Modul 7: Prinzipien organisationsübergreifender Zusammenarbeit bei Fällen häuslicher Gewalt (Österreich)

1. Organisationsübergreifende-Zusammenarbeit
2. Strafverfahren in Fällen von häuslicher Gewalt
3. Strafverfahren bei häuslicher Gewalt in Österreich

Quellen

Lernziele
+ Verstehen der Arbeitsweise von Ersthelfer:innen
+ Erkennen, warum die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams im Fall von häuslicher Gewalt ausschlaggebend ist.


Dieses Video erklärt, weshalb die Zusammenarbeit in Fällen häuslicher Gewalt von besonderer Bedeutung ist.

1. Organisationsübergreifende Zusammenarbeit1

Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mehrerer Einrichtungen ist die wirksamste Art und Weise, auf operativer und strategischer Ebene auf häusliche Gewalt zu reagieren. Aus- und Fortbildung sowie organisatorische Unterstützung und Supervision sind unerlässlich.

Häusliche Gewalt hat schädliche Auswirkungen auf Einzelpersonen, Familien und Beziehungen. Häusliche Gewalt beeinträchtigt Gesundheit und Wohlbefinden von Erwachsenen und Kindern – unabhängig davon, ob sie häusliche Gewalt beobachten oder selbst davon betroffen sind. Sie macht weitere Gesundheits- und Sozialdienstleistungen erforderlich. Alle diese Organisationen und Behörden behandeln die gleichen Probleme auf unterschiedliche Weise, mit verschiedenen Maßnahmen und Ergebnissen.

Kooperation ist insbesondere in Hochrisikofällen unerlässlich, um Lücken im Schutz des Opfers zu vermeiden. Sie ist aber auch in nicht unmittelbar lebensbedrohlichen Fällen wichtig, damit Gewaltopfer sich nicht einer Unzahl von Organisationen und Behörden mit ihren jeweiligen – im schlimmsten Fall widersprüchlichen – Anforderungen gegenübersehen.

Im österreichischen Gewaltschutzsystem können je nach Situation unterschiedliche Einrichtungen involviert sein. Auch regional ergeben sich Unterschiede, da das Angebot an Unterstützungsleistungen nicht überall gleichermaßen ausgebaut ist. Ganz wesentliche Akteur:innen abseits des Gesundheitssektors, die sehr häufig eingebunden sind, sind die folgenden:

  • Gewaltschutzzentren

Gewaltschutzzentren existieren in allen neun Bundesländern. Sie sind spezialisierte und gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtungen, die all jenen Menschen Hilfe und Unterstützung bieten, die von Gewalt im eigenen Zuhause, im persönlichen Umfeld oder von Stalking bedroht oder betroffen sind. Verhängt die Polizei ein Betretungs- und Annäherungsverbot gegen eine:n Gefährder:in, muss sie das regionale Gewaltschutzzentrum davon in Kenntnis setzen. Berater:innen nehmen daraufhin aktiv Kontakt zum Opfer auf und bieten Hilfe – z.B. bei rechtlichen Schritten – an. Selbstverständlich können sich Gewaltopfer und Personen, die diese unterstützen, auch direkt an die Gewaltschutzzentren wenden. Durch ihren gesetzlichen Auftrag und ihre Expertise – nicht zuletzt in Bezug auf die systematische Risikobewertung – sind Gewaltschutzzentren die zentralen Drehscheiben für den Opferschutz. Weitere Informationen: www.gewaltschutzzentrum.at/

  • Frauenhäuser

In manchen Situationen bietet ein BV/AV nicht ausreichend Schutz und/oder entspricht nicht der Situation und den Bedürfnissen des Opfers. Frauenhäuser, die eine geschützte Unterkunft in Verbindung mit Beratung bieten, sind daher unverzichtbarer Bestandteil des Gewaltschutzsystems. Wenn Opfer im Frauenhaus Zuflucht suchen, übernehmen meisten die dortigen Mitarbeiter:innen die Koordination der Unterstützungsleistungen.

Weitere Informationen: www.aoef.at/, www.frauenhaeuser-wien.at/, www.frauenhaeuser.at/ (Steiermark), www.ktn.gv.at/Service/Formulare-und-Leistungen/GS-L74 (Kärnten)

  • Polizei

In vielen Fällen bringt erst ein Polizeieinsatz häusliche Gewalt ans Licht. Polizeibeamt:innen müssen, wenn ihrer Einschätzung nach die Gefahr eines gefährlichen Angriffs besteht, Gefährder:innen aus der Wohnung weisen und ein 14-tätiges Betretungs- und Annäherungsverbot (BV/AV) aussprechen. In dieser Zeit darf der:die Gefährder:in die Wohnung, in der das Opfer lebt, nicht betreten und sich der Person nicht auf weniger als 100 Meter nähern. Ein BV/AV bedeutet also auch, dass Gefährder:innen sich Opfern im Krankenhaus nicht nähern dürfen. In den meisten Fällen wird von der Polizei zudem Anzeige – meist wegen Körperverletzung – erstattet und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das gilt auch, wenn sich Opfer direkt an die Polizei wendet, um Anzeige zu erstatten. Für die weitere Bearbeitung von Fällen häuslicher Gewalt und die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen gibt es auf allen Polizeikommissariaten speziell geschulte Präventionsbeamt:innen.

  • Kinder- und Jugendhilfe

Wenn in einem Haushalt, in dem ein BV/AV verhängt wurde, Kinder leben, ist die Polizei verpflichtet, die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren. Dort wird in der Folge ein Prozess zur Abklärung einer möglichen Kindeswohlgefährdung eingeleitet, im Zuge dessen u.a. Kontakt mit Opfer und Täter:in aufgenommen wird.

  • Beratungsstellen für Gewaltprävention

Gefährder:innen, gegen die ein BV/AV verhängt wurde, sind verpflichtet, sich binnen fünf Tagen bei einer Beratungsstelle für Gewaltprävention zu melden und eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, stellt das eine Verwaltungsübertretung dar.

Weitere Informationen: www.gewaltinfo.at/themen/geschlechtsspezifische-burschen-und-maennerarbeit/gewaltpraeventionsberatung—ein-neuer-baustein-im-oesterreichischen-gewaltschutz.html

Fallspezifisch können viele weitere Organisationen beteiligt sein – zum Beispiel Frauenberatungseinrichtungen und Kinderschutzzentren.

Für den medizinischen Bereich ist besonders die Etablierung klarer Ansprechpersonen wichtig. Das gilt sowohl innerhalb der jeweiligen Einrichtung, wo meist Personen aus den Opferschutzgruppen (OSG) diese Funktion übernehmen, als auch für die Kooperation mit externen Einrichtungen.

Prinzipien einrichtungsübergreifender Zusammenarbeit

Um eine erfolgreiche Kooperation zu gewährleisten, müssen Prinzipien entwickelt und vereinbart werden, auf die sich alle Beteiligten einigen können. Die unten aufgeführten Punkte können Fachleuten und Organisationen dabei helfen, Grundsätze für eine funktionierende Zusammenarbeit zu etablieren.

  • Verstehen, dass ohne wirksame Prävention und frühzeitige Intervention häusliche Gewalt oft eskaliert. Deshalb ist es wichtig, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Opfer und ihre Kinder von häuslicher Gewalt möglichst rasch zu erkennen und zu unterstützen.
  • Bei möglichen Interventionen immer die Sicherheit der Opfer und ihrer Kinder priorisieren.
  • Risikosituationen  zu erkennen: In bestimmten Situationen (z. B. Trennung, Hilfesuche, Schwangerschaft) sind Opfer von Partnergewalt besonders gefährdet.
  • Gewährleisten, dass Opfer mit Respekt und Würde behandelt werden, indem man ihnen zuhört, ihren Berichten Glauben schenkt und ihnen versichert, dass sie niemals selbst schuld an der Gewalt sind.
  • Ermächtigen Sie Opfer, gut informierte Entscheidungen für sich selbst zu treffen, wo immer möglich. Treffen Sie keine Entscheidungen für sie ohne ihre Beteiligung.
  • Bei der ersten Kontaktaufnahme mit den anderen eingebundenen Einrichtungen die informierte Zustimmung der Opfer einholen, um sicherzustellen, dass Informationen zwischen allen Akteuren bei Bedarf ohne Verzögerung ausgetauscht werden können.
  • Alle Vorfälle häuslicher Gewalt sollten erfasst, analysiert und regelmäßig in anonymisierter Form mit den Verantwortlichen der kooperierenden Einrichtungen geteilt werden.
  • Gemeinsame Richtlinien und Verfahren für den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Organisationen entwickeln.
  • Sicherstellen, dass alle Einrichtungen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Opfer eingehen. Dabei sind zu berücksichtigen: Alter, Geschlecht, Herkunft oder ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Behinderung oder andere Merkmale. Erkennen, dass solche Unterschiede nicht als Entschuldigung oder Rechtfertigung für häusliche Gewalt oder andere schädliche Praktiken dienen dürfen.
  • Ermutigen Sie die Zusammenarbeit mit Täter:inneneinrichtungen, um Risiken auf multiprofessioneller Basis zu bewerten und neue Gewalttaten zu verhindern.
Herausforderungen der einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit2

Grundsätzlich haben verschiedene Einrichtungen unterschiedliche organisatorische Aufgaben, Visionen, Werte, Ziele und Absichten. Sie können auch unterschiedliche Regeln, Vorschriften und Arbeitsmechanismen haben. Dies kann eine effektive Zusammenarbeit erschweren.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Unterschiede in den Definitionen und Bezeichnungen, die verwendet werden, um sich auf Opfer zu beziehen: im Strafrechtssystem ist von Opfern die Rede, Schutzeinrichtungen für Frauen sprechen gelegentlich von „Überlebenden“, im Gesundheitssystem ist die Rede von „Patientinnen und Patienten“. In der Arbeit mit Täter:innen wird ebenfalls der Opferbegriff im strafrechtlichen Sinne verwendet, es kann sich aber auch  allgemein um „Klienten und Klientinnen“ handeln.

Die von verschiedenen Behörden und Einrichtungen gesammelten Daten sind im Regelfall nicht vergleichbar: aufgrund von Unterschieden in der Art der Daten, in deren Erfassung oder in der Datenspeicherung. Es kann auch Unterschiede im Verständnis dessen geben, was häusliche Gewalt ausmacht und was ihre Auswirkungen sind. Eine hohe Personalfluktuation ist ebenfalls ein Hindernis und beeinträchtigt die Kommunikation.

Einrichtungen kommunizieren nicht immer miteinander oder dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Informationen austauschen. Folglich müssen Opfer sämtliche Erfahrungen, einschließlich der Einzelheiten von erlebtem Missbrauch, wiederholt schildern. Die Erinnerung an das Erlebte kann für Opfer traumatisch sein und sie folglich davon abhalten, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Beschreibung: Das Video stellt den fiktiven Fall „Rita“ vor. Es zeigt, wie die Zusammenarbeit zwischen Ersthelfer:innen, einschließlich medizinischem Fachpersonal, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Polizei und Sozialarbeiter:innen idealerweise aussehen kann.

Quelle: Polizei Berlin


2. Strafverfahren in Fällen von häuslicher Gewalt

Das sind die einzelnen Schritte vom Gewaltvorfall bis zum Gerichtsverfahren.

  • Häusliche Gewalt tritt auf: Gewalt erfolgt durch einen (ehemaligen) Partner oder ein Familienmitglied. Dabei kann es sich um verschiedene Formen von Gewalt handeln, darunter körperliche, psychische, sexuelle, digitale oder finanzielle.
  • Die Polizei ist verpflichtet, bei unmittelbar bevorstehender Gewalt ein Betretungs- und Annäherungsverbot (auf 100 Meter) gegen den:die Gefährder:in zu verhängen. Dieses bleibt 14 Tage lang aufrecht.
  • Strafanzeige: Die Anzeige des Vorfalls, die häufig durch das Opfer selbst erfolgt, dient als formale Einleitung des Strafverfahrens. Eine Anzeige zu erstatten, kann für das Opfer eine schwierige Entscheidung sein, und wenn ein Opfer keine Anzeige erstatten möchte, sollte das respektiert werden. Die Anzeige kann jedoch ein wichtiger Schritt sein, um Hilfe zu erhalten und die Täter:innen zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn die Polizei von einer Straftat erfährt, muss sie diese verfolgen (Offizialprinzip), auch wenn das Opfer keine Anzeige erstatten möchte.
  • Gewaltopfer haben das Recht auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, d.h. sie können bereits bei der polizeilichen Einvernahme durch Mitarbeiter:innen von Opferschutzeinrichtungen begleitet werden.
  • Polizeiliche Erhebungen und Dokumentation: Zunächst werden die Aussagen des Opfers, von Zeug:innen und des/der Tatverdächtigen aufgenommen. Außerdem muss die Polizei weitere Beweise wie Fotos von Verletzungen sammeln und alle relevanten Dokumente oder Gegenstände sicherstellen, die vor Gericht als Beweismittel verwendet werden könnten.
  • Unterstützung: Dem Gewaltopfer wird Unterstützung und Schutz angeboten. Dies kann etwa die akute medizinische Versorgung von Verletzungen, die Information über Opferschutzeinrichtungen oder die Begleitung zu einem Frauenhaus umfassen. Unterstützung ist wichtig, um die emotionalen und praktischen Bedürfnisse des Opfers in dieser schwierigen Zeit zu erfüllen.
  • Strafverfolgung: Die Polizei übermittelt sämtliche Beweismittelan die Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet, ob sie das Verfahren einstellt oder einen Strafantrag einbringt bzw. Anklage gegen den mutmaßlichen Täter/die mutmaßliche Täterin erhebt.

Die folgende Abbildung zeigt die einzelnen Schritte des Strafverfahrens bei häuslicher Gewalt und erklärt, wie sie zusammenhängen. Bitte klicken Sie auf die blauen Kreise, um mehr Informationen zu den einzelnen Schritten zu erhalten. In der Abbildung der Schritte: Klicken Sie bitte auf das Kreuz im entsprechenden Kreis, um mehr Informationen zu erhalten.


3. Strafverfahren bei häuslicher Gewalt in Deutschland

Opfern von häuslicher Gewalt stehen mehrere Wege offen, Anzeige zu erstatten. Sie können die Polizei direkt telefonisch über die Nummer 133 kontaktieren oder eine Polizeistation aufsuchen. Sie können sich aber auch als ersten Schritt an eine Opferschutzorganisation – insbesondere an ein Gewaltschutzzentrum – wenden, um bei der Anzeigeerstattung begleitet und unterstützt zu werden. Verletzte Opfer, die ein Krankenhaus aufsuchen, werden dort von der Opferschutzgruppe betreut, die außerdem forensische Beweise sichert.

Die polizeiliche Reaktion auf häusliche Gewalt wurde erstmalig durch das Gewaltschutzgesetz 1997 normiert, darauf folgten das 2. Gewaltschutzgesetz 2009 sowie das 3. Gewaltschutzgesetz 2019. Wichtige Eckpfeiler des Gewaltschutzes sind:

  • Als Schutzmaßnahme bei unmittelbar bevorstehender Gewalt verhängt die Polizei ein Betretungs- und Annäherungsverbot (§ 38a SPG), das Gefährder:innen zwei Wochen lang untersagt, sich der gefährdeten Person bzw. deren Wohnort zu nähern. Die Schutzperiode verlängert sich auf vier Wochen, wenn die gefährdete Person beim Familiengericht eine Einstweilige Verfügung für einen längerfristigen Schutz (sechs bis zwölf Monate) beantragt. Es bestehen gesetzliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen (§ 382b EO) und zum Schutz vor allgemeiner Gewalt (§ 382c EO), die auch gemeinsam beantragt werden können.
  • Die einschreitenden Polizeibeamt:innen sind verpflichtet, die gefährdete Person über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren, dazu zählen etwa die Unterstützung durch ein Gewaltschutzzentrum und das Angebot der Prozessbegleitung.
  • Betretungs- und Annäherungsverbote müssen von der Polizei umgehend an das zuständige Gewaltschutzzentrum übermittelt werden. Dieses kontaktiert die gefährdete Person und bietet psychosoziale und rechtliche Unterstützung an. In der Folge werden ein Sicherheitsplan und eine Gefährdungseinschätzung erstellt, gegebenenfalls erfolgt Hilfestellung bei einem Antrag auf Einstweilige Verfügung, auf soziale Sicherung o.ä.Gefährder:innen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, sind dazu verpflichtet, eine Beratungsstelle für Gewaltprävention aufzusuchen.
  • Gefährder:innen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, sind dazu verpflichtet, eine Beratungsstelle für Gewaltprävention aufzusuchen.

Das österreichische Strafgesetz kennt keine ausdrückliche Kriminalisierung von häuslicher Gewalt, nennt aber die Begehung von vorsätzlichen Straftaten im Familienkreis explizit als Erschwerungsgrund bei der Strafbemessung (§ 33 Abs.2 StGB). Bei Gewaltdelikten handelt es sich um Offizialdelikte, d.h. die Polizei ist grundsätzlich – unabhängig von den Wünschen des Opfers – verpflichtet, Anzeige zu erstatten.

Wenn ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorliegt, besteht für verschiedene Einrichtungen eine Mitteilungspflicht an die Kinder- und Jugendhilfe. Das betrifft unter anderem Gerichte und Behörden, das Schulwesen und das Gesundheitswesen (§ 38 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013).

Seit 2006 haben Opfer von vorsätzlich begangenen Gewalttaten und von gefährlicher Drohung Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren sowie in daraus resultierenden Zivilverfahren. Psychosoziale Prozessbegleitung soll dabei helfen, die Belastung durch das Verfahren zu minimieren sowie verfügbare Unterstützung und rechtliche Möglichkeiten besser auszuschöpfen. Dazu zählen etwa die Begleitung zu Polizei und Gericht oder das Erklären von rechtlichen Schritten. Die Prozessbegleitung wird vom Bundesministerium für Justiz finanziert und von Opferschutzeinrichtungen durchgeführt.

Eckpunkte des Strafverfahrens:

  • Das Strafverfahren beginnt mit dem Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei leitet. Ziel ist die Aufklärung des Sachverhalts bzw. eines Tatverdachts durch Ermittlungen. In dieser Phase werden etwa Zeug:innen, auch das Opfer, einvernommen. Nach Vorlage des Abschlussberichts durch die Polizei entscheidet die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen, insbesondere Verfahrenseinstellung oder Anklageerhebung/Strafantrag.
  • Eine Einstellung des Strafverfahrens kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. Der häufigste Grund liegt darin, dass die Staatsanwaltschaft keine strafrechtlich relevanten Handlungen wahrnimmt. Auch im Fall einer gelungenen Diversion (v.a. Tatausgleich) wird das Strafverfahren eingestellt. Unter bestimmten, eng gefassten Voraussetzungen kann das Opfer einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens stellen (§ 195 StPO).
  • Das Hauptverfahren beginnt mit der Einbringung der Anklage. In der Hauptverhandlung werden der:die Angeklagte und Zeug:innen einvernommen sowie Sachbeweise vorgelegt. Häufig sagt das Opfer nicht in der Hauptverhandlung aus, sondern bereits vorher im Zuge einer kontradiktorischen Einvernahme. Damit wird ein Zusammentreffen mit dem:der Angeklagten verhindert. Psychosoziale und juristische Prozessbegleitung stehen auch hier zur Verfügung. Wenn das Opfer einen Schadenersatzanspruch gegen den:die Angeklagte:n hat, muss dieser meist in einem Zivilverfahren eingeklagt werden.

Die Unterstützungsleistungen für Opfer von Gewalt enden nicht mit der Urteilsverkündung. So wird etwa im Rahmen der psychosozialen Prozessbegleitung eine Abschlussbesprechung angeboten. Opfer von Partnergewalt oder von Zwangsehe, deren Aufenthaltstitel vom Täter/von der Täterin abhängt, erhalten in der Regel eine einjährige Aufenthaltserlaubnis (§ 27 NAG).



Quellen

  1. www.improdova.eu/pdf/IMPRODOVA_D2.4_Gaps_and_Bridges_of_Intra-_and_Interagency_Cooperation.pdf?m=1585673383& ↩︎
  2. www.improdova.eu/pdf/IMPRODOVA_D2.4_Gaps_and_Bridges_of_Intra-_and_Interagency_Cooperation.pdf?m=1585673383& ↩︎