medizinische Belange zu beschränken. Stattdessen müssen Sie den Menschen in den Mittelpunkt stellen, indem Sie zuhören, die Bedürfnisse und Sorgen von betroffenen Personen erkennen, deren soziale Unterstützung stärken und ihre Sicherheit verbessern. Außerdem können Sie Betroffenen helfen, ihre Möglichkeiten zu erkennen und abzuwägen, und ihnen das Gefühl geben, dass sie die Kraft haben, wichtige Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.

„Was ist, wenn Betroffene von häuslicher Gewalt nicht zur Polizei gehen?“

Respektieren Sie ihre Entscheidung. Lassen Sie sie wissen, dass sie ihre Meinung ändern können. Lassen Sie sie wissen, dass es jemanden gibt, mit dem sie über ihre Optionen sprechen können und der ihnen bei der Anzeigeerstattung hilft, wenn sie sich dafür entscheiden.

„Wie kann ich Vertraulichkeit zusichern, wenn das Gesetz vorschreibt, dass ich das melden muss?“

Wenn Sie gesetzlich verpflichtet sind, Gewalt bei der Polizei anzuzeigen bzw. der Kinder- und Jugendhilfe zu melden, müssen Sie dies der Person mitteilen. Sie können z. B. sagen: „Was Sie mir erzählen, ist vertraulich, das heißt, ich werde niemandem sonst erzählen, was Sie mir mitteilen. Die einzige Ausnahme ist …“.

Informieren Sie sich über die Einzelheiten der gesetzlichen Vorgaben und die Bedingungen, unter denen Sie zur Anzeige bzw. Meldung verpflichtet sind (z. B. sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche). Versichern Sie dem/der Gewaltbetroffenen, dass Sie außerhalb dieser Anzeige-/Meldepflicht niemandem ohne Zustimmung davon erzählen werden. Weitere Informationen über rechtliche Aspekte in verschiedenen Ländern finden Sie in Modul 7.

„Was ist, wenn die Person zu weinen beginnt?“

Geben Sie Raum dafür. Sie können sagen: „Ich weiß, es ist schwierig, darüber zu sprechen. Sie können sich Zeit lassen.“

„Was ist, wenn ich Gewalt vermute, mein:e Patient:in dies aber nicht zugibt?“

Versuchen Sie nicht, sie zu zwingen etwas preiszugeben (Ihr Verdacht könnte falsch sein). Sie können sich trotzdem um sie kümmern und weitere Hilfe anbieten.

„Was ist, wenn Gewaltbetroffene möchten, dass ich mit ihrem:r Partner:in, einem Familienmitglied oder einer:m Betreuer:in spreche?“

Es ist keine gute Idee, dass Sie diese Verantwortung übernehmen. Wenn die betroffene Person jedoch das Gefühl hat, dass es sicher ist und es die Gewalt nicht verschlimmert, kann es hilfreich sein, wenn jemand, den der:die Täter:in respektiert, mit ihm oder ihr spricht – vielleicht ein Familienmitglied, ein:e Freund:in oder ein religiöser Führer. Warnen Sie die betroffene Person allerdings davor, dass es durch eine solche Intervention zu weiterer Gewalt kommen könnte.

„Was ist, wenn der:die Partner:in, das Familienmitglied oder die:der Betreuer:in auch Patient:ein bei mir ist?“

Es ist sehr schwierig, beide als Patient:innen zu haben, wenn es in der Beziehung zu Gewalt kommt. Am besten ist es, wenn ein:e Kolleg:in eine:n der beiden übernimmt, wobei die Vertraulichkeit der Angaben von Betroffenen gewahrt bleiben muss.

„Was ist, wenn ich befürchte, dass der:die Partner:in, das Familienmitglied oder die Betreuungsperson der Betroffenen sie umbringen wird?“

Teilen Sie den Gewaltbetroffenen ehrlich Ihre Bedenken mit, erklären Sie, warum Sie glauben, dass sie ernsthaft gefährdet sein könnten, und erklären Sie, dass Sie mögliche Optionen für ihren Schutz besprechen möchten. In dieser Situation ist es besonders wichtig, sichere Alternativen anzubieten, wo Betroffene hingehen können.

Bereiten Sie sich auf eine solche Situation vor und halten Sie ein Informationsblatt mit den entsprechenden Telefonnummern (z. B. Gewaltschutzzentrum, Frauenhaus) bereit. Achten Sie darauf, dass diese Liste auf dem neuesten Stand ist.

Fragen Sie, ob es eine Vertrauensperson gibt, die Sie in das Gespräch einbeziehen können.

„Was ist, wenn ich mit dem, was ich höre, nicht umgehen kann?“

Ihre Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die der von Gewalt betroffenen Personen, die Sie betreuen. Möglicherweise haben Sie starke Reaktionen oder Emotionen, wenn Sie Betroffenen zuhören oder mit ihnen über Gewalt sprechen. Das gilt besonders, wenn Sie selbst Gewalt erlebt haben oder gerade erleben.

Seien Sie sich Ihrer Gefühle bewusst und nutzen Sie die Gelegenheit, sich selbst besser zu verstehen. Holen Sie sich die Hilfe und Unterstützung, die Sie für sich selbst brauchen.


7. Kommunikation in Gesundheitsteams

Vor allem im hektischen Klinikalltag oder in Arztpraxen kann es Probleme mit Kolleg:innen oder grundsätzliche strukturelle Barrieren beim Thema häusliche Gewalt geben. Leider gibt es Fälle, in denen die Unterstützung von Kolleg:innen oder Vorgesetzten beim Umgang mit häuslicher Gewalt ausbleibt, weil sie sich nicht mit dem Thema befassen wollen.


8. Visuelle Kommunikation

Für Menschen, die häusliche Gewalt erleben, ist es oft schwierig, Informationen oder Beratungs- und Unterstützungsangebote zu finden. Visuelle Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle bei der Sensibilisierung für häusliche Gewalt in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen. Der Einsatz von Hilfsmitteln wie Postern (z. B. mit QR-Codes), Broschüren oder Faltblättern, die strategisch in Wartezimmern, Toiletten und anderen Bereichen platziert werden, ist von wesentlicher Bedeutung. Legen Sie Informationen im Scheckkartenformat über Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten in Waschräumen auf (mit entsprechenden Warnungen, sie nicht mit nach Hause zu nehmen, wenn der:die Täter:in sie finden könnte).

Die visuellen Hilfsmittel vermitteln, dass dies ein sicherer Ort ist, um über häusliche Gewalt zu sprechen, und machen die Unterstützungsmöglichkeiten bekannt. Durch die Schaffung eines visuellen Umfelds, in dem häusliche Gewalt offen angesprochen wird, fühlen sich die Betroffenen eher ermutigt, sich zu melden und Hilfe zu suchen. Dieser proaktive Ansatz trägt dazu bei, das Schweigen über häusliche Gewalt zu brechen und eine unterstützende Atmosphäre in Gesundheitseinrichtungen zu fördern.

Denken Sie daran:

  • Verwenden Sie inklusives Bildmaterial, das die unterschiedlichen Erfahrungen der von Gewalt betroffenen Personen (alle Geschlechter, ohne Stereotypen) genau darstellt.
  • Verwenden Sie Informationen in mehreren Sprachen.
  • Wählen Sie aussagekräftige Bilder, die eine positive Botschaft vermitteln. Vermeiden Sie traumatisierende Bilder, wie z. B. Darstellungen von körperlicher Gewalt, sexualisierte Darstellungen von Betroffenen sowie Bilder, die sich ausschließlich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen beziehen.


Internationale Hilfssignale für häusliche Gewalt:

Dies ist eine internationale einhändige Geste, mit der auf häusliche Gewalt aufmerksam gemacht wird. Sie kann eingesetzt werden, wenn die hilfsbedürftige Person nicht laut sprechen kann, z. B. weil der:die Täter:in in der Nähe ist (im Auto, zu Hause usw.).

Das Signal wird ausgeführt, indem eine Hand hochgehalten wird, wobei der Daumen in die Handfläche gesteckt wird, und dann die vier anderen Finger nach unten geklappt werden, wobei der Daumen symbolisch von den restlichen Fingern umschlossen wird.


Nutzen Sie Informationsbroschüren über häusliche Gewalt oder über lokale Beratungsstellen.

Mögliche Broschüren zum Auslegen in der Praxis:


Wenn es nicht sicher ist, der gewaltbetroffenen Person einen Flyer zu geben, besteht die Möglichkeit, z. B. eine Visitenkarte mit versteckten Telefonnummern und Adressen herzustellen und dann zu übergeben. Ein Beispiel für eine Visitenkarte für Frauen und Männer finden Sie im Fokus Zahnheilkunde.


Buttons zum Anstecken signalisieren, dass dies ein sicherer Ort ist, um über häusliche Gewalt zu sprechen.


Im Blickpunkt: Gynäkologie/Geburtshilfe, Chirurgie und Pädiatrie

9. Gynäkologie/Geburtshilfe

You previously viewed a video where the doctor established a safe space for Jocelyn managing the husband to stay out of the examination room. Now, observe the video where Jocelyn is diagnosed with chlamydia and pay attention to the doctor’s communication style.


Specific questions – sexual assault 38

  • „Have you ever been touched in a way that made you feel uncomfortable?“
  • „Has anyone ever made you to do something sexual when you did not want to?”
  • „Has your partner ever refused to practice safe sex?”

The following video demonstrates appropriate responses when dealing with a patient who has received a positive pregnancy test, providing counselling options, and conducting an assessment for domestic violence.


This example video features Marta during an Oral Contraceptive Visit. As she is originally from Spain, English is not her native language. Observe how the doctor addresses this communication challenge.


Example on how to address domestic violence awareness in midwifery practice:

Due to pelvic discomfort, the midwife instructs Alessia to provide a urine sample. In the restroom of the midwifery practice, Alessia notices a poster with information and data on domestic violence, along with yellow adhesive dots attached to it. Next to these dots, Alessia reads the prompt, „If you would like to talk about domestic violence, please stick one of these dots under your urine container.“ After some hesitation, Alessia takes a dot, affixes it under the urine container, and places it in the designated compartment. 39


10. Surgery, Emergency Room

Unfortunately, the busy clinical environments pose numerous challenges in recognising, addressing, and assisting a victim of domestic violence.

Case study: Recognising and responding to suspected domestic violence

Robin has come to the Emergency room with a suspected fractured arm, cracked ribs and bruising around his neck.

Robin has seen the triage nurse. He told the nurse that his injuries are the result of a fall down the stairs in his flat. Because of the bruise marks around his neck, Dr Andersson is concerned that Robin may be a victim of domestic violence.

Robin: I feel like such a fool! I don’t know what happened, I just tripped at the top of the stairs. I will try to be more careful in the future. Will it take much time to get better?

Dr Andersson: Accidents happen, Robin. Let’s focus on getting you better. I’ve noticed you’ve been here a few times recently. Any particular reason?

Robin: I’m just very clumsy I suppose. I keep falling, you know?

Dr Andersson: But the bruising around your neck is a very unusual injury to sustain from a fall. It’s far more likely to have been caused by pressure being applied, perhaps from someone’s hands…? Is everything okay at home?

Robin: I don’t know what you’re suggesting but everything is just fine. Can you please just fix my arm and let me go home now?

Dr Andersson: I want to make sure you get the right care. Despite what you’re saying, I’m concerned about your injuries. Can you share more about what might be going on at home?

(Robin remains silent)

Dr Andersson: I’m here to help, Robin. If there’s something you’re not comfortable sharing, that’s okay. But it’s crucial for your well-being that we understand the full picture. Now, about these injuries, let’s figure out the best course of action for your recovery.

Robin: (begins to cry) You know, a new roommate moved in a couple of months ago. At first, it was just joking around, funny punches and all. But then it got worse, and he would hurt me. When he’s stressed from university, he takes it out on me. I think I might be depressed. I can’t talk to anyone; I’m scared and feel powerless.

Dr Andersson (pauses and gives Robin time to do so): I know this is difficult to talk about. I appreciate you sharing that, Robin. It’s not easy. You don’t have to go through this alone. It is not ok that your roommate is hurting you and you are afraid of him. It’s essential to address both your physical injuries and emotional well-being. I am really concerned about your safety and would like you to speak with a victim protection group or a specialised NGO.

Case adapted from General Medical Council 2023


11. Paediatrics

Child abuse manifests in diverse forms, and its impact on each child differs. Not all cases involve visible injuries, making it crucial to explore indicators in Module 2. While physical harm may not be evident in most cases, the enduring effects on a child’s neurological, cognitive, and emotional development pose greater challenges. Discover more about the long-term impact of domestic violence on children, whether as witnesses or victims, here.

Talking about Sexual Violence – Could it also be that children make this up? 40

It’s important to know that sexual actions by adults are not part of children’s experience. Therefore, it is highly unlikely that they would invent stories or develop „vivid fantasies“ about it. Lies and imagination are typically children’s attempts to elevate themselves, to „make themselves important.“ However, because sexual violence involves devaluation and shame, children usually do not make up such events. In rare cases, they may name a different person as the perpetrator, perhaps to protect perpetrators close to them. Sometimes, this happens because they are very afraid of him or her. It’s also possible that individual parts of their accounts may be incorrect, but the core information is still accurate.

This applies to teenagers as well, although sexual interactions with adults can be part of their experience. Unlike children, they may be more prone to inventing instances of sexual violence. At the same time, teenagers are well aware of the potential consequences they might face: teenage victims are often blamed and/or stigmatised. Therefore, very few teenagers, like children, fabricate situations to harm adults.

Both teenagers and children, who often have significant hurdles to overcome to communicate, deserve that we believe them, avoiding reflexive disbelief. The fear of not being believed is, by the way, one of the reasons why many choose to remain silent.

And if it destroys the family? 41

One of the greatest fears of children and adolescents who experience domestic/sexual violence within the family is that the family will fall apart if they start talking about it. They feel responsible for the family. It is even worse that this fear is often justified: They often have to endure the ignorance or accusations of other family members once they have found the courage to say what is or what was.

Such an evasive approach to survivors, however, turns responsibilities upside down. It is not the disclosure of domestic/sexual violence within a family that shakes the family to its foundations. The destruction occurred long before: namely, when a parent or another family member used the private sanctuary of the family, where children and all other family members should feel safe, secure, and familiar with each other, to initiate and perpetrate violence.

What if it’s a false suspicion? 42

The concern about doing injustice to someone with a suspicion is widespread. Most false suspicions arise not because children or adolescents are lying but rather because adults quickly express suspicion when they find situations or specific behaviour peculiar or suspicious. Some people interpret changes in behaviour in children and adolescents as seemingly certain signs of domestic/sexual violence or misunderstand their statements. Some are so worried that they speak biasedly with children or adolescents, unintentionally prompting them to respond in a way that is supposedly expected of them.

At the same time, we must know that a suspicion cannot be resolved by confronting the suspected person. Both those wrongly accused and perpetrators equally deny such accusations. That’s why it’s so crucial for experienced professionals to talk to children and adolescents. They are best able to assess how to interpret the statements and whether a suspicion can be substantiated or, on the contrary, dispelled through these statements.

Why do children not disclose? 43

There are a range of reasons why children and young people do not disclose, even when there is physical evidence or an admission of offending by an alleged abuser. These include but are not restricted to:

  • the person who has experienced sexual abuse, or other family member, feeling guilty, fearful, embarrassed, or ashamed
  • a lack of language skills to communicate the abuse
  • a fear of not being believed
  • fear of retribution
  • afraid of threats made by the alleged abuser or a significant other
  • fear of things getting worse due to an adult’s intervention or past negative experiences
  • system and community responses, such as fear of what will happen following the disclosure
  • trauma – the severity of the abuse, being unable to remember the details of the abuse
  • dissociation, which can occur:
    • during the interview or engagement with the child, thereby restricting the practitioner’s ability to obtain information
    • during the abuse, which impacts the child’s ability to remember or articulate the memory of the abuse
  • inability to recognise the activity as abusive
  • cultural considerations (further outlined below)
  • not wanting to talk to strangers
  • the gender of the interviewer
  • lack of parental support, either explicitly voiced or implied
  • lack of confidence in adults and their ability to help.

Some children may choose not to communicate verbally about domestic violence, while others may indirectly disclose by hinting at the details or expressing it in a roundabout manner, such as saying, „sometimes my stepfather annoys my daddy“ or “my aunt, who lives with us, screams a lot”. It is crucial to recognise and respond to these indirect disclosures.

Moreover, many children feel uncertain because the perpetrator is someone they love. Offer initial support that is gender-sensitive and focused on the child or adolescent. This involves: 44

  • listening respectfully and empathetically to the information that is provided;
  • inquiring about the child’s or adolescent’s worries or concerns and needs, and answering all questions;
  • offering a non-judgmental and validating response;
  • taking actions to enhance their safety and minimise harm, including disclosure and, where possible, the likelihood of the abuse continuing, this includes ensuring visual and auditory privacy;
  • providing emotional and practical support by facilitating access to psychosocial services;
  • providing age-appropriate information about what will be done to provide them with care, including whether their disclosure of abuse will have to be reported to relevant designated authorities;
  • attending to them in a timely way and in accordance with their needs and wishes;
  • prioritising immediate medical needs and first-line support;
  • making the environment and manner in which care is being provided appropriate to age, as well as sensitive to the needs of those facing discrimination related to, for example, disability or sexual orientation;
  • minimising the need for them to go to multiple points of care;
  • empowering non-offending caregivers with information to understand possible symptoms and behaviours that the child or adolescent may show in the coming days or months and when to seek further help.

Screening questions

Ask simple questions. The child should not be „interrogated”. Allow silences. If the individual cries, give enough time to recover.

„Is there something you’re sad or worried about?“

„Some kids can get scared at home. What do you believe may scare them?”

“What happens at your house (or daycare) when people get angry?” 45

“Is the mark on your arm a result of parental physical punishment?”


Building trust and showing empathy

This is how you can provide support through validation and empathy. The child should be reassured.

„I believe you.“

„I’m glad you came to me.“

„I’m sorry this happened.”

„Thank you for sharing this information with me.“

More examples

„I am here to listen and support you.“ 46

„A lot of people experience things like this and it is not your fault.“ 47

„I know it takes a lot of courage to talk about it.“ 48

„You are not alone.“49

„Nothing you did caused this.“50

„You are worthy and deserving of a safe and happy life.“ 51

“You should feel lucky you survived”

“Poor you”


It is ok to pause

Don’t pressure them to tell their story. Don’t look at your watch or speak too rapidly. Don’t answer the telephone, look at a computer or write. Don’t interrupt. Wait until they have finished before asking questions.

„I am here”

“Even though you feel uncomfortable, it is better to talk about it. So please answer my questions.”


Take the burden from the child/teenager

If the victim is not ready to talk about the situation, do not force it. Recognise the right time and let the victim know about it. Lay off the pressure.

“What is going on in your house is not your fault.” 52

“It’s OK to have mixed feelings about either or both of your parents/family members”.

“You shouldn’t feel that way”

“Why do your parents fight?”


The SUPER LISTENER was designed by children and young people with experience of domestic abuse. Power Up/Power Down was a participatory project exploring how to improve court ordered contact processes for children. The children who took part in this programme felt that it was important that all adults working with children know what makes a SUPER LISTENER.

Download here: https://www.cypcs.org.uk/resources/super-listener-poster/


Parents or Caregiver

Please watch the video on how to support a caregiver who hasn’t disclosed domestic violence in a paediatric setting.


There are some good sources on how to communicate well with children being subjected to domestic and sexual violence:

https://www.ojp.gov/pdffiles1/Photocopy/161623NCJRS.pdf

https://www.jstor.org/stable/pdf/42854957.pdf

https://www.nationalcac.org/wp-content/uploads/2016/10/Dynamics-of-forensic-interviews-with-suspected-abuse-victims-who-do-not-disclose-abuse.pdf


Spotlight on Dentistry

12. Dentistry

Case study: Recognising red flags and communication in a case suspecting violence in the dental practice

Mrs. Miller presents as a new patient at a dental practice. She comes in because of persistent toothache in her upper jaw. The dentist immediately notices the patient’s anxious and timid behaviour. Although the patient has already filled out a medical history form in the waiting room, the dentist takes a moment to get to know the patient better.

Dentist: „Have you recently moved to K., Mrs Miller?“ 

Mrs Miller: „No, my husband and I have lived here for seven years. I haven’t had any problems with my teeth yet. But now my toothache is giving me such sleepless nights that it’s unbearable.“

Dentist: „OK, then I’ll take a closer look“. At the start of treatment, the dentist recognises a small reddish haemorrhage around the patient’s eyes.

When she tries to look into Mrs Miller´s mouth with her mirror, the patient immediately flinches away. „I’m being very careful,“ she says to the patient. „I’m just trying to get an overview to understand where the pain could be coming from“.

Mrs Miller nods, but her body does not relax. The cramped posture remains. When Mrs Miller is startled during the examination, her scarf slips and the dentist sees several dark purple and already faded haematomas at her neck. The dentist notices it, but doesn’t give it a second thought.

As the dentist cannot see where the toothache is coming from during the examination, she orders an X-ray. „Is that really necessary?“ asks Mrs Miller. „Yes, definitely,“ replies the dentist. „This is your first visit today. I would like to get an overview. Root tips and possible inflammation can only be diagnosed with an X-ray. To do this, I would like to take an overview image (OPG/PSA) showing all the teeth, the jaws and both temporomandibular joints. Furthermore, I cannot clearly see from the external examination where exactly your pain is coming from, i.e. from which tooth. Unfortunately, I can’t help you without having more Information. An X-ray is not painful at all. The machine only goes around you once!“.

When the dentist sees the x-ray, she is shocked. She recognises a fracture of the lower jaw on the x-ray. She wonders why Mrs Miller didn’t come earlier. That must have been hellish pain. When Mrs Miller is back in her treatment chair, the dentist mentions the broken jaw.

Dentist: „I can see a fresh fracture of the lower jaw on the x-ray, which may be responsible for the pain. Do you remember how this injury occurred?“

Mrs. Miller replies: „Oh, that was a long time ago. I can’t really remember it anymore.“

Dentist: „Is everything fine at home? Such injuries often occur when someone has been hurt by someone. Was that the case with you? I also saw several bruises on your neck.”

Mrs. Miller´s eyes fill with tears, but she doesn’t answer the questions. The dentist respects this and doesn’t want to put pressure on her.

At the end of the treatment, however, the dentist gives her a sort of a business card with the hidden numbers of women’s shelters and violence hotlines and explains that she can go there if something at home frightens her or she doesn’t feel safe any longer. She is also welcome to get in touch with her, too in case of need and tells her that nobody is allowed to hurt or frighten another person.

The dentist promptly calls the patient back in to continue the treatment and makes a corresponding note in the patient’s file. She plans to speak to Mrs. Miller again about the situation at home.

Possible reasons why victims do not speak up about domestic violence in the dental practice: 53

  • Assumption that the dentist does not have enough time for this
  • Inhibitions to say something if there is other staff in the treatment room
  • Language barriers, e.g. use of family members as interpreters
  • Assumption that the dentist is not familiar with the issue and is not the right person to talk to
  • Embarrassment, insecurity, lack of trust
  • Gender of the doctor being treated, e.g. in a private conversation

Help for everyday practice: 54

Information on screening on domestic violence can be included directly in the medical history form e.g. „We generally ask our patients about domestic violence!“

The better dentists know how they can help those affected by domestic violence and the more knowledge they have about it in general, the more confident they will feel about raising the issue.

Posters can be put up in the waiting room and information leaflets can be displayed. For more information see 8. Visual Communication.

If it is not safe to give the victim a flyer, it is a good option to design a business card, for example, with concealed numbers and addresses. In this example, a business card was designed for men and one for women, containing information on support centres in the Münster (Germany) area.


Flowchart in dental practice