Modul 5: Risikobewertung und Verbesserung der Sicherheit (Österreich)

  1. Risikofaktoren für häusliche Gewalt
  2. Risikobewertung
  3. Geschlechteraspekte bei der Risikobewertung
  4. Sicherheitsplanung
  5. Kommunikation von Sicherheitsmaßnahmen und Risikobewertung

    Im Blickpunkt: Gynäkologie/Geburtshilfe, Chirurgie und Pädiatrie
  6. Gynäkologie/Geburtshilfe
  7. Notaufnahme
  8. Pädiatrie

    Im Blickpunkt: Zahnheilkunde
  9. Zahnheilkunde

Quellen

Einleitung

Willkommen zu Modul 5: Risikobewertung und Verbesserung der Sicherheit. In diesem Modul werden Sie die entscheidenden Komponenten der Risikobewertung und Sicherheitsplanung bei häuslicher Gewalt kennenlernen. Wir werden uns mit der Identifizierung von Risikofaktoren im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt befassen, mit der Frage, wie man eine Risikobewertung durchführt und warum es notwendig ist, Geschlechteraspekte bei der Risikobewertung zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden wir Strategien für die Sicherheitsplanung und die wirksame Kommunikation von Sicherheitsmaßnahmen und Risikobewertungen vorstellen. Außerdem wird in den Spotlights ein besonderer Schwerpunkt auf Gynäkologie/Geburtshilfe, Chirurgie/Notaufnahme, Pädiatrie und Zahnmedizin gelegt.

Lernziele

+ Durchführung einer Risikobewertung.
+ Erkennen und Berücksichtigen von geschlechterabhängigen Dynamiken bei der Risikobewertung.
+ Verstehen und Entwickeln eines Sicherheitsplans zur Unterstützung der Betroffenen.


Risikomanagement beinhaltet verschiedene Strategien und Maßnahmen, um Betroffene von häuslicher Gewalt jeden Alters zu unterstützen und gleichzeitig die Gefahr zu reduzieren, dass der:die Täter:in weitere Gewalttaten begeht. Das Risikomanagement in Bezug auf den medizinischen Sektor beinhaltet die Überweisung an Unterstützungsdienste für von Gewalt Betroffene, medizinische Betreuung und im Zuge dessen eine kontinuierliche Risikobewertung. Nicht zuletzt ist die Entwicklung eines Sicherheitsplans gemeinsam mit den von häuslicher Gewalt betroffenen Personen nach der Aufdeckung von häuslicher Gewalt ein wesentlicher Bestandteil aller Bemühungen um Risikomanagement.

Risikomanagement umfasst folgendes: 1

  • Sofortiges Angehen von akuten Risiken.
  • Sicherheitsplanung (auch für die Kinder des Opfer).
  • Gespräche mit betroffenen Personen über verfügbare Optionen und Weitervermittlung an relevante Beratungsstellen.
  • Kontinuierliche Bewertung von vorhandenen Risiken über einen längeren Zeitraum, Überwachung von Verschiebungen von Risiken oder Eskalationen der häuslichen Gewalt.
  • Zusammenarbeit mit anderen Diensten durch Weitergabe relevanter Informationen.


Bitte denken Sie daran: Die Opfer von häuslicher Gewalt kommen aus allen sozialen Schichten, sind unterschiedlichen Alters, Geschlechts, können unterschiedlichen Religionen oder Kulturen zugehören und unterschiedliche sexuelle Orientierungen haben. Es ist wichtig zu wissen, dass es KEIN „typisches Opfer“ gibt.

Auch wenn in vielen nachfolgenden Beispielvideos dieses Moduls eine Frau als Opfer in einer heterosexuellen Beziehung dargestellt wird, lassen Sie sich bitte nicht in die Irre führen. Häusliche Gewalt kann zwischen heterosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren, Eltern und Kindern, Geschwistern, Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen, Großeltern, Pflegenden oder sogar Mitbewohner:innen auftreten. Opfer von häuslicher Gewalt kann jede:r sein – Männer, Frauen, nicht-binäre Personen, Kinder oder Menschen mit Behinderungen. Dasselbe gilt für Täter:innen. Weitere Informationen zu Täter:innen finden Sie in Modul 1.


1. Risikofaktoren für häusliche Gewalt

Untertitel aktivieren: Klicken Sie während des Abspielens im Bildschirmbereich unten auf das Untertitel-Symbol (kleines Viereck mit Strichen). Der Untertitel wird direkt eingeblendet. Um die Untertitelsprache zu ändern, klicken Sie auf das Zahnrad daneben und wählen unter „Untertitel“ die gewünschte Sprache aus.
Hier geht es zu einem Erklärvideo.

Es ist wichtig, das Vorhandensein von Risikofaktoren zu ermitteln, die die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation der Gewalt erhöhen und zu einem erneuten Übergriff führen können.3 Zu diesen Faktoren gehören die psychologischen und psychosozialen Profile von Täter:innen und Opfern sowie die Dynamik in deren Beziehung.4 Es handelt sich dabei nicht um kausale Faktoren.5 Das Verständnis von Risikofaktoren ist zentral für eine angemessene Reaktion auf die Offenlegung von häuslicher Gewalt.6 Sie sind häufig keine direkten Auslöser häuslicher Gewalt, sondern spielen eine Rolle als begünstigende Faktoren. Dabei ist zu bedenken, dass diese Faktoren auf unterschiedliche, komplexe Weise interagieren können. Dennoch: Obwohl bestimmte Risikofaktoren häufig mit häuslicher Gewalt einhergehen, verursacht keiner von ihnen Gewalt direkt.

Risikofaktoren im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt werden häufig mit Hilfe eines sozialökologischen Modells7 analysiert. Hierbei variieren die Faktoren auf individueller, Beziehungs-, Gemeinschafts- und gesellschaftlicher Ebene. Bestimmte Risikofaktoren werden in allen Studien kontextunabhängig genannt, während andere kontextspezifisch sind, d.h. sie variieren zwischen und innerhalb von Ländern, z. B. in ländlichen und städtischen Gebieten.

Ökosystemisches Modell zur Erklärung von Gewalt:


Mögliche Indikatoren für erhöhtes Risiko: 9
· Plötzliche Veränderung im Verhalten des Täters/der Täterin
· Betroffene erzählen Ihnen: „er/sie verursacht bei mir eine Gänsehaut“, „er/sie hat diesen Blick in seinen/ihren Augen“.
· Gewalttätigkeit gegenüber Tieren
· Substanzmissbrauch, z. B. Alkoholismus, Drogen usw.
· Strangulation
· Schwangerschaft
· Trennung und Scheidung
· Die von Gewalt betroffene Person ist in einer neuen Beziehung
· Der Täter/die Täterin hat das Sorgerecht für die Kinder verloren
· Verstoß gegen ein Betretungs- und Annäherungsverbot bzw. eine einstweilige Verfügung

  • Vorhandensein von gemeinsamen Kindern
  • Das enge Familiennetzwerk wird vom Täter/der Täterin genutzt, um Informationen über das Opfer zu sammeln, um Druck aufrechtzuerhalten usw.
  • Datenschutzbestimmungen behindern die Einbeziehung weiterer Fachleute
  • Mangelnde Information und problematischer Schutz von Opfern nach Inhaftierung/Verurteilung des Täters/der Täterin

Zwar gibt es mehrere gemeinsame Risikofaktoren für verschiedene Formen häuslicher Gewalt, doch können auch spezifische Risikofaktoren für bestimmte Situationen/Gruppen bestehen.

Spezifische Risikofaktoren: Gewalt nach der Trennung

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass mit dem Ende einer Beziehung auch die Gewalt und die Konflikte enden; in vielen Fällen ist das Gegenteil der Fall. Anstatt abzunehmen, kann die Gewalt nach einer Trennung eskalieren und intensiver werden. Studien zeigen, dass viele Opfer von häuslicher Gewalt auch nach der Trennung weiterhin wiederholter Gewalt ausgesetzt sind 11 und internationale Untersuchungen auf der Grundlage von Kriminalitätsstatistiken berichten von einer Rückfallquote von 15-60 Prozent. 12 13

Der Begriff „Gewalt nach Trennung“ beschreibt ein dauerhaftes Muster von Einschüchterungstaktiken gegenüber einer ehemaligen Partnerin/einem ehemaligen Partner. Im Wesentlichen geht es um die Aufrechterhaltung und Verstärkung des in der Beziehung bereits bestehenden Machtungleichgewichts. 14 Die meisten Forschungsarbeiten über Gewalt nach einer Trennung haben sich bisher auf Gewalt von Vätern gegen Mütter konzentriert, 15 aber Gewalt nach einer Trennung können alle erfahren.

Gewalt nach einer Trennung kann viele Formen annehmen. Die wichtigsten sind:

  • Ausnutzen des Rechtssystems, d.h. der Täter/die Täterin nutzt seine/ihre gesetzlichen Rechte, um weiterhin Gewalt in verschiedenen Formen auszuüben. Dazu kann z. B. die Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen das Opfer gehören, um sie/ihn zu kontrollieren oder einzuschüchtern. Eine weitere Strategie ist die Durchsetzung des Sorgerechts/Besuchsrechts für das Kind mit der Absicht, während oder nach der Trennung Dominanz und Kontrolle über die Mutter auszuüben. 16, 17
  • Finanzielle Gewalt als Mittel der Kontrolle innerhalb des Rechtssystems. 18 Der Täter/die Täterin kann versuchen, die Unterhaltsregelungen für das Kind zu ändern, das alleinige Sorgerecht anstreben (um sich den finanziellen Verpflichtungen zu entziehen), Gerichtsverfahren in die Länge ziehen (um überhöhte Zahlungen auszuhandeln) oder sich weigern, seinen/ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. 19 Diejenigen, die zu dieser Art von Gewalt greifen, können über ihre finanzielle Situation täuschen, Vermögen verstecken oder die Beschäftigung wechseln, um eine Aufteilung der Ressourcen zu vermeiden. 20 Die Verlängerung von Gerichtsverfahren kann für die davon betroffenen Personen auch eine finanzielle Belastung darstellen, denn je länger das Verfahren dauert, desto höher sind die Kosten für sie.
  • Machtausübung über die Kinder: Untersuchungen haben gezeigt, dass in Beziehungen mit häuslicher Gewalt häufig Kinder leben. 21 Dies bedeutet, dass viele Kinder in einer Dynamik leben, in der es zu Gewalt zwischen den Eltern gekommen ist und in der die Gewalt nach der Trennung weitergeht. Dadurch kann der Täter/die Täterin Macht und Kontrolle über die Kinder ausüben. Kinder können benutzt werden, um das Gewaltopfer zu kontrollieren oder zu manipulieren. Dies kann zu einer Vielzahl negativer Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit und Lebensqualität des Kindes führen. 22
  • Diffamierung des Charakters: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Gewaltopfer nach der primären Viktimisierung in verschiedenen sozialen Prozessen weiter viktimisiert werden (sekundäre Viktimisierung). 23 24 Forschung zeigt, dass sekundäre Viktimisierung auftritt, wenn Betroffene erwarten, man glaube ihnen, sie würden Bestätigung und Schutz erleben, stattdessen jedoch Schuldzuweisungen, Ignoranz oder Herunterspielen ihrer Aussagen erfahren. 25
  • Anhaltende Belästigung oder Stalking/beharrliche Verfolgung: Darunter fallen Drohungen, Belästigung, Einschüchterung, Kontrolle, Eindringen in den Privatbereich, Einsperren und Omnipräsenz, d. h. die ständige Anwesenheit des Täters/der Täterin, die auch noch lange nach der Trennung andauern kann 26
  • Traumatisierung und soziale Isolation: Bei Gewaltopfern bleibt eine Traumasymptomatik oft viele Jahre nach der Trennung vom Täter bestehen. 27 Ein hoher Anteil dieser Personen entwickelt eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD). 28 Es ist wichtig zu betonen, dass verschiedene Arten von Gewalt, auch scheinbar schwächere, zu einer Traumatisierung führen können, nicht nur schwere körperliche oder sexuelle Gewalt. 29 In vielen Fällen können diese Symptome als andere Arten von psychiatrischen und somatischen Gesundheitsproblemen interpretiert werden, was eine angemessene Betreuung und Behandlung behindern kann. 30 Darüber hinaus können Menschen, die wiederholten und lang anhaltenden traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren, komplexere Symptome entwickeln, wie z. B. eine gestörte Affektregulation, Dissoziation und Probleme im Zusammenhang mit Aufmerksamkeit oder Gedächtnis. 31 Wenn von häuslicher Gewalt betroffene Personen im Rahmen von Befragungen mit Beschuldigungen und Verdächtigungen konfrontiert werden, besteht die Gefahr, dass sich die Traumatisierung und negative Folgen des Traumas verstärken. 32

Die Reaktion der Umgebung auf Gewalt nach der Trennung 33 hat entscheidende Auswirkungen auf die Opfer, da das Leben nach der Trennung von einem gewalttätigen Partner/einer Partnerin durch viele Hürden gekennzeichnet sein kann. Es ist wichtig, mehr über die Anzeichen, Muster und Auswirkungen von Gewalt nach einer Trennung zu verstehen, insbesondere in Bezug auf die psychische und physische Gesundheit sowie die Lebensqualität der Betroffenen.

Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Gesellschaft Gewalt nach einer Trennung ernst nimmt und den Betroffenen Unterstützung bietet. Dazu gehört der Zugang zu Unterkünften, Beratung, Rechtsbeistand und anderen Ressourcen, die helfen können, die Unabhängigkeit und Sicherheit der betroffenen Personen wiederzuerlangen.

Spezifische Risikofaktoren: Häusliche Gewalt gegen ältere Menschen 34
Ist hier kein Video zu sehen, bitte einen anderen Browser verwenden oder hier klicken: https://www.youtube.com/watch?v=TcBKochvr-k

Das Video macht deutlich, dass eine Demenzerkrankung ein Risikofaktor für das Auftreten von häuslicher Gewalt ist.

Individuelle Risikofaktoren:

  • Überforderung durch die Pflegeaufgaben aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden Vorbereitung oder Ausbildung der pflegenden Person
  • Unzureichende Stressbewältigung der pflegenden Person
  • Hohe finanzielle und emotionale Abhängigkeit des hilfsbedürftigen älteren Menschen
  • Frühere Familienkonflikte
  • Unfähigkeit, positive prosoziale Beziehungen aufzubauen oder aufrechtzuerhalten
  • Mangel an sozialer Unterstützung
  • Mangel an eigenen finanziellen Ressourcen
  • Demenz der zu pflegenden Person

Spezifische Risikofaktoren für erneute Gewalt 35

  • Auf individueller Ebene gibt es Hinweise auf einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status des Opfers und dem erneuten Auftreten von Gewalt.
  • Auf der zwischenmenschlichen Ebene war die Dauer des Zusammenlebens ein besserer Prädiktor für die erneute Gewalt als der Familienstand. Die Vorgeschichte einer körperlichen Misshandlung in der Beziehung war ein wichtiger Prädiktor für erneute Misshandlung.
  • Ärzt:innen sollten für eine Gewaltprognose die Gewaltvorgeschichte in der Beziehung berücksichtigen und sich nicht nur auf die Schwere der Gewalt fokussieren.

2. Risikobewertung

Die genaueste Einschätzung des vorhandenen Risikos kommt von den Opfern selbst. Daher beginnen das Verstehen und die Bewertung des Risikos mit dem Zuhören. Dadurch können Fachkräfte Hinweise erkennen und Fragen zu Anzeichen von Gewalt stellen. Durch diese Risikobewertung kann festgestellt werden, ob ein niedriges oder hohes Risiko vorhanden ist. 37

Wenn betroffene Personen annehmen, dass eine Gefahr besteht, sollte dies ernst genommen werden. Psychische Gewalt ist ein wichtiger Aspekt missbräuchlicher Beziehungen und sollte in beiden Kontexten betrachtet werden: als möglicher Vorläufer künftiger körperlicher Gewalt und als Teil des Spektrums von Verhaltensweisen, die häusliche Gewalt ausmachen.

Weitere Informationen über die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Risikobewertung und der Sicherheitsplanung bei den verschiedenen Instanzen (wie Polizei, Gesundheitspersonal, Sozialarbeiter und NGO) finden Sie in den Länderberichten und dem länderübergreifenden Vergleich über die von den Einsatzkräften verwendeten Instrumente zur Risikobewertung und Falldokumentation aus dem Projekt IMPRODOVA.

Definition: Risikobewertung 38

Bei der Risikobewertung handelt es sich um eine aktuelle Beurteilung des vorhandenen Risikos. Das Risiko ist dynamisch und kann sich im Laufe der Zeit ändern. Dies bedeutet, dass es regelmäßig neu bewertet werden muss und alle Veränderungen in das Risikomanagement einfließen müssen. Die Bewertung muss die Höhe des Risikos sowie geeignete Maßnahmen und Ansätze für das Risikomanagement umfassen.

Bei der Risikobewertung müssen Opfer ihre Geschichte mitteilen können. Es ist wichtig, dass Sie achtungsvoll mit dem Gehörten umgehen, indem Sie dem oder dem Opfer Glauben schenken über:

  • Gewalterfahrungen
  • Auswirkungen der Gewalt auf die Kinder in der Familie (d. h. Informationen über das Risiko für die Kinder. Das kann auch durch ein Gespräch mit den Kindern ergänzt werden).
  • Mögliche vorhandene Einstellungen und Verhaltensweisen des Täters/der Täterin.

Risikobewertung bedeutet, ein professionelles Urteil über die vorhandenen Risikofaktoren in Verbindung mit der Risikobewertung des Opfers abzugeben. So kann die Wahrscheinlichkeit künftiger Gewalt und das Potenzial für schwere/tödliche Verletzungen durch künftige Gewalt eingeschätzt werden. 39

Weitere Informationen zur Risikobewertung finden Sie in Modul 7.

Der stärkste Indikator für zukünftige Risiken/Gewalt ist das aktuelle und frühere Verhalten des Täters/der Täterin. Oft erkennen die von Gewalt betroffenen Personen, dass ihnen eine unmittelbare Gefahr droht, und haben Hemmungen nach Hause zurückzukehren. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit ernst zu nehmen. Andere  Opfer benötigen möglicherweise Unterstützung bei der Einschätzung ihres unmittelbaren Risikos. Mit spezifischen Fragen kann festgestellt werden, ob eine konkrete und unmittelbare Gefahr besteht. 40

In diesem Fall können Sie Ihre Sorge um die Sicherheit zum Ausdruck bringen und ein Gespräch über Schutzmaßnahmen führen. Sie könnten sagen: „Ich mache mir Sorgen um Ihre Sicherheit. Lassen Sie uns besprechen, was zu tun ist, damit Sie nicht in Gefahr sind.41


Manche Menschen befürchten, dass die Frage nach einer Selbstmordgefährdung Opfer von häuslicher Gewalt dazu verleiten könnte, Suizid zu begehen. Im Gegenteil, das offene Gespräch über Selbstmord reduziert oft die Angst vor Selbstmordgedanken und hilft den Betroffenen, sich verstanden zu fühlen. Die Ergebnisse einer Studie zeigen außerdem einen klaren Zusammenhang zwischen häuslicher Gewalt und einem erhöhten Risiko von Selbstverletzungen. Während des Untersuchungszeitraums griff fast ein Viertel der Opfer von häuslicher Gewalt zu selbstverletzendem Verhalten. 42

Darüber hinaus ist es wichtig, die unmittelbare Gefahr von Selbstmord und Selbstverletzungen zu dokumentieren, um eine wirksame Kommunikation unter medizinischem Fachpersonal zu erleichtern.

In Fällen einer unmittelbaren Gefahr der Selbstverletzung oder des Selbstmordes, darf die Patientin/der Patient auf keinen Fall allein gelassen werden, insbesondere wenn…

  • … akute Selbstmordgedanken oder -pläne vorhanden sind oder die Person sich selbst verletzen will.
  • … im letzten Monat Selbstverletzungsgedanken oder -pläne aufgetreten sind oder im letzten Jahr Selbstverletzungen begangen wurden und die Patientin/der Patient extrem unruhig, gewalttätig, verzweifelt oder unkommunikativ erscheint.

In diesen Fällen sollte die Patientin/der Patient sofort in ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen werden. Rufen Sie für die Verlegung einen Krankenwagen. In Kliniken mit psychiatrischer Klinik sollte diese bei Vorliegen einer Selbstgefährdung sofort eingeschaltet werden.


3. Geschlechteraspekte bei der Risikobewertung 43

Bild von Marek Studzinski auf Unsplash

In den meisten Risikobewertungen werden Geschlechteraspekte nicht ausdrücklich berücksichtigt. Häufig enthalten diese Checklisten keine Fragen zum Geschlecht. Wenn Fachkräfte des Gesundheitswesens geschlechtsspezifische Vorurteile haben, können Männer als Opfer von häuslicher Gewalt übersehen werden.

Annahmen über das eigene und das andere Geschlecht sind auch für bestimmte Aspekte der Risikobewertung von Bedeutung. Beispielsweise kann die Wahrnehmung einer weiblichen Fachkraft im Gesundheitswesen durch ihr Geschlecht und ihre Einstellungen und Erwartungen beeinflusst werden. Das kann sich auch darauf auswirken, welche Aspekte sie für die Risikobewertung für wichtig erachtet (z. B. wer den konkreten Vorfall begonnen hat) und wie sie die von Gewalt betroffene Person wahrnimmt (welche Anhaltspunkte für sie am wichtigsten sind, z. B. das äußere Erscheinungsbild). Das beeinflusst auch, wie sie vom Opfer (männlich oder weiblich) und anderen Ersthelfenden wahrgenommen werden. Beispielsweise könnte eine weibliche Fachkraft im Gesundheitswesen von einer gewaltbetroffenen Frau als weniger bedrohlich und deshalb als angenehmere Gesprächspartnerin empfunden werden.

Darüber hinaus kann es zu einer voreingenommenen Kommunikation kommen, wenn Einsatzkräfte Frauen als das „schwache Geschlecht“ wahrnehmen. Dann besteht die Gefahr, dass die Frau erneut viktimisiert wird, indem beispielsweise abwertende Worte verwendet werden und sie nicht als eigenständige Person betrachtet wird. Fühlt sie sich nicht ernst genommen, führt das möglicherweise dazu, dass sie nicht alle für die Risikobewertung relevanten Informationen mitteilt. Denkbar ist auch, dass eine Fachkraft des Gesundheitswesens die Beschwerden männlicher Gewaltopfer nicht ernst nimmt und den Vorfall herunterspielt, weil sie sich nicht vorstellen kann, dass auch Männer von häuslicher Gewalt betroffen sein können.

Ein weiteres Szenario wäre, dass das Gesundheitspersonal einen (heterosexuellen) männlichen Betroffenen von häuslicher Gewalt nicht fragt, ob er finanziell von seiner Partnerin abhängig ist. Die Annahme, dass Männer die Ernährer sind und mehr Geld verdienen als Frauen, kann die Sicht auf die finanzielle Abhängigkeit eines Mannes verstellen, Das beeinflusst die Risikobewertung des betroffenen Mannes negativ.

Daher ist es für Fachkräfte des Gesundheitswesens unerlässlich, geschlechtsspezifische Ungleichheit in die Instrumente zur Risikobewertung einzubeziehen und gleichzeitig eigene Stereotype zu hinterfragen. Sie müssen die gesetzlichen und ethischen Anforderungen in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter kennen und ihr Verhalten und ihr Urteilsvermögen reflektieren. Selbst wenn Geschlechtsaspekte in Leitfäden vorhanden sind, muss das medizinische Fachpersonal darin geschult werden, dies bei der Beurteilung zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die Fragen entsprechend gestellt und interpretiert werden. Mehr Informationen dazu finden Sie in Modul 8.


4. Sicherheitsplanung

Für die Erstellung eines Sicherheitsplans gibt es verschiedene Möglichkeiten, die auf die jeweiligen Umstände zugeschnitten sind. Der Sicherheitsplan muss auf unmittelbare Sicherheitsbedenken eingehen und an veränderte Umstände angepasst werden können. Ein Gewaltopfer kann zwar das missbräuchliche Verhalten des Partners/der Partnerin nicht kontrollieren, aber Maßnahmen ergreifen, um sich und ihre/seine Kinder zu schützen. Ein Sicherheitsplan ist eine personalisierte und praktische Strategie, die spezifische Maßnahmen für Betroffene aufzeigt, um ihren Schutz zu verbessern und das Verletzungsrisiko zu verringern.

Viele betroffene Personen machen sich Sorgen um ihre Sicherheit, aber manche sind der Meinung, sie würden keinen Sicherheitsplan brauchen, da es nicht mehr zu Gewalt kommen werde (siehe hierzu: Modul 1 – Gewaltspirale). Es ist daher wichtig zu erklären, dass häusliche Gewalt normalerweise nicht von allein aufhört. Sie kann schlimmer und häufiger werden. 44

Wenn Sie mit einem Opfer einen Sicherheitsplan erstellen, hören Sie zunächst zu und fragen Sie nach, was genau passiert ist. Finden Sie heraus, was die betroffene Person bereits tut, um ihre Sicherheit zu verbessern. Helfen Sie ihr darüber nachzudenken, wie die eigene Sicherheit noch erhöht werden könnte. 45

Die Beurteilung und Planung der Sicherheit ist ein fortlaufender Prozess – es handelt sich nicht um ein einmaliges Gespräch. Sie können Betroffenen helfen, indem Sie ihre besonderen Bedürfnisse und die jeweilige Situation besprechen. Fragen Sie bei jedem Treffen erneut nach der aktuellen Situation. Besprechen Sie, ob es für die Betroffenen sicher ist, nach Hause zurückzukehren.

Alle besprochenen Pläne sollten in der Krankenakte dokumentiert werden. Wenn möglich, sollten Kopien an die von Gewalt betroffenen Personen ausgehändigt und sie gleichzeitig gewarnt werden, dass das Auffinden des Dokuments durch den Täter/die Täterin zu einer Gewalteskalation führen kann.

Bitte klicken Sie auf das Kreuz im entsprechenden Kreis, um mehr darüber zu erfahren, wenn man eine Person seine/ihre Flucht plant und was in einen Notfallkoffer gehört.


5. Kommunikation von Sicherheitsmaßnahmen und Risikobewertung

Für eine erste Risikobewertung sollten Sie mit Gewaltopfern in einem privaten Rahmen sprechen und die unmittelbaren Bedenken einschätzen. Weitere Informationen über die Kommunikation mit Betroffenen finden Sie in Modul 3.

Fragen zur Einschätzung des unmittelbaren Risikosfür das Auftreten von erneuter Gewalt 46, 47

  • „Ist es für Sie sicher, nach Hause zu gehen?“
  • „Haben Sie Angst, dass etwas passieren könnte?“
  • „Womit hat der Täter/die Täterin gedroht?“
  • „Wie sieht es mit Drohungen gegenüber den Kindern aus?“
  • „Ist körperliche Gewalt in den letzten 6 Monaten häufiger geworden oder hat sie sich verschlimmert?“
  • „Hat er/sie eine Waffe und hat er/sie jemals eine Waffe benutzt oder Sie oder andere Familienmitglieder mit einer Waffe bedroht?“
  • „Hat er/sie jemals versucht Sie zu erwürgen?“
  • „Glauben Sie, dass er/sie Sie umbringen würde?“
  • „Hat er/sie Sie schon einmal geschlagen, als Sie schwanger waren?“
  • „Ist er/sie gewalttätig und ständig eifersüchtig auf Sie?“
  • „Hat der Täter/die Täterin mit Selbstmord gedroht? (Risiko für Femizid!)“

Beantworten die von häuslicher Gewalt betroffenen Personen mindestens 3 der Fragen mit „ja“, kann das darauf hindeuten, dass das unmittelbare Risiko von Gewalt besonders hoch ist.


Erstellen eines Sicherheitsplans 48

Auch gewaltbetroffene Personen, die nicht unmittelbar lebensbedrohlich gefährdet sind, können von einem Sicherheitsplan profitieren. Die folgende Tabelle beinhaltet Teile eines Sicherheitsplans mit dazugehörigen Fragen, die betroffenen Personen bei der Erstellung eines Plans helfen.

Sicherer Ort zum Hingehen„Wenn Sie Ihr Haus schnell verlassen müssten, wohin könnten Sie gehen?“
Planung für Kinder„Würden Sie allein gehen oder Ihre Kinder mitnehmen?“
Wie zu einem sicheren Ort kommen„Wie werden Sie dorthin kommen?“
Mitzunehmende Gegenstände„Müssen Sie irgendwelche Dokumente, Schlüssel, Geld, Kleidung oder andere Dinge mitnehmen, wenn Sie weggehen? Was ist wichtig?“
Finanzen„Haben Sie Zugang zu Geld, wenn Sie gehen müssen? Wo wird es aufbewahrt? Können Sie im Notfall darauf zugreifen?“
Unterstützung durch eine nahestehende Person„Gibt es eine Person des Vertrauens (Nachbar:in, Freund:in etc.), der Sie von der Gewalt erzählen können, die die Polizei rufen oder Ihnen helfen kann, wenn sie Geräusche aus Ihrer Wohnung hört, die auf Gewalt hindeuten?“

Bleiben Sie realistisch: Sie können helfen, indem Sie über Bedürfnisse der betroffenen Person sprechen und über weitere Hilfsangebote aufklären. Meistens braucht es mehrere Treffen, um alle Anliegen zu besprechen. Bieten Sie weitere Treffen an, überlassen Sie die Entscheidung aber der betroffenen Person.

Erwarten Sie keine sofortige Entscheidung. Es mag frustrierend erscheinen, wenn die betroffene Person nicht sofort weitere Schritte unternimmt, um die Situation zu ändern. Lassen Sie den Betroffenen Freiraum und Zeit. Respektieren Sie stets die Wünsche und Entscheidungen der betroffenen Person.


Thematisieren Sie, wie die Sicherheit zu Hause erhöht werden kann 49

Oft eskalieren Gespräche zwischen dem Opfer und dem Täter/der Täterin. Wenn sich eine Eskalation nur schwer vermeiden lässt, sollten solche Gespräche in einem Raum geführt werden, der bei Bedarf leicht zu verlassen ist. Betonen Sie, wie wichtig es ist, Räume zu meiden, in denen Waffen vorhanden sein könnten.

In Situationen, in denen ein sofortiges Verlassen des Raums die beste Option ist, sollten Sie die betroffene Person ermutigen, die Flucht an einen sicheren Ort zu planen und durchzuführen, bevor es der Täter/die Täterin bemerkt. Dies ist entscheidend, um das Risiko von Gewalt gegen sich selbst und die beteiligten Kinder zu minimieren.


Vermeiden Sie eine weitere Gefährdung der von Gewalt betroffenen Person 50

Minimieren Sie das Risiko für die Sicherheit der von Gewalt betroffenen Person, indem Sie das Thema Gewalt nur im privaten Rahmen ansprechen und sicherstellen, dass niemand das Gespräch mithören kann. Sprechen Sie nicht über sensible Themen, wenn der Partner/die Partnerin, Familienmitglieder oder andere Begleitpersonen in Hörweite sind. Schaffen Sie Gelegenheiten für private Gespräche, indem Sie beispielsweise jemanden auf eine Besorgung schicken oder eine Aufgabe zuweisen. Wenn Kinder anwesend sind, sorgen Sie dafür, dass ein:e Kolleg:in sie während Ihres Gesprächs beaufsichtigt. Weitere Informationen hierzu finden Sie in Modul 3.

Wahren Sie die Vertraulichkeit der Gesundheitsakten, indem Sie diese sicher und vor der Öffentlichkeit geschützt aufbewahren. Besprechen Sie, wie die betroffene Person ihren/seinen Aufenthaltsort mitteilen wird und legen Sie gegebenenfalls einen Plan für die Unterlagen fest, die sie/er mitnehmen muss (z. B. Unterlagen für die Polizei).

Dieses Video zeigt das Risikomanagement einschließlich der Sicherheitsplanung. Es zeigt, wie man eine von häuslicher Gewalt betroffene Person in die Risikomanagementplanung einbezieht.
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Aufgaben zur Reflexion

(1) Nennen Sie die wichtigsten Risikomanagementstrategien und Sicherheitsplanungstechniken, die in dem Video vorgestellt werden.
(2) Überlegen Sie, inwiefern das Video die zentrale Rolle der von Gewalt betroffenen Person im Planungsprozess des Risikomanagements hervorhebt.
(3) Identifizieren Sie mögliche Herausforderungen oder Hindernisse für ein effektives Risikomanagement und eine effektive Sicherheitsplanung.

Achten Sie auf sich! 51

Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die der Person, die Sie unterstützen. Wenn Sie mit häuslicher Gewalt konfrontiert werden, kann dies starke Reaktionen oder Emotionen hervorrufen, insbesondere wenn Sie selbst Gewalt erleben oder erlebt haben. Erkennen Sie Ihre Emotionen an und lernen Sie, diese zu verstehen. Holen Sie sich die notwendige Hilfe und Unterstützung, um Ihr emotionales Wohlbefinden zu gewährleisten.


Im Blickpunkt: Gynäkologie/Geburtshilfe, Chirurgie und Pädiatrie

6. Gynäkologie/ Geburtshilfe

Spezifische Risikofaktoren: Sexuelle Gewalt 52

Individuelle Risikofaktoren:

  • Alkohol- und Drogenkonsum
  • Straffälligkeit
  • Mangelnde Rücksichtnahme auf andere
  • Aggressives Verhalten und Akzeptanz gewalttätiger Verhaltensweisen
  • Frühe sexuelle Aktivität
  • Zwanghafte sexuelle Fantasien
  • Vorliebe für unpersönlichen Sex und sexuelle Risikobereitschaft
  • Exposition gegenüber sexuell expliziten Medien
  • Feindseligkeit gegenüber Frauen
  • Festhalten an traditionellen Geschlechtsrollen- und normen
  • Toxische Männlichkeit
  • Suizidales Verhalten
  • Frühere sexuelle Viktimisierung oder Täterschaft
  • Umgang mit sexuell aggressiven, hypermaskulinen und delinquenten Gleichaltrigen
  • Verstrickung in eine gewalttätige oder missbräuchliche intime Beziehung

Risikofaktoren auf Beziehungsebene:

  • Konflikt- und Gewalterfahrungen in der Familie
  • Körperliche, sexuelle oder emotionale Gewalt in der Kindheit
  • Emotional wenig unterstützendes familiäres Umfeld
  • Negative Eltern-Kind-Beziehungen, insbesondere zu den Vätern

Gesellschaftliche Risikofaktoren:

  • Gesellschaftliche Normen, die sexuelle Gewalt, männliche Überlegenheit und sexuellen Anspruch unterstützen
  • Gesellschaftliche Normen, die die Unterlegenheit und sexuelle Unterwürfigkeit von Frauen aufrechterhalten
  • Unzureichende Gesetze und politische Maßnahmen in Bezug auf sexuelle Gewalt und Geschlechtergleichstellung

In diesem Video stellt Marta P. Chadwick, Direktorin für Gewaltinterventions- und Präventionsprogramme am Brigham and Women’s Hospital Center for Community Health and Health Equity in Boston, USA, das von Passageway (auf Englisch) verwendete Risikobewertungsinstrument vor und beschreibt, wie es erfolgreich zur Unterstützung von Patient:innen in missbräuchlichen Beziehungen eingesetzt wird.
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Hochrisiko-Situation: Schwangerschaft

Zu den spezifischen Risikofaktoren während der Schwangerschaft gehören:

  • ungewollte Schwangerschaft, insbesondere von jungen Frauen
  • Isolation und kaum Unterstützung durch die Familie und Freund:innen während der Schwangerschaft

Für allgemeine Risikofaktoren (die auch für die Schwangerschaft gelten) klicken Sie bitte hier.

Zu den Folgen von häuslicher Gewalt in der Schwangerschaft kann ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, Präeklampsie, Frühgeburten und Totgeburten gehören. Oft tritt dabei auch reproduktive Gewalt auf, wobei der Täter/die Täterin die schwangere Person dazu zwingt, die Schwangerschaft fortzusetzen. Dies geschieht häufig im engen Familienkreis, wie zum Beispiel durch die Eltern der Schwangeren oder dem Intimpartner/der Intimpartnerin. In solchen Fällen kann es zu einem selbst herbeigeführten, unüberlegten Abbruch und dem Fehlen einer vorgeburtlichen Bindung kommen.

Während der Schwangerschaft und nach der Geburt haben Frauen oft engen Kontakt mit dem Gesundheitspersonal. Das bietet ihnen die Chance, über häusliche Gewalt zu sprechen und Hilfe zu bekommen. Mögliche Indikatoren, um Situationen von Gewalt zu erkennen, finden Sie in Modul 2.


7. Chirurgie und Notaufnahme

In der Chirurgie und der Notaufnahme ist die Risikobewertung besonders wichtig, da hier bereits körperliche Gewalt stattgefunden hat und diese Fälle in die Hochrisikokategorie fallen.

Fallstudie – Risikobewertung und Sicherheitsplanung in der Notaufnahme

In Modul 4 haben Sie in einer Fallstudie Sara M, eine 36-jährige Frau, kennengelernt, die mit einer Kopfverletzung und mehreren Hämatomen am linken Arm sowie Prellungen in verschiedenen Stadien der Heilung in die Notaufnahme kam. Sie wurde von ihrem Bruder begleitet, der während der Untersuchung eine kontrollierende Rolle einnahm, Fragen in ihrem Namen beantwortete und die Interaktionen mit der Ärztin genau beobachtete. Sara vermied Blickkontakt und schien zu zögern, eigenständig Informationen preiszugeben.

Weiteres Nachfragen zeigte Ungereimtheiten zwischen der Erzählung von Saras Bruder und den Verletzungen auf. Sara zeigte ein unterwürfiges Verhalten und hatte spürbare Angst vor Körperkontakt. Diese Anzeichen gaben Hinweise auf das Vorliegen von häuslicher Gewalt. Bei einem Gespräch unter vier Augen mit der behandelnden Ärztin öffnete sich Sara und begann zu sprechen:

Ärztin: „Frau M, Sie sollen wissen, dass Sie sich hier in einem sicheren Raum befinden. Alles, was Sie mir erzählen, wird vertraulich behandelt. Es ist wichtig, dass ich alles verstehe, sodass wir Sie bestmöglich behandeln können.“

Sara: (nach einer Pause) „Nun, ähm, eigentlich… habe ich ein paar Probleme zu Hause.“

Ärztin: „Es tut mir leid, das zu hören. Es ist nicht leicht darüber zu reden, aber es ist wichtig, diese Probleme anzusprechen. Fühlen sie sich zu Hause sicher?“

Sara: (schüttelt den Kopf) „Nicht wirklich. Ich habe Angst, dass die Dinge eskalieren könnten.“

Ärztin: „Danke, dass Sie das mit mir teilen. Wir sind hier, um Sie zu unterstützen. Lassen sie uns über einige Strategien zur Verbesserung Ihrer Sicherheit zu Hause sprechen, um Sie besser zu schützen. Haben Sie darüber nachgedacht, wohin Sie gehen könnten, falls Sie das Haus schnell verlassen müssen?“

Sara: (nickt) „Ja, ich habe eine Freundin, bei der ich eine Zeit lang bleiben könnte.“

Ärztin: „Das ist super. Es ist gut, einen Plan zu haben. So wissen Sie im Notfall, wohin Sie gehen können. Lassen Sie uns als Nächstes darüber sprechen, an wen Sie sich wenden können, um Unterstützung zu erhalten. Haben Sie jemanden, dem sie vertrauen? Ein Freund oder eine Freundin? Ein Familienmitglied, dem Sie sich anvertrauen können?“

Sara: „Ja, ich könnte mit meiner Schwester reden.“

Ärztin: „Das ist sehr gut. Jemanden zum Reden zu haben, kann einen großen Unterschied machen. Nun werde ich Ihnen ein paar Fragen stellen, um besser zu verstehen, was passiert ist. Können Sie mir sagen, wie es zu Ihren Verletzungen gekommen ist?“

Sara: „Ähm, das ist ein bisschen kompliziert. Ich hatte einen Streit mit meinem Bruder und die Sache eskalierte…“

Ärztin: „Aha, ich verstehe. Können Sie mir mehr über den Streit erzählen? War körperliche Gewalt im Spiel?“

Sara: „Ja, mein Bruder wurde wütend und fing an, mich zu schlagen. Das ist nicht das erste Mal, dass das passiert ist.“

Ärztin: „Es tut mir leid, das zu hören. Es ist wichtig für mich, mehr über die Häufigkeit und Schwere dieser Vorfälle zu wissen. Wie oft kommt diese Art von Gewalt vor und wurden Sie in der Vergangenheit schon einmal verletzt?“

Sara: „Das kommt jetzt schon eine Weile immer wieder mal vor. Manchmal ist es nur Geschrei, aber manchmal wird er auch handgreiflich. Ich habe schon blaue Flecken und Schnittwunden gehabt.“

Ärztin: „Danke, dass Sie mir das erzählt haben. Gibt es bestimmte Auslöser oder Muster, die zu diesen Vorfällen zu führen scheinen?“

Sara: „Das ist schwer zu sagen. Manchmal fühle ich mich, als ob ich auf Eierschalen laufe. Alles kann meinen Bruder aus der Fassung bringen.“

Ärztin: „Ich verstehe. Es hört sich an, als hätten Sie viel Stress und Anspannung. Ich möchte Ihnen sagen, dass Sie nicht allein sind und dass es Menschen gibt, die Ihnen helfen können, diese schwierige Situation zu meistern. Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal daran gedacht, sich an das Gewaltschutzzentrum oder eine Beratungsstelle zu wenden?“

Sara: „Nicht wirklich, aber ich bin offen dafür.“

Ärztin: „Das freut mich zu hören. Ich kann Ihnen Informationen über Einrichtungen geben, die sich auf häusliche Gewalt spezialisiert haben. Es ist wichtig, dass Sie ein Unterstützungssystem haben, um diese schwierige Zeit zu überstehen. Möchten Sie, dass ich einen ersten Kontakt herstelle?“

Sara: „Danke, ich denke, das wäre sehr hilfreich.“

Ärztin: „In Ordnung, ich werde dafür sorgen, dass Sie diese Informationen erhalten, bevor Sie heute gehen. Wenn sie in der Zwischenzeit Fragen oder Bedenken haben, teilen Sie mir diese bitte mit. Ihre Sicherheit und Ihr Wohlbefinden haben für mich oberste Priorität.“

Aufgaben zur Reflexion:

(1) Welche verschiedenen Strategien zur Verbesserung von Saras Sicherheit hat die Ärztin angesprochen?
(2) Anhand welcher Fragen ermutigt die Ärztin Sara, ihre Erfahrungen zu teilen?
(3) Überlegen Sie. wie Informationen zur Häufigkeit und Schwere von Gewalt in die Entwicklung von Sicherheitsplänen einfließen können.


8. Pädiatrie

Untertitel aktivieren: Klicken Sie während des Abspielens im Bildschirmbereich unten auf das Untertitel-Symbol (kleines Viereck mit Strichen). Der Untertitel wird direkt eingeblendet. Um die Untertitelsprache zu ändern, klicken Sie auf das Zahnrad daneben und wählen unter „Untertitel“ die gewünschte Sprache aus. Hier geht es zu einem Erklärvideo.

Erhöhtes Risiko, häuslicher Gewalt zu erfahren: 54

  • Kinder mit motorischen Entwicklungsverzögerungen und nur leichten intellektuellen Entwicklungsverzögerungen.
  • Kinder und Jugendliche mit Sinneswahrnehmungsstörungen haben ein 7,5-fach erhöhtes Risiko.
  • Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten wie der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben ein erhöhtes Risiko. Besonders betroffen sind Kinder unter sechs Jahren aus einkommensschwachen Familien.
  • Chronisch kranke Kinder haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko.
  • Kinder und Jugendliche mit Behinderungen haben ein 3- bis 7-fach erhöhtes Risiko.
  • Kinder, die jünger als 4 Jahre alt sind 55
  • Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die die Belastung der Betreuenden erhöhen können (z. B. Behinderungen, psychische Probleme und chronische körperliche Erkrankungen) 56

Kinder und Jugendliche sind von häuslicher Gewalt häufig direkt oder indirekt betroffen. Daher ist es wichtig, sensible und einfühlsame Gespräche darüber zu führen. Durch altersgerechte Informationen und Unterstützung kann über häusliche Gewalt aufgeklärt werden. Weitere Informationen finden Sie in Modul 3.

Bitte klicken Sie auf die Kreuze in den entsprechenden Kreisen in der Abbildung, um weitere Informationen zu erhalten.

Quellen: 57, 58,59, 60, 61, 62


Im Blickpunkt: Zahnheilkunde

9. Zahnheilkunde

Es ist wichtig, dass Zahnärzt:innen über Kenntnisse zur Risikobewertung und Sicherheitsplanung verfügen, um das Risiko der Opfer besser einschätzen und angemessene Unterstützung leisten zu können.

Fallbeispiel – Risikobewertung und Sicherheitsplanung in der Zahnarztpraxis

Sie kennen Frau Hütte bereits aus Modul 3 und Modul 4.

Wir erinnern uns, dass Frau Hütte wegen Zahnschmerzen in eine Zahnarztpraxis gekommen ist. Während der Behandlung fielen der Zahnärztin mehrere Hämatome und periorbitale Petechien auf. Bei der Anfertigung eines Röntgenbildes wurde außerdem ein Kieferbruch diagnostiziert. Im weiteren Verlauf stimmte Frau Hütte der gerichtsfesten Dokumentation zu und erzählte, wie es zu den Verletzungen kam. Dadurch, dass die Therapie des Kieferbruchs mehrere Behandlungs- und Kontrolltermine beinhaltete, baute Frau Hütte ein Vertrauensverhältnis zu ihrer Zahnärztin auf.

Als Frau Hütte nach mehreren Monaten zur Endkontrolle kommt, bemerkt die Zahnärztin frische Verletzungen. Sie dokumentiert die neuen Verletzungen und nimmt diese als Anlass, um erneut das Gespräch mit Frau Hütte zum Thema häusliche Gewalt zu suchen.

Zahnärztin: „Frau Hütte, wie geht es Ihnen? Vor einigen Monaten haben wir über Ihre Situation zu Hause gesprochen. Ist es zu Hause besser geworden? Ich sehe neue Verletzungen an Ihrem Ohr und an der Stirn.“

Frau Hütte (antwortet zögernd): „Es ist … kompliziert. Die Situation hat sich nicht wirklich verbessert. Die Auseinandersetzungen mit Martin treten immer wieder auf.“

Zahnärztin: „Es tut mir leid zu hören, dass Sie weiterhin Schwierigkeiten haben. Gibt es Umstände, die die Gewalt auslösen? “

Frau Hütte: „Ja … Martin wird immer sauer, wenn ich Kontakt zu anderen suche, egal ob ich mit unserer Nachbarin rede oder mit jemandem telefoniere.“

Zahnärztin: „Was passiert, wenn ihr Ehemann ärgerlich wird?“

Frau Hütte: „Er kann dann seine eigene Wut nicht mehr kontrollieren und wird manchmal auch handgreiflich.“

Zahnärztin: „Wird er in letzter Zeit öfters wütend und nimmt die Heftigkeit der Wutausbrüche zu?“

Frau Hütte: „Ja, wenn ich so drüber nachdenke … es passiert schon häufiger in letzter Zeit. Heftiger wird es auch … Er hat sogar einmal einen Teller nach mir geworfen und ich hatte einen großen blauen Fleck in meinem Gesicht.“

Zahnärztin: „Ich mache mir Sorgen um Sie, denn von dem, was Sie mir berichten, nimmt die Häufigkeit und Ausmaß der Gewalt gegen Sie zu. Haben Sie eine Vertrauensperson, mit der Sie sprechen können?“

Frau Hütte: „Nach dem Umzug in unser neues Haus habe ich den Kontakt zu beinahe allen meinen Freunden und meiner Familie verloren. Nur mit meiner Schwester telefoniere ich noch regelmäßig, zum Beispiel wenn Martin arbeiten ist. Sie wohnt 30 Minuten von mir entfernt.“

Zahnärztin: „Das ist gut. Ich würde mit Ihnen nun gerne besprechen, was Sie tun können, wenn Sie sich zu Hause nicht mehr sicher fühlen. Es ist nämlich wichtig, dass Sie einen Ort haben, wo Sie Schutz suchen können, falls die Situation eskaliert. Könnte das beispielsweise Ihre Schwester sein? Außerdem sollten Sie sich überlegen, ob Sie bei ihr Kopien der wichtigsten Dokumente wie Geburtsurkunde und Reisepass deponieren könnten. “

Frau Hütte: „Das muss ich erstmal sacken lassen, denn ich fühle mich gar nicht unsicher zu Hause. Martin wird nur manchmal sehr sauer auf mich und ich bin ja auch immer selbst schuld daran.“

Die Zahnärztin betont am Ende des Gesprächs, dass es niemals in Ordnung ist, jemandem weh zu tun, auch wenn man sich ärgert. Des Weiteren macht sie deutlich, dass Frau Hütte keine Schuld an der Situation trägt. Sie wiederholt, wie wichtig es ist, sich Gedanken zu machen, wohin man gehen könnte, wenn man sich zu Hause nicht mehr sicher fühlt. Sie bietet Frau Hütte an, dass sie sich jederzeit an sie wenden kann. Sie überreicht ihr eine spezielle Visitenkarte, auf der verdeckte wichtige Telefonnummern für solche Fälle stehen.

Aufgaben zur Reflexion:

(1) Welche Kommunikationsstrategien verwendet die Zahnärztin?
(2) Welche speziellen Risikofaktoren, die für eine weitere Zunahme der Schwere der Gewalt sprechen könnten, konnte die Zahnärztin herausfinden?
(3) Wie könnte die Zahnärztin ihrer Patientin weiterhin Hilfe leisten?


Quellen

  1. “Risk Assessment.” Gippsland Family Violence Alliance, November 9, 2023. Accessed 31.01.2024 https://gippslandfamilyviolencealliance.com.au/risk-assessment/#what-is-risk-management ↩︎
  2. Gondolf, E. W. 2002, Batterer Intervention Systems: Issues, Outcomes and Recommendations, Sage Publications, Thousand Oaks, p. 171 ↩︎
  3. Gondolf, E. W. 2002, Batterer Intervention Systems: Issues, Outcomes and Recommendations, Sage Publications, Thousand Oaks, p. 171 ↩︎
  4. Roehl, J., & Guertin, K. 2000, ‘Intimate partner violence: The current use of risk assessments in sentencing offenders’, The Justice System Journal, vol. 21, no. 2, pp. 171-198. ↩︎
  5. Gondolf, E. W. 2002, Batterer Intervention Systems: Issues, Outcomes and Recommendations, Sage Publications, Thousand Oaks. ↩︎
  6. 1800 Respect, national domestic family and sexual violence counselling service, accessed: 01.02.24, https://www.1800respect.org.au/resources-and-tools/raft ↩︎
  7. Lauritsen J. L., Schaum R. J. (2004). The social ecology of violence against women. [Article]. Criminology, 42, 323–357. DOI10.1111/j.1745-9125.2004.tb00522.x ↩︎
  8. Zugriff am 09.09.2020 auf https://www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/dokumentation/publikationen-allgemein/publikationen-gewalt.html, genauer: https://backend.ebg.admin.ch/fileservice/sdweb-docs-prod-ebgch-files/files/2023/08/28/aabd3187-1c08-4ae7-af9a-83b217ffa374.pdf Seite 3 ↩︎
  9. Davies, J., Lyon, E. & Monti-Catania, D. 1998, Safety Planning with Battered Women: Complex Lives/Difficult Choices, Sage Publications, Thousand Oaks, p. 98-100). ↩︎
  10. Rechtsanwältin Susanne Köhler, „Hochrisikomanagement bei häuslicher Gewalt – Was ist das?“, 2022, p. 16. https://www.lpr.sachsen.de/download/SusanneKoehlerHochrisikomanagement.pdf ↩︎
  11. Spearman, K. J., Hardesty, J. L., & Campbell, J. (2023). Post-separation abuse: A concept analysis. Journal of advanced nursing, 79(4), 1225–1246. https://doi.org/10.1111/jan.15310↩︎
  12. Klein, A. R., & Tobin, T. (2008). A longitudinal study of arrested batterers, 1995–2005: Career criminals. Violence Against Women, 14(2), 136–157. ↩︎
  13. Richards, T. N., Jennings, W. G., Tomsich, E., & Gover, A. (2014). A 10-year analysis of rearrests among a cohort of domestic violence offenders. Violence and Victims, 29(6), 887–906. ↩︎
  14. Stark, E., & Hester, M. (2019). Coercive control: Update and review. Violence Against Women, 25(1), 81–104. https://doi.org/10.1177/ 1077801218816191 ↩︎
  15. Spearman, K. J., Hardesty, J. L., & Campbell, J. (2023). Post-separation abuse: A concept analysis. Journal of advanced nursing, 79(4), 1225–1246. https://doi.org/10.1111/jan.15310 ↩︎
  16. Elizabeth, V. (2015). From domestic violence to coercive control: Towards the recognition of oppressive intimacy in the Family Court. New Zealand Sociology, 30(2), 26–43. https://doi.org/10. 3316/informit.359359614101376
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  17. Ward, D. (2016). In her words: Recognizing and preventing abusive litigation against domestic violence survivors. Seattle Journal for Social Justice, 14(2), 429–460. Available at: https://digitalcom mons.law.seattleu.edu/sjsj/vol14/iss2/11
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  18. Elizabeth, V. (2017). Custody stalking: A mechanism of coercively controlling mothers following separation. Feminist Legal Studies, 25(2), 185–201. https://doi.org/10.1007/s10691-017-9349-9 ↩︎
  19. Przekop, M. (2011). One more battleground: Domestic violence, child custody, and the batterers’ relentless pursuit of their victims through the courts. Seattle Journal for Social Justice, 9(2), 1053–1106.

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  21. Rezey, M. L. (2020). Separated Women’s risk for intimate partner violence: A multiyear analysis using the National Crime Victimization Survey. Journal of Interpersonal Violence, 35(5–6), 1055–1080. https://doi.org/10.1177/0886260517692334 ↩︎
  22. Kitzmann, K., Gaylord, N., Holt, A. & Kenny, E. (2003) Child witnesses to domestic violence: a meta-analytic review. Journal of Consulting Clinical Psychology, 71, 339–352. ↩︎
  23. Hayes, B. (2012). Abusive men’s indirect control of their partner during the process of separation. Journal of Family Violence, 27(4), 333– 344. https://doi.org/10.1007/s10896-012-9428-2
    Hardesty, J. L., & Ganong, L. H. (2006). How women make custody decisions and manage co-parenting with abusive former husbands. Journal of Social and Personal Relationships, 23(4), 543–563. https:// doi.org/10.1177/0265407506065983 ↩︎
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  25. Laing, L. (2017). Secondary victimization: Domestic violence survivors navigating the family law system. Violence against women, 23(11), 1314-1335. Gutowski, E. R., & Goodman, L. A. (2023). Legal abuse and mental health: The role of judicial betrayal. Psychology of Violence. ↩︎
  26. Spearman, K. J., Hardesty, J. L., & Campbell, J. (2023). Post-separation abuse: A concept analysis. Journal of advanced nursing, 79(4), 1225–1246. https://doi.org/10.1111/jan.15310;   ↩︎
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  28. Rivera, E. A., Sullivan, C. M., Zeoli, A. M., & Bybee, D. (2018). A longitudinal examination of mothers’ depression and PTSD symptoms as impacted by partner-abusive men’s harm to their children. Journal of Interpersonal Violence, 33(18), 2779–2801. https://doi. org/10.1177/0886260516629391 ↩︎
  29. Trisha Leahy , Grace Pretty & Gershon Tenenbaum (2008) A Contextualized Investigation of Traumatic Correlates of Childhood Sexual Abuse in Australian Athletes, International Journal of Sport and Exercise Psychology, 6:4, 366-384, DOI: 10.1080/1612197X.2008.9671880   ↩︎
  30. van der Kolk, B. A. (2005). Developmental Trauma Disorder: Toward a rational diagnosis for children with complex trauma histories. Psychiatric Annals, 35(5), 401–408. https://doi.org/10.3928/00485713-20050501-06 ↩︎
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    Van der Kolk, B. A. (2015). The body keeps the score: brain, mind, and body in the healing of trauma. New York, New York, Penguin Books.  ↩︎
  32. Laing, L. (2017). Secondary victimization: Domestic violence survivors navigating the family law system. Violence against women, 23(11), 1314-1335 ↩︎
  33. Hydén, M. (2015). What social networks do in the aftermath of domestic violence. British journal of criminology, 55(6), 1040-1057. ↩︎
  34. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/elderabuse/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎
  35. Risk Factors for Re-abuse in Intimate Partner Violence: A Cross-Disciplinary Critical Review, Lauren Bennett Cattaneo and Lisa A. Goodman Trauma Violence Abuse 2005; 6; 141, DOI: 10.1177/1524838005275088, ↩︎
  36. Gondolf, E. W. 2002, Batterer Intervention Systems: Issues, Outcomes and Recommendations, Sage Publications, Thousand Oaks, p. 174. ↩︎
  37. 1800 Respect, national domestic family and sexual violence counselling service, accessed: 01.02.24, https://www.1800respect.org.au/resources-and-tools/risk-assessment-frameworks-and-tools/risk-assessment ↩︎
  38. Maram Practice Guides Foundation Knowledge Guide, State of Victoria, Australia, Family Safety Victoria, February 2021, p. 36, available at https://www.vic.gov.au/maram-practice-guides-and-resources ↩︎
  39. 1800 Respect, national domestic family and sexual violence counselling service, accessed: 01.02.24, https://www.1800respect.org.au/resources-and-tools/risk-assessment-frameworks-and-tools/risk-assessment ↩︎
  40. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, p. 25. ↩︎
  41. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, p. 25-26. ↩︎
  42. Boyle A, Jones P, Lloyd S. The association between domestic violence and self harm in emergency medicine patients. Emerg Med J. 2006 Aug;23(8):604-7. doi: 10.1136/emj.2005.031260. PMID: 16858090; PMCID: PMC2564159. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2564159/ ↩︎
  43. Sondern, Lisa & Pfleiderer, Bettina. (2020). Why the integration of sex and gender aspects will improve domestic violence risk assessment. 155-165. https://bulletin.cepol.europa.eu/index.php/bulletin/article/view/413/332 ↩︎
  44. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, p. 25. ↩︎
  45. 1800 Respect, national domestic family and sexual violence counselling service, accessed: 01.02.24, https://www.1800respect.org.au/resources-and-tools/risk-assessment-frameworks-and-tools/risk-assessment ↩︎
  46. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, Questions to assess immediate risk of violence p. 26, Making a safety plan p. 27. ↩︎
  47. Austrian Women’s Shelter Network 2015, Kelly Blank, Maria Rösslhumer, TRAINING MANUAL ON GENDER-BASED VIOLENCE FOR HEALTH PROFESSIONALS, AÖF – Austrian Women’s Shelter Network, Austria, https://eeca.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/implement_train_EN_201606_hires.pdf ↩︎
  48. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, Making a safety plan p. 27. ↩︎
  49. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, Making a safety plan p. 28. ↩︎
  50. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, Making a safety plan p. 28. ↩︎
  51. WHO (2014) Clinical handbook Health care for women subjected to intimate partner violence or sexual
    violence, Making a safety plan p. 33. ↩︎
  52. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/sexualviolence/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎
  53. Jörg M. Fegert, Medical Director of the Department of Child and Adolescent Psychiatry and Psychotherapy at Ulm University Hospital, accessed 31.01.2024 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145658/Kinder-mit-Behinderungen-werden-zu-wenig-vor-Misshandlungen-geschuetzt?rt=740e2f97b968368ea8a4c9d79b86f559 ↩︎
  54. Deutscher Ärzteverlag GmbH RDÄ. Kinder mit Behinderungen Werden zu Wenig vor Misshandlungen Geschützt. Deutsches Ärzteblatt 2023. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145658/Kinder-mit-Behinderungen-werden-zu-wenig-vor-Misshandlungen-geschuetzt?rt=740e2f97b968368ea8a4c9d79b86f559 (accessed January 31, 2024). ↩︎
  55. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/childabuseandneglect/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎
  56. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/childabuseandneglect/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎
  57. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/childabuseandneglect/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎
  58. Deutscher Ärzteverlag GmbH RDÄ. Kinder mit Behinderungen Werden zu Wenig vor Misshandlungen Geschützt. Deutsches Ärzteblatt 2023. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145658/Kinder-mit-Behinderungen-werden-zu-wenig-vor-Misshandlungen-geschuetzt?rt=740e2f97b968368ea8a4c9d79b86f559 (accessed January 31, 2024). ↩︎
  59. Deutscher Ärzteverlag GmbH RDÄ. Kinder mit Behinderungen Werden zu Wenig vor Misshandlungen Geschützt. Deutsches Ärzteblatt 2023. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145658/Kinder-mit-Behinderungen-werden-zu-wenig-vor-Misshandlungen-geschuetzt?rt=740e2f97b968368ea8a4c9d79b86f559 (accessed January 31, 2024). ↩︎
  60. Deutscher Ärzteverlag GmbH RDÄ. Kinder mit Behinderungen Werden zu Wenig vor Misshandlungen Geschützt. Deutsches Ärzteblatt 2023. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145658/Kinder-mit-Behinderungen-werden-zu-wenig-vor-Misshandlungen-geschuetzt?rt=740e2f97b968368ea8a4c9d79b86f559 (accessed January 31, 2024). ↩︎
  61. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/childabuseandneglect/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎
  62. National Center for Injury Prevention and Control, Division of Violence Prevention. Risk and Protective Factors for Perpetration. Centers for Disease Control and Prevention 2021. https://www.cdc.gov/violenceprevention/childabuseandneglect/riskprotectivefactors.html (accessed February 6, 2024). ↩︎